Während das Ende der Internationalen Raumstation ISS naht, beginnt die Volksrepublik mit der Errichtung eines eigenen Außenpostens im Weltraum. Nun ist das zentrale Bauteil auf dem Weg zu seinem Bestimmungsort.
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China hat das erste Modul seiner neuen Raumstation gestartet. Eine Trägerrakete des Typs "Langer Marsch" hob mit dem "Tianhe" genannten Kernmodul vom Raumfahrtbahnhof Wenchang auf der Insel Hainan in Richtung All ab. Der Bau einer eigenen Raumstation ist zentraler Bestandteil des ehrgeizigen Weltraumprogramms der Volksrepublik.
Zehn Minuten nach dem Start trennte sich das Modul erfolgreich von der Rakete, was lauten Applaus im Kontrollzentrum auslöste. Wenig später erreichte "Tianhe" auch seine vorbestimmte Umlaufbahn. Chinas Ministerpräsident Li Keqiang verfolgte den Start vom Raumfahrtzentrum in Peking aus.
Station namens "Himmlischer Palast"
"Tianhe", zu deutsch etwa "himmlische Harmonie", ist Teil der im Bau befindlichen chinesischen Raumstation "Tiangong" ("himmlischer Palast") und bietet Unterkünfte für Astronauten. In Betrieb gehen soll die Station im kommenden Jahr. Zuvor sind noch etwa elf Missionen geplant, im Zuge derer weitere Module ins All gebracht und montiert werden sollen. Derzeit trainieren mindestens zwölf Astronauten für den Flug zur und das Leben in der Station.
Laut Experten wird "Tiangong" weniger als halb so groß sein wie die Internationale Raumstation ISS mit 240 Tonnen. Sie sei etwa mit der früheren russischen Station "Mir" vergleichbar.
Arbeiten begannen schon 1992
Geplant ist, dass "Tiangong" nach ihrer Inbetriebnahme in einer niedrigen Erdumlaufbahn auf rund 400 bis 450 Kilometern Höhe verbleibt. Neben wissenschaftlichen Versuchen in Schwerelosigkeit, im Vakuum und unter Strahlung soll die Station dem chinesischen Raumfahrtprogramm neue Möglichkeiten für weitere Missionen eröffnen.
Wenn die veraltete ISS wie geplant in den kommenden Jahren ihren Dienst einstellt, wäre China zumindest für einige Jahre die einzige Nation, die einen ständigen Außenposten im Weltraum betreibt. Russland wird frühestens 2025 mit einer eigenen Station nachziehen.
Eine internationale Nutzung von "Tiangong" wie bei der ISS ist nicht geplant. Peking hat jedoch erklärt, offen für ausländische Kooperation in der Weltraumforschung zu sein. Die Volksrepublik begann bereits 1992 mit den Arbeiten für eine eigene Raumstation.
Raumstation Mir: Erinnerung an eine Orbit-Legende
Vor zwanzig Jahren unterzeichnete der russische Regierungschef Michail Kasjanow das Ende der Raumstation Mir. Sie gilt heute als Pionierprojekt der Raumfahrt. 15 Jahre war sie im Einsatz und erlebte Abenteuer und Pannen.
Bild: NASA
Sowjetischer Vorposten
Die Idee setzte sich in Moskau bereits in den 1970er Jahren durch. Mit einer Raumstation wollte die Sowjetunion beim Wettlauf im All wieder Boden gegen die USA gut machen. 1986 feierte die Mir ihre Premiere im Orbit. 15 Jahre lang war sie im Einsatz. Am 5. Januar 2001 unterzeichnete der Russische Regierungschef Michail Kasjanow den Beschluss zur Versenkung der Raumstation im Pazifik.
Bild: NASA
Internationale Zusammenarbeit
Nach dem Ende des Kalten Krieges gehörte die Zukunft der Internationalen Raumstation ISS, die kurz zuvor den Dienst aufgenommen hatte. Doch auf der Mir hatte die Ära der länderübergreifenden Kooperation begonnen. Beispielsweise dockte das US-amerikanische Space Shuttle Atlantis - wie hier im Bild - am Weltraumlabor an. Auch vier Deutsche verbrachten Zeit auf der knapp 140 Tonnen schweren Station.
Bild: Imago/ITAR-TASS
Viele Besucher
So wie beispielsweise der Astronaut Reinhold Ewald (oben, 2. von rechts). Eine Sojus-Kapsel brachte ihn 1997 zur Mir. Insgesamt hatte die Weltraumstation mehr als 100 Besucher aus aller Welt. Während Ewalds Aufenthalt brach auf der Station ein Feuer aus, das aber schnell wieder gelöscht werden konnte.
Bild: DLR German Aerospace Center
Pleiten, Pech und Pannen
Die Mir hält auch den Pannenrekord im All. Das Material war schon bald übermüdet. Mal traten Chemikalien aus der Kühlung aus, dann kam es beim Bordcomputer zum Blackout, oder - wie hier im Bild - beschädigte ein Progress-Raumfrachter die Solarpaneele. Eine Raumstation sei eben "keine Vielfliegerlounge mit Plüschsesseln", kommentierte damals Astronaut Ewald.
Bild: NASA
Fossil im All
Die USA, die sich nach dem Untergang der Sowjetunion finanziell beteiligten, drangen auf eine gemeinsame neue Basis. Mit dem Aufbau der Internationalen Raumstation ISS ab 1998 beginnt auch das langsame Abwracken der Mir. In den 15 Jahren im Orbit kam das Labor auf über 86.000 Erdumrundungen.
Bild: Imago/ITAR-TASS
Ende eines Pionierprojekts
Die Mir gilt als Meilenstein der bemannten Raumfahrt und der internationalen Zusammenarbeit im All. "Wir stünden ohne diese Erfahrung noch am Anfang", sagt der deutsche Astronaut Thomas Reiter. Im März 2001 wurde die Station dann endgültig aufgegeben. Die beim Eintritt in die Erdatmosphäre nicht verglühten Überreste der "Mir" gingen im Pazifik östlich von Neuseeland nieder.