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PolitikChina

Chinas Spionage-Gesetz setzt Ausländer unter Druck

William Yang
8. Mai 2023

Nach der Reform des chinesischen Spionage-Gesetzes zeichnen sich wachsende Risiken für ausländische Unternehmen und in China tätige ausländische Staatsangehörige ab. Damit drohen auch negative Folgen für China selbst.

Kameraüberwachung auf Chinas Tiananmenplatz in Peking
Bild: Andy Wong/AP Photo/picture alliance

Wie attraktiv bleibt China für ausländische Geschäftsleute angesichts der umfassenden Änderungen am Spionagebekämpfungsgesetzes, die das chinesische Parlament vor wenigen Tagen erlassen hat? Die Risiken für ausländische Unternehmen und in China tätige ausländische Staatsangehörige könnten wachsen, fürchten Experten. Pekings Versuch, die Kontrolle durch die Änderungen zu verschärfen, könnte sich ihrer Ansicht nach negativ auf die ausländische Geschäftswelt auswirken.

Die in der vergangenen Woche beschlossenen Änderungen des Gesetzes weiten den Geltungsbereich des Gesetzes auf alle Felder aus, die von den Behörden als zur nationalen Sicherheit gehörig erachtet werden. Zugleich erweitert die Überarbeitung des Gesetzes die Befugnisse der Regierung, Personen in Gewahrsam zu nehmen und zu kontrollieren sowie Ein- und Ausreiseverbote zu verhängen.

Pekings Angst vor 'farbigen Revolutionen'

Aus Sicht Pekings bietet das Gesetz vor allem Vorteile: Die Änderungen, die am ersten Juli in Kraft treten, würden dazu beitragen, die Definition von Spionage sowie die Zuständigkeiten der zuständigen Regierungsbehörden zu klären, sagt Wang Aili, Direktor des Strafrechtsbüros des chinesischen Ausschusses für Gesetzgebung. Diese erste größere Änderung des Spionagebekämpfungsgesetzes seit seiner Einführung im Jahr 2014 legt nach offizieller Lesart einen besonderen Schwertpunkt auf die Cybersicherheit des Landes.

Das Regime misstraut der Bevölkerung. Szene von einer Bahnstation in Shanghai Bild: ALY SONG/REUTERS

Diese Sichtweise teilen unabhängige Experten nicht. Sie sehen in den Maßnahmen vor allem einen Ausdruck der tiefen Furcht Pekings vor so genannten "farbigen Revolutionen" - einem von weiten Teilen der Bevölkerung getragenen Aufstand gegen die Regierung. "Der wichtigste Zweck des Spionageabwehrgesetzes ist es, eine mögliche farbige Revolution in China zu verhindern", sagt der chinesische Rechtswissenschaftler Teng Biao.

Laut Teng dürfte die chinesische Zivilgesellschaft, seit dem Amtsantritt von Xi Jinping im Jahr 2012 ohnehin hartem Durchgriff ausgesetzt, weiter unterdrückt werden. "Es gibt nur sehr wenige oppositionelle Stimmen, die noch in der Lage sind, Grundrechte zu verteidigen. Und es gibt Anzeichen, dass diese schwachen, unabhängigen Stimmen weiter unterdrückt werden könnten", so Teng.

Erhöhte Sicherheitsrisiken für Ausländer 

Neben der Verschärfung des Vorgehens gegen die Zivilgesellschaft befürchten einige Analysten, das neu geänderte Anti-Spionage-Gesetz könnte die Sicherheitsrisiken auch für ausländische Staatsangehörige und ausländische Unternehmen in China erhöhen. In den letzten Jahren wurden mindestens mehr als ein Dutzend Ausländer, darunter 17 japanische Staatsbürger, in China unter Spionageverdacht festgenommen.

Zu den bekanntesten Fällen der in China der Spionage angeklagten Personen gehören die beiden Kanadier Michael Kovrig und Michael Spavor, der australische Journalist Cheng Lei, der australische Schriftsteller Yang Hengjun und ein Mitarbeiter des japanischen Pharmaunternehmens Astellas Pharma. Die japanische Regierung hat Peking aufgefordert, den Manager freizulassen. Als Japans Außenminister im vergangenen Monat nach Peking reiste, soll er auch dieses Thema angesprochen haben.

Als widersprüchlich gilt Beobachtern dabei der Wunsch der Regierung, nach der durch die Corona-Pandemie bedingten Rezession mehr ausländische Investitionen anzuziehen, aber gleichzeitig ausländischen Unternehmen erhöhte Risiken aufzuerlegen. "Beides zusammen ist nicht möglich und das wird ihr in Zukunft auch klar werden", sagt Dexter Roberts, Senior Fellow bei der Indo-Pacific Security Initiative des Atlantic Council. "Überseeische Unternehmen werden möglicherweise nicht mehr in bestimmte chinesische Unternehmen investieren wollen, wenn sie deren Grundlagen nicht überprüfen können."

Umworben: ausländische Investoren. Szene von der Auto-Messe in Shanghai, April 2023Bild: Aly Song/REUTERS

US-Unternehmen in Visier Pekings

In den letzten Monaten sind mehrere amerikanische Unternehmen ins Visier der chinesischen Behörden geraten. Die mit der Untersuchung von internationalen Geschäftsumfeldern befasste US-amerikanische Mintz Group war gezwungen, ihr Büro in Peking zu schließen, nachdem die Polizei fünf lokale Mitarbeiter festgenommen hatte. Und vor wenigen Tagen teilte die US-Beratungsfirma Bain & Company mit, die chinesische Polizei habe Mitarbeiter in ihrem Büro in Shanghai verhört.

Das Spionagebekämpfungsgesetz für ausländische Unternehmen könne sich langfristig sehr negativ auf die Geschäftsbeziehungen auswirken, befürchtet Roberts vom Atlantic Council im DW-Interview. "Immer weniger ausländische Führungskräfte wollen sich in China niederlassen, vor allem dann, wenn ihre Geschäfte potenziell sensibel sind."

Auch der US-Botschafter in China, Nicholas Burns, äußerte am Dienstag, 2. Mai, seine Besorgnis über das neu geänderte Spionagebekämpfungsgesetz. Dieses könnte womöglich Routineaufgaben wie die Sorgfaltsprüfung illegal werden lassen. "Wir hoffen, wir können hier ein Umfeld schaffen, in dem sich amerikanische Geschäftsleute, Journalisten und Akademiker sicher fühlen und die Aufgaben, deretwegen sie ins Land gekommen sind, erledigen können und keiner Einschüchterung ausgesetzt sind", sagte er auf einer Veranstaltung des Stimson Center, einer Denkfabrik mit Sitz in Washington D.C.

Aktiv in China: Fabrik des US-Unternehmens Tesla in Shanghai Bild: CFOTO/picture alliance

Steigende Zahl von Ein- und Ausreiseverboten

Tatsächlich ist einem jüngst erschienenen Bericht der Menschenrechtsgruppe Safeguard Defenders zufolge die Praxis der Verhängung willkürlicher Ausreiseverbote in China immer häufiger geworden. "China hat die rechtlichen Möglichkeiten für Ausreiseverbote erweitert und wendet diese zunehmend an, manchmal ohne rechtliche Begründung", heißt es in dem Papier. Demnach sind "Zehntausende" chinesischer Staatsangehöriger jederzeit von Ausreiseverboten betroffen.

Und auch Ausländer bleiben nicht verschont. Einer im Jahr 2022 veröffentlichten Studie der Wirtschaftswissenschaftler Chris Carr und Jack Wroldsen zufolge wurden zwischen 1995 und 2019 gegen mindestens 128 Bürger fremder Staaten in China Ausreiseverbote ausgesprochen, unter ihnen 29 Amerikaner und 44 Kanadier.

Adaptiert aus dem Englischen von Kersten Knipp.

Das Artikelbild wurde am 22. Juni 2023 ausgetauscht, um den Bezug zur Volksrepublik China deutlicher zu machen.

 

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