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PolitikAsien

China, Taiwan und das Verhältnis zu den USA

Dang Yuan
3. August 2022

Der Besuch von Nancy Pelosi in Taiwan löste große Spannungen in der Region aus. Die USA haben zwar die "Ein-China-Politik" anerkannt, liefern Taiwan aber trotzdem moderne Waffen zur Verteidigung. Ein Widerspruch?

Taiwan Nancy Pelosi, während eines Treffens mit der taiwanesischen Präsidentin Tsai Ing-wen
Nancy Pelosi beim Treffen mit der taiwanischen Präsidentin Tsai Ing-wenBild: ASSOCIATED PRESS/picture alliance

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Asien 1945 und dem chinesischen Bürgerkrieg 1949 nannten sich zwei Länder in Asien "China": die "Republik China", kurz RoC, die nach dem verlorenen Bürgerkrieg von Taiwan aus das ganze chinesische Territorium beansprucht, und die "Volksrepublik China", kurz VR China, die 1949 von Mao Zedong in Peking ausgerufen wurde. Diese sieht Taiwan als eine abtrünnige Provinz an. Die Verfassungen beider "Chinas" bekräftigen bis heute diese territorialen Ansprüche.  

Die regierende Kommunistische Partei der VR China hat jedoch seit 1949 nie über die Insel Taiwan regiert. Umgekehrt konnte die junge Demokratie auf der Insel Taiwan - seit den 1990er Jahren finden in Taiwan demokratische Wahlen und Regierungswechsel statt - nie die Politik auf dem Festland bestimmen. An diesem De-facto-Zustand wollte eine Zeit lang niemand etwas ändern. 

1949 rief Mao Zedong die Volksrepublik China ausBild: AP

Doch Peking verabschiedete 2005 das Antiabspaltungsgesetz, das der chinesischen Volksbefreiungsarmee die Anwendung von Waffengewalt erlaubt, wenn sich Taiwan unabhängig erklären sollte. Das Festland richtet schon seit Jahrzehnten Tausende von Raketen auf Taiwan. Die nächstgelegene Insel der Republik China liegt weniger als zwei Kilometer vor der Küste des Festlands. Die militärischen Spannungen auf beiden Seiten der Taiwan-Straße nehmen ständig zu. 

Taiwan international isoliert

Bis Anfang der 1970er Jahre war Taiwan von der internationalen Gemeinschaft als "Republik China" anerkannt. 1971 beschlossen die Vereinten Nationen jedoch, dass China in allen UN-Organisationen durch Peking vertreten wird. Die Republik China wurde durch die kommunistische Volksrepublik "ausgetauscht". 

Daraufhin nahm die Bundesrepublik Deutschland vor genau 50 Jahren diplomatische Beziehungen mit der Volksrepublik China auf. Grundlage dafür war und ist die sogenannte Ein-China-Politik, also die Anerkennung der Regierung in Peking als einzig legitime Regierung Chinas. Zur taiwanischen "Republik China" dürfen demzufolge keine diplomatischen Beziehungen gepflegt werden. Derzeit erkennen nur 14 kleinere Staaten weltweit die Regierung der Republik China an, darunter der Vatikan.

1979 brachen auch die USA ihre diplomatischen Beziehungen zur Republik China ab und erkannten die Volksrepublik China an. Noch im selben Jahr erließ der US-Kongress den "Taiwan-Relations-Act", der die Verkäufe moderner Waffensysteme an Taiwan rechtfertigt und die US-Regierung zur Wahrung des Friedens in und um Taiwan auffordert. 

USA wollen Demokratien in Asien stärken

In Washington herrscht parteiübergreifend die Meinung, dass den USA aus historischen Gründen nicht daran gelegen sei, Taiwan Peking zu überlassen. Während des Kalten Krieges waren Taipeh und Washington lange im Kampf gegen das kommunistische China vereint gewesen. Die USA sehen Pekings Aufstieg mit großem Misstrauen und betrachten das Festland als Rivalen, Taiwan hingegen als einen wichtigen Verbündeten, der gemeinsame Wertevorstellungen teilt. 

Das bekräftigte Nancy Pelosi mit deutlichen Worten bei ihrem Besuch: Sie will "unmissverständlich klar machen, dass die USA ihre Verpflichtungen gegenüber Taiwan nicht aufgeben werden."  Taiwan ist auch strategisch wichtig, denn von hier aus kann die Bewegung aller chinesischen Kampfschiffe und -flugzeuge, die in die pazifische Region vordringen, überwacht werden. 

Ein-China-Prinzip

Für die KP Chinas ist das sogenannte "Ein-China-Prinzip" eindeutig in der Aussage und in der Zielsetzung: Ziel ist die Wiedervereinigung des Festlandes mit Taiwan unter Führung der KPCh. Auf Taiwan dagegen gibt es hinsichtlich des "Ein-China-Prinzips" unterschiedliche Interpretationen. Nach Meinung von Taiwans größter Oppositionspartei KMT sind beide Seiten bei bilateralen Verhandlungen in Hongkong im Jahr 1992 zu der Übereinkunft gelangt, dass es zwar nur ein Land mit dem Namen "China" gebe. Aber ob es sich dabei um die "Volksrepublik China" oder um die "Republik China" handelt, liege im Interpretationsspielraum beider Seiten. Diese verbale Übereinkunft wurde später als "Konsens von 1992" bezeichnet.

Für Peking ist der "Konsens von 1992" die politische Grundlage für friedliche Beziehungen. In der Praxis hat sich die Pekinger Regierung nie zu der Option geäußert, dass mit "China" etwas anderes gemeint sein könnte als die Volksrepublik.

Die Regierungspartei DPP auf Taiwan um die Präsidentin Tsai Ing-wen kann sich mit dem "Konsens von 1992" nicht wirklich anfreunden. "1992 hatten sich beide Seiten auf einige gemeinsame Positionen verständigt", sagt die Präsidentin in ihrer Antrittsrede 2016, "ich respektiere diese historische Tatsache". Sie wolle weiterhin Frieden und Stabilität wahren, aber trotzdem der Demokratie und dem Volkswillen in Taiwan Rechnung tragen, so Tsai weiter.

Die Öffentlichkeit auf Taiwan ist in Bezug auf die Frage über Unabhängigkeit oder Wiedervereinigung durch die historisch bedingte Zuwanderung vom Festland, vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg, tief gespalten. 

Transparente, die in Peking für Unmut sorgenBild: Ann Wang/REUTERS

Keine Duldung durch Peking

Schon dass sich die Regierung in Taipeh als "Taiwan" und nicht als "Republik China" bezeichnet, betrachtet Peking als Vorstufe zur Unabhängigkeitserklärung, denn Taiwan wäre die Bezeichnung eines neuen Staats, und die Republik China gibt es in den Augen der VR China nicht. Festlandchinesische Beamte lernen in der ersten Lektion ihrer politischen Schulung, dass Taiwan keine "Präsidentin", sondern lediglich eine "kommunale Verwaltungschefin" besitze. Auch Nationalhymne und -flagge existieren in den Augen Pekings nicht.

Der Zugang Taiwans zu internationalen Organisationen wird von Peking weitestgehend blockiert. So darf Taiwan etwa auch während der Corona-Pandemie in der Weltgesundheitsorganisation aufgrund scharfen Protestes aus Peking nicht als "Beobachter" mitwirken. Auch Deutschland unterhält keine diplomatische Vertretung auf Taiwan, sondern nur ein "Deutsches Institut" in Taipeh. Umgekehrt betreibt die Republik China in Berlin eine "Taipeh-Vertretung". Bei den Olympischen Spielen treten die Athleten aus Taiwan unter Bezeichnung "Chinese Taipeh" auf.