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China will sich weiter öffnen - wirklich?

Thomas Kohlmann
19. November 2020

Chinas Staatspräsident Xi Jinping hat ausländischen Wirtschaftspartnern erneut mehr Offenheit versprochen. Was von seinen Worten zu halten ist, erklärt Max Zenglein von der China-Denkfabrik Merics im DW-Interview.

75. Sitzung UN-Generalversammlung | Rede Xi
Bild: UNTV/AP/dpa/picture alliance

Chinas Präsident Xi Jinping hat den Asien-Pazifik-Raum als "Wegbereiter des globalen Wachstums" bezeichnet. In einer Rede beim Gipfel der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (Apec) am Donnerstag warnte Xi zudem vor Protektionismus. Er wolle die "riesengroße" chinesische Volkswirtschaft offen halten.

"Offenheit ermöglicht es einem Land, voranzukommen, während die Abschottung es aufhält", sagte Xi. China wolle "aktiv" mit "allen Ländern, Regionen und Unternehmen kooperieren, die dies wollen". 

Wegen der Corona-Pandemie findet das von Malaysia organisierte Apec-Forum in diesem Jahr virtuell statt. Der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft gehören 21 Staaten an, darunter sowohl China als auch die USA. (afp) 
 

DW: China treibt den Umbau seiner Wirtschaft weiter voran. Präsident Xi Jinping wirbt um das Engagement ausländischer Partner in seinem Land, verspricht mehr Transparenz und Offenheit, lockt damit, dass Chinas Warenimporte in den nächsten zehn Jahren auf mehr als 22 Billionen US-Dollar steigen. Was ist von seinen Worten zu halten?

Max Zenglein: Mehr Transparenz und Offenheit sind erstmal zu begrüßen, sind aber auch nicht mehr als ein Versprechen. 22 Billionen US-Dollar klingt nach einer beachtlichen Zahl und unterstreicht, wie wichtig China als Exportmarkt, auch für die EU, ist. Aber bei genauer Betrachtung bedeutet diese Ankündigung, dass Chinas Importe über die nächsten zehn Jahre nahezu kein Wachstum verzeichnen werden. Im vergangenen Jahr hat das Land Waren im Wert von 2,1 Billionen US-Dollar importiert.

Xi verspricht außerdem, dass alle in China registrierten Unternehmen künftig gleich behandelt werden. In China tätige deutsche und andere ausländische Unternehmen klagen aber immer wieder, dass von Gleichbehandlung mit chinesischen Wettbewerbern keine Rede sein kann. Und warum ist das lange erwartete Investitionsschutzabkommen mit der EU noch immer nicht unter Dach und Fach?

Gleichbehandlung kann auch problematisch sein

Gleichbehandlung und fairer Wettbewerb sind für ausländische Unternehmen extrem wichtig. Aber hier steckt der Teufel im Detail. Dass es beim Investitionsabkommen noch keine Einigung gab, liegt auch daran, dass die EU auf konkrete Schritte pocht, wie die Zusagen gewährleistet werden sollen. Gleichzeitig muss man auch berücksichtigen, dass die Kommunistische Partei Chinas ihren Einfluss auf private Unternehmen ausweitet. Auch dies wäre Teil einer Gleichbehandlung, die aus europäischer Sicht allerdings problematisch sein könnte.

Chinas Staatschef betont, wie wichtig China die internationale Zusammenarbeit ist, um den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zu begegnen. Wie passt das zusammen mit dem jetzigen Import-Stopp für australische Produkte (Meeresfrüchte, Wein, Gerste, Zucker, Kupfer, Kohle und Holz) in Höhe von rund 6 Milliarden US-Dollar? Zeigt sich nicht an diesem Beispiel, dass es eine Zusammenarbeit mit China nur bei Wohlverhalten und nach den Regeln Pekings geben wird!?

MERICS-Chefökonom Max Zenglein: "Transparenz und Offenheit sind nicht mehr als ein Versprechen"Bild: MERICS

Das Beispiel Australien zeigt sehr gut, dass China bei politischen Differenzen nicht davor zurückschreckt, Länder wirtschaftlich abzustrafen. China sieht sich zunehmend in einer Position der Stärke und scheut auch nicht davor zurück, diese einzusetzen. Dies zeigt, dass wirtschaftliche Beziehungen mit China auch einen politischen Preis haben.

Chinas Wirtschaft wird als einzige große Volkswirtschaft weltweit in diesem Corona-Jahr wachsen und lockt damit ausländische Partner. Aber wie nachhaltig ist dieses – von der Partei "befohlene" – Wachstum? Funktioniert diese wirtschaftliche Aktivität immer noch nach der Devise: 'Suche einen Fluss und baue eine Brücke darüber?'

Um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, gab es neue Investitionen, etwa beim Straßen- und Bahnnetzwerk, aber China nutzt die Pandemie gezielt, um die digitale Infrastruktur im Land auszubauen. Damit möchte man die Grundvoraussetzungen für Chinas zukünftige Wettbewerbsfähigkeit schaffen. Der Führung ist bewusst, dass das Wachstum in Zukunft von Innovation und Produktivitätswachstum geprägt werden. Die in der Vergangenheit bedeutsamen Wachstumsziele für die Wirtschaftsleistung verlieren damit an Bedeutung.

China strebt Kontrolle über Wertschöpfungs- und Lieferketten an

Nach Xi Jinpings Worten will China seinen Markt "zum Weltmarkt" machen, da es sich auf ein neues Wirtschaftsmodell zubewegen will. Damit spielt er offenbar auf die Strategie der "Dual Circulation" an. Wie viel Sinn macht dieser wirtschaftspolitische Kurs überhaupt?

Bei der Strategie gibt es noch viele offene Fragen. Als Reaktion auf ein sich verändertes internationales Umfeld macht die Anpassung durchaus Sinn. Aus meiner Sicht versucht China, sich die Globalisierung ins Land zu holen. Damit soll etwa Lieferkettensicherheit, vor allem im High Tech-Bereich, gewährleistet werden. Das Absorbieren von Wertschöpfungsketten ist dabei ein wichtiges Ziel.

Max Zenglein ist Chefökonom des Mercator Institute for China Studies (MERICS) in Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte sind Chinas makroökonomische Wirtschaftsentwicklung, Handelsbeziehungen und Industriepolitik

Das Interview führte Thomas Kohlmann. Es wurde am 6.11.2020 veröffentlicht und am 19.11. aktualisiert. 

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