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Nähern sich Handelspartner China und Brasilien politisch an?

11. Dezember 2025

Die Handelsbeziehungen wachsen kontinuierlich. Für China ist Brasilien ein Türöffner für den Markt in Südamerika. Auch eine politische Annährung der beiden Länder steht zur Diskussion.

Der chinesische Staatspräsident Xi Jinping und der brasilianische Präsident Lula da Silva  schütteln einander die Hände während Xis Besuch in der brasilianischen Hauptstadt Brasília, November 2024
Der chinesische Staatspräsident Xi Jinping und der brasilianische Präsident Lula da Silva in der brasilianischen Hauptstadt Brasília, November 2024Bild: Ricardo Stuckert/PR

Sie sehen bunt aus, freundlich und ansprechend: Rund 400 Millionen Kaffeebecher würden derzeit für die Kampagne "Kaffee aus Brasilien" bereitgestellt, informiert dieser Tage die chinesische Botschaft in Brasilien auf ihrem Account in dem sozialen Netzwerk X. Verteilt würden sie dann an "tausende" Cafeterien in China. Organisiert werde die Kampagne in Zusammenarbeit mit der brasilianischen Außenhandels- und Förderungsagentur, APEX. 

Der Post spiegelt die Dynamik der brasilianisch-chinesischen Handelsbeziehungen wider. Seit 2009 ist China der größte Handelspartner Brasiliens, seitdem wuchs das Handelsvolumen — vor allem zuletzt: Im Jahr 2024 stieg es auf 4,18 Milliarden US-Dollar — das sind 113 Prozent mehr gegenüber dem Vorjahr. So berichtet es der Brasilianisch-Chinesische Wirtschaftsrat in seinem kürzlich erschienenen Jahresbericht 2024.

Auch als Investitionsstandort spielt Brasilien für China eine herausragende Rolle. So wuchsen die 2024 getätigten Investitionen aus dem Reich der Mitte um ein gutes Drittel — genauer 34 Prozent, so der Wirtschaftsrat. 

Umgekehrt will auch Brasilien seine Exporte nach China steigern. So etwa bei Sojabohnen: sie machten im vergangenen Jahr über 70 Prozent der chinesischen Gesamtexporte dieses Produkts aus. Um sie und andere Waren zu verschiffen, errichtet der chinesische Staatskonzern Cofco in der Hafenstadt Santos seinen größten Exportterminal außerhalb Chinas. 

Auch Kaffee ist in China ein begehrtes Gut: Der Wirtschaftsdatenbank Trading Economics zufolge beliefen sich Brasiliens Kaffeeexporte nach China im Jahr 2024 auf 213,6 Millionen US-Dollar. 

Am Rande des G20-Gipfels in Rio de Janeiro werben Chinesen für die chinesisch-brasilianische Freundschaft 2024Bild: Tobias Käufer/DW

Chinesische Interessen, brasilianische Interessen

Brasilien arbeite mit China ganz wesentlich deswegen zusammen, weil auf diese Weise neue Arbeitsplätze entstehen können, sagt der Ökonom Tomás Marques vom German Institute for Global and Area Studies (GIGA) in Hamburg. Dazu würden vor allem die vielen Investitionen beitragen, die das Land in Brasilien tätige. "Das gilt vor allem für den Technologiesektor, so etwa in den Sparten E-Mobilität und Energie. Wichtig ist, dass diese Investitionen die Produktivität insgesamt anregen. Das spielt eine wesentliche Rolle", so Marques zur DW.

Umgekehrt sei China vor allem an unverarbeiteten landwirtschaftlichen Produkten interessiert, sagt Johann Fuhrmann, Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Peking. Diese machten rund 80 Prozent der chinesischen Importe aus. "Auch Energieträger wie etwa Erdöl sind für China wichtig. Darum ist Brasilien handelspolitisch ein wichtiger Partner. Allerdings wollen die Chinesen über den Export von Hightech und die Investition in entsprechende Produktionsstandorte in dem Land auch Fuß fassen. Denn Brasilien aufgrund der engen Verbindungen und Handelsbeziehungen als wichtigster Brückenkopf in die übrigen lateinamerikanischen Länder", so Fuhrmann zur DW.

Für wie bedeutsam der brasilianische Staatspräsident Luiz Inácio Lula da Silva die Beziehungen zu China hält, zeigte sich während seines Staatsbesuchs in China im Mai 2025: Begleitet wurde er von elf Ministern und einer Delegation von über 150 Wirtschaftsvertretern. Beide Seiten unterzeichneten dreißig Abkommen. 

Hinweisschild auf die Niederlassung des chinesischen Unternehmens BYD im brasilianischen Bundesstaat Bahia, 2024Bild: Raphael Muller/AP Photo/picture alliance

"Made in China" auch im Alltag

Auch andere chinesische Unternehmen sind im brasilianischen Alltag längst präsent: So etwa konkurrieren die App "99", produziert von einer brasilianischen Tochterfirma des chinesischen Unternehmens DiDi, und die dem Konzern Meituan gehörende App "Keeta" mit anderen Anbietern - allen voran Uber. Sie sind dabei durchaus erfolgreich auf dem Markt der Fahrdienstvermittlungen und Essenslieferdienste.

Produkte "Made in China" hätten ihren Ruf bei den brasilianischen Konsumenten enorm verbessert, sagt der Tomás Marques. "In den 2000er-Jahren galten chinesische Produkte vielen brasilianischen Konsumenten noch als minderwertig", so Marques zur DW. "Inzwischen aber gehören etwa Smartphones und andere Produkte des chinesischen Unternehmens Xiaomi zu den Marktführern in Brasilien." 

Gerade durch die Digitaltechnik sei China im Alltag der Brasilianer sehr viel präsenter als noch vor einigen Jahren, sagt Johann Fuhrmann. "Und natürlich versucht Peking den USA auch auf diese Weise Konkurrenz zu machen. Das heißt auch, dass sich Brasilien und die Brasilianer jetzt in einer ähnlichen Lage wie die Europäer befinden: Sie müssen ihre Position zwischen zwei konkurrierenden Handelspartnern, nämlich China und den USA bestimmen. In dieser Situation kann es leicht zu Konflikten kommen."

Auch in Brasilien aktiv: der chinesisch Fahrdienstleister DidiBild: HECTOR RETAMAL/AFP/Getty Images

Ökonomische Zukunftsszenarien 

Offen ist, welche Entwicklung diese Beziehung künftig nehmen könnte. Der US-amerikanische Think Tank Atlantic Council zeichnet verschiedene  Szenarien. So etwa könnte China die USA als wichtigsten Warenhandelspartner Lateinamerikas und der Karibik bis 2035 überholt haben. Das könnte so weit gehen, so beschreibt es der Essay in einem weiteren Szenario, dass China bis 2035 für viele Länder Lateinamerikas ein bedeutenderer Importpartner werden könnte als die USA.

Riskant sei allerdings die ungleiche Art der gehandelten Waren: Während die lateinamerikanischen Länder vor allem Rohstoffe und landwirtschaftliche Erzeugnisse exportierten, liefere China hauptsächlich Hightech und verwandte Exporte. Das könne auf Dauer zu "historisch hohen Handelsdefiziten Lateinamerikas und der Karibik in ihren Beziehungen zu China" führen - "ein heikles Thema, das politische Debatten auslösen könnte."

Sojabohnen aus Brasilien werden China verschifftBild: Ivan Bueno/APPA

Politische Annäherung an China?

Nicht auszuschließen ist dabei, dass Brasilien — und Lateinamerika insgesamt  und China sich auch politisch annähern werden. Auf dem vierten Treffen lateinamerikanischer, karibischer und chinesischer Minister, dem sogenannten CELAC-Forum (China-Community of Latin American and Caribbean States) im Mai dieses Jahres in Peking sprach der chinesische Staatschef Xi Jinping von engeren Beziehungen zu Lateinamerika durch politischen, akademischen und sicherheitspolitischen Austausch. Im Hintergrund schwang auch der Zollstreit Chinas ebenso wie der der lateinamerikanischen Staaten mit den USA mit. "Mobbing und Zwang führen nur zur Isolation", sagte Xi. 

Zudem setze Brasilien auf China, das eine Rolle als Vorkämpfer des Globalen Südens für sich in Anspruch nimmt, um in einer entstehenden multipolaren Welt eine aktivere Rolle bei der Gestaltung der globalen Ordnung zu spielen, heißt es in einer Studie des Center for Strategic and International Studies aus dem Jahr 2023.  Allerdings wachse damit in Brasilien auch die Sorge, eine unkontrolliert zunehmende Beziehung zu China könnte nicht zu strategischer Autonomie, sondern zu Abhängigkeit von Peking führen. 

Diese Sorge gelte auch mit Blick auf die gesamte Region, sagt Johann Fuhrmann. "Paraguay zum Beispiel das einzige südamerikanische Land, das Taiwan diplomatisch anerkennt. Sollten die wirtschaftliche Bande zu China aber stärker werden, ist nicht auszuschließen, dass sich das irgendwann ändert."

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Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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