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China und EU rücken näher zusammen

16. Juli 2018

Der Streit mit Donald Trump bringt Europäer und Chinesen wieder einander näher. Beide Seiten streben ein Investitionsabkommen an. Außerdem will die EU zusammen mit China die Welthandelsorganisation (WTO) reformieren.

Peking EU China Treffen Tusk Li Keqiang Juncker
Bild: Reuters/T. Peter

Erstmals seit Jahren haben die EU und China in Handelsfragen wieder Fortschritte gemacht. Vor dem Hintergrund eines drohenden Handelskrieges mit den USA gaben beide auf ihrem Gipfel am Montag in Peking den seit vier Jahren nur langsam vorankommenden Verhandlungen über ein Investitionsabkommen neuen Schwung. Auch wurde eine gemeinsame Arbeitsgruppe vereinbart, um eine Reform der Welthandelsorganisation (WTO) voranzubringen. Zum ersten Mal seit drei Jahren endete das Treffen wieder mit einer gemeinsamen Erklärung. 

"Die EU und China sind zwei Kräfte der Stabilität", sagte Chinas Premier Li Keqiang (Artikelbild, Mitte) nach den Gesprächen mit EU-Ratspräsident Donald Tusk (links) und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (rechts). Beide Seiten wollten das freie Handelssystem aufrechterhalten. Zu den Drohungen von Trump, Waren aus China im Wert von bis zu 500 Milliarden US-Dollar mit Strafzöllen zu belegen, sagte Li Keqiang: "Niemand geht aus einem Handelskrieg als Sieger hervor." 

Tusk appellierte an Trump und den russischen Präsidenten Wladimir Putin, mit den Europäern und Chinesen zusammenzuarbeiten und aufzupassen, dass die Weltordnung nicht zerstört wird. Einen Tag nachdem Trump die Europäer als "Feinde" beschrieben hatte, sagte Tusk unter Hinweis auf den amerikanisch-russischen Gipfel in Helsinki und das EU-China-Treffen in Peking: "Wir sind uns alle der Tatsache bewusst, dass sich die Architektur der Welt vor unseren Augen ändert." 

Die alte Weltordnung habe den Kalten Krieg beendet, Europa den Frieden gebracht und China Entwicklung. "Es ist unsere gemeinsame Verantwortung in Europa, China, Amerika und Russland, diese Ordnung nicht zu zerstören, sondern zu verbessern", mahnte Tusk. "Nicht Handelskriege zu starten, die so oft in unserer Geschichte zu kriegerischen Konflikten wurden, sondern mutig und verantwortlich die regelbasierte Weltordnung zu reformieren." Er rufe Trump, Putin und China auf, gemeinsam die WTO zu reformieren. "Es ist noch Zeit, um Konflikt und Chaos zu verhindern." Die Reform der WTO soll sich um Industriesubventionen, den Schutz des geistigen Eigentums, zwangsweisen Technologietransfer, Verringerung der Handelskosten und eine wirksamere Streitschlichtung drehen. Das Ziel seien die Stärkung der WTO und gerechte Wettbewerbsbedingungen, sagte Tusk.

Tusk und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker waren am Montag mit chinesischen Spitzenpolitikern beim jährlich stattfindenden EU-China-Gipfel in Peking zusammengetroffen. Dort hatten sie mit Vertretern Chinas in der Großen Halle des Volkes sechs Abkommen unterzeichnet. Dabei geht es hauptsächlich um Wirtschaft und Investitionen, aber auch um Kriminalitätsbekämpfung und Umweltschutz.

Arbeiter in einem Stahlwerk in Dalian in der Provinz LiaoningBild: picture alliance / dpa

Chinas Wirtschaft wächst langsamer

Im zweiten Quartal 2018 ist Chinas Wirtschaft mit einem Plus von 6,7 Prozent langsamer gewachsen. Für die erste Jahreshälfte ergibt sich damit ein Wachstum von insgesamt 6,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, wie das Statistikamt am Montag in Peking berichtete. In den ersten drei Monaten des Jahres war die zweitgrößte Volkswirtschaft bereits um 6,8 Prozent gewachsen. Angesichts der drohenden Eskalation im Handelskonflikt mit den USA zeigt sich Chinas Wirtschaft damit widerstandsfähig, wie Experten meinten.

Trotz der Unsicherheiten gebe es Schwung durch die weltweite Erholung, einen belebten Immobilienmarkt und andere Wachstumstreiber. Auch hatte sich der Beitrag des Konsums zum Wachstum im ersten Quartal von 58 Prozent im Vorjahreszeitraum auf 77 Prozent erhöht. Die wirtschaftliche Entwicklung liegt weiter über der Vorgabe der Regierung in Peking, die für 2018 nur rund 6,5 Prozent anstrebt.

Experten rechnen in der zweiten Jahreshälfte mit einem leicht abgeschwächten Wachstum von nur noch 6,6 Prozent. Chinesische Unternehmen sind nach einer jüngsten Umfrage des Finanzdienstes IHS Markit zwar optimistisch, dass ihre Produktion im nächsten Jahr wachsen wird, doch ist die Stimmung "vergleichsweise gedämpft". Die Sorgen über den Handelskrieg, steigende Preise für Rohstoffe, höhere Arbeitskosten, härteren Wettbewerb und strengere Umweltvorschriften drücken die Laune.

Appetit auf deutsche Firmen ungebrochen

Chinesische Investoren haben weiterhin großes Interesse an deutschen Unternehmen. Wie aus einer Studie der Unternehmensberatung EY hervorgeht, gaben sie für Übernahmen und Beteiligungen in Europa seit Januar rund 15 Milliarden Dollar aus - davon 10 Milliarden in Deutschland. Die europaweit größten Deals waren der Einstieg des Autobauers Geely bei Daimler, die Übernahme des französischen Computerspiel-Herstellers Ubisoft und die noch laufende Übernahme des bayerischen Autozulieferers Grammer durch den Zulieferer Jifeng.

Überraschender Einstieg bei Deutschlands Industrie-Ikone: Daimlers neuer Großaktionär Li Shufu Bild: Getty Images/AFP/Goh Chai Hin

Insgesamt haben chinesische Investoren im ersten Halbjahr weniger europäische Firmen gekauft als im Vorjahresvergleich. Nach den aktuellen Zahlen von EY beteiligten sich Investoren aus dem Reich der Mitte mit gut 14,9 Milliarden Dollar (12,7 Milliarden Euro) an 111 Unternehmen. Im ersten Halbjahr 2017 hatten sie noch 31,6 Milliarden Dollar für 126 europäische Firmen ausgegeben.

Auch die Zahl der Übernahmen in Deutschland war im ersten Halbjahr rückläufig: Insgesamt beteiligten sich chinesische Investoren hierzulande an 22 Unternehmen für 9,9 Milliarden Dollar - den Geely-Deal schon eingerechnet. Im Vorjahreszeitraum waren es 26 Unternehmen gewesen, die Summe betrug 6,7 Milliarden Dollar.

Deutschland war damit zusammen mit Großbritannien erneut wichtigstes chinesisches Investitionsziel in Europa. US-Firmen sowie Investoren aus Großbritannien und der Schweiz kauften aber deutlich mehr Unternehmen in Deutschland.

Unerreicht ist das erste Halbjahr 2016, als chinesische Investoren insgesamt 72,9 Milliarden Euro für 176 europäische Unternehmen ausgegeben hatten. Seitdem hat sich aber das Klima geändert: Politische Bedenken in Europa und Peking bremsen laut der China-Expertin Yi Sun von EY die Investoren aus. So verlangten die europäischen Verkäufer hohe Garantien, während in China strengere Auflagen für den Kapitalabfluss ins Ausland eingeführt wurden. Dadurch seien einige Übernahmen gescheitert.

Auch verschiebt sich laut EY-Analyse der Fokus der Chinesen. Die Übernahmen von klassischen Industrieunternehmen sind deutlich zurückgegangen. Dafür kauften die Investoren erstmals signifikant Konsumgüterhersteller. Auch im Energie- und Rohstoffsektor haben sie öfter zugeschlagen.

Für die zweite Jahreshälfte erwartet Yi Sun "anhaltend großes Interesse" chinesischer Investoren an europäischen Firmen. Allerdings müssten die Chinesen ihre Interessen deutlicher kommunizieren und Zugeständnisse bei Arbeitsplätzen und Firmensitz machen, sagte sie. Vor allem bei High-Tech-Unternehmen und Energieversorgern gebe es in Europa stärkere "politische Bedenken und die Sorge vor einem Ausverkauf von Know-how". Allerdings könnten die Spannungen mit den USA wieder "zu einer größeren Bereitschaft in Europa führen, chinesische Investoren ins Boot zu holen", sagte die Expertin. "Wenn in Europa ein attraktives Unternehmen als Übernahmeziel gilt, ist eigentlich immer auch ein chinesisches Unternehmen unter den Interessenten."

tko/ul (dpa,afp, rtr)

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