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PolitikAsien

China: Xi Jinping vor dem Gipfel der Macht

William Yang
15. Oktober 2022

Beim alle fünf Jahre stattfindenden Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas wird Präsident Xi Jinping seine Macht und seine Gefolgschaft zementieren. Widerstand dürfte es kaum geben.

China Peking Kongress Präsident Xi Jinping
Einer unter vielen? Präsident Xi Jinping (Mitte) beim Nationalen Volkskongress 2021Bild: Roman Pilipey/AP/picture alliance

Am Sonntag beginnt der 20. Kongress der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh), bei dem aller Voraussicht nach Präsident Xi Jinping für eine dritte Amtszeit bestätigt werden wird. Das wäre ein beispielloser Vorgang, der Xis Position als mächtigster chinesischer Staatschef seit Mao Zedong festigen würde.

Innerhalb der Partei scheint man mit Xis Politik ziemlich zufrieden zu sein. Daran ändern auch die schwächelnde Wirtschaft und die wachsenden geopolitischen Spannungen mit dem Westen nichts. Bei einem letzten Treffen der führenden Parteimitglieder vor dem Kongress - dem sogenannten siebten Plenum - pries das Zentralkomitee die "ungewöhnlichen und außerordentlichen" Leistungen der vergangenen fünf Jahre. Das zeigte einmal mehr, wie groß Xis Einfluss auf die Partei ist. Das Plenum billigte auch den politischen Bericht, den Xi zu Beginn des Parteitags vorlegen wird, der die politischen Prioritäten der Partei in sämtlichen Schlüsselbereichen für die nächsten fünf Jahre ausführt.

Politische Proteste sind selten, aber vor wenigen Tagen gab es doch eine öffentliche Unmutsäußerung. Auf der Sitong-Brücke im Pekinger Stadtviertel Haidian wurde ein Banner entrollt, das mit Blick auf die strenge Null-COVID-Politik des Landes forderte: "Wir brauchen Essen, keine COVID-Tests. Wir wollen Freiheit, keine Lockdowns." In roten Schriftzeichen stand auf dem weißen Banner weiter zu lesen: "Wir wollen Würde, keine Lügen. Wir brauchen Reformen, keine Kulturrevolution. Wir wollen eine Stimme, keinen Führer. Seid keine Sklaven, seid Bürger."

Teng Biao, in den USA lebender chinesischer Rechtswissenschaftler, bezeichnete die Aktion als "einen sehr mutigen Schritt" und sagte weiter: "Es war besonders schockierend, am Vorabend des 20. Parteikongresses Parolen gegen die Diktatur von Xi Jinping zu sehen. Auch wenn dies die politische Situation in China nicht ändern wird, ist es doch ein Schritt mit großer Symbolkraft."

Die Macht konzentriert sich um Xi Jinping

Wu-Ueh Chang, Professor am Graduate Institute of China Studies der Tamkang-Universität in Taiwan, ist überzeugt, dass Xi sich eine weitere Amtszeit sichern wird: "Xi wird definitiv ein drittes Mal Präsident werden, denn er hat 2018 die Beschränkung der Amtszeit aufgehoben und keinen Nachfolger bestimmt, der die Kriterien für den nächsten Generalsekretär der KPCh erfüllt."

Es gibt jedoch auch Bedenken, dass Xis Bestrebungen, seine Amtszeit zu verlängern oder auf unbestimmte Zeit an der Macht zu bleiben, die Partei destabilisieren könnten. Etablierte Verfahren der Machtübergabe könnten gefährdet und das Risiko innerparteilicher Machtkämpfe verstärkt werden.

Zensur: Nach dem Protest an der Sitong-Brücke ließ das Regime alle Hinweise aus den sozialen Netzwerken entfernenBild: Dake Kang/AP/picture alliance

"Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass die KPCh das Risiko eines Machtkampfs verringern kann, wenn die Nachfolge geordnet ist, sich jeder Staatschef auf zwei Amtszeiten beschränkt und bereits im Vorfeld ein Nachfolger benannt wird", erläutert Andrew Nathan, Professor für Politikwissenschaften an der Columbia University in New York. "Dass Xi jetzt in Kürze seine dritte Amtszeit antreten wird, destabilisiert das System der Nachfolge. Wenn während seiner Amtszeit etwas geschehen sollte, besteht das Risiko einer ungeregelten Nachfolge und das würde zu einem Machtkampf führen."

Xi bricht nicht nur mit langjährigen Traditionen, er hat im vergangenen Jahrzehnt auch die Macht um seine Person herum zentralisiert. Patricia Thornton lehrt chinesische Politik an der Universität Oxford. Als Xi 2012 Staatspräsident wurde, sagt sie, war man sich innerhalb der KPCh einig, dass die Partei durchsetzungsfähiger werden müsse, um den Kurs der "wenig disziplinierten und von Korruption geplagten Partei" zu korrigieren. "Er hat von Anfang an einen Weg eingeschlagen, der die Zustimmung der Parteispitze findet", sagt sie. "Aber Xi hat es geschafft, die Krise zu nutzen, um eine eigene Agenda voranzutreiben, mit der er ziemlich viel Macht in seinen Händen zusammenführen konnte."

Von der kollektiven Diktatur zur individuellen Diktatur

Thornton verweist auf die Anti-Korruptionskampagne, die Xi nach seiner Machtübernahme 2012 startete. Dem harten Durchgreifen über Jahre hinweg fielen nicht nur mehr als 4,7 Millionen Parteifunktionäre zum Opfer. Der chinesische Staatschef konnte dabei auch die Parteiführung umgestalten und seine Getreuen in Schlüsselpositionen bringen.

"Viele Leute haben sich die Anti-Korruptionskampagne genauer angesehen und sind zu dem Schluss gekommen, dass die Hälfte seiner Ziele politisch motiviert zu sein scheint", sagt Thornton. Außerdem setzte Xi eine Reihe ideologischer, institutioneller und organisatorischer Veränderungen um, die alle dazu führten, dass sich die Macht noch mehr um ihn konzentrierte.

"Eine wirkliche Gefahr, die langsam deutlich wird, ist diese übermäßige Zentralisierung der Macht. Dass sich so viel Macht und Kontrolle an der Spitze der Kommunistischen Partei konzentriert, hat innerhalb der Partei eine lähmende Wirkung", betont Thornton. Der chinesische Rechtswissenschaftler Teng stimmt ihr zu: "Xi hat die Partei von einer kollektiven Diktatur in eine personalisierte Diktatur verwandelt." 

Eine neue Parteispitze nach altem Muster

An der Spitze der Partei wird es eine erhebliche Umstrukturierung geben. Mehrere Mitglieder des siebenköpfigen Ständigen Ausschusses des Politbüros, dem mächtigsten Organ der KPCh, werden voraussichtlich zurücktreten.

Im März 2023 geht Ministerpräsident Li Keqiang in den Ruhestand. Die Entscheidung darüber, wer den zweithöchsten Beamten ablösen wird, wird mit großem Interesse verfolgt. Im Gespräch sind als mögliche Nachfolger der aktuelle Vizepremier Hu Chunhua sowie Wang Yang, Vorsitzender der Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes und derzeit vierthöchster Funktionär der Partei.

Die endgültige Entscheidung wird Xi diktieren, glaubt Wang Hsin-Hsien, Experte für chinesische Politik an der National Chengchi University in Taiwan. Ausschlaggebend werden vermutlich Xis Präferenzen und die politische Loyalität der betreffenden Person sein. "Unter diesen Gesichtspunkten ist Wang Yang möglicherweise ein besserer Kandidat als Hu Chunhua, denn er hat in den vergangenen fünf Jahren gut mit Xi zusammengearbeitet und sich erfolgreich um Themen gekümmert wie Taiwan, die Uiguren-Provinz Xinjiang, Tibet und die Abteilung für die Arbeit der Einheitsfront", sagt Wang. Letztere ist in chinesischen Gemeinden im Ausland aktiv, um die politische Agenda Chinas zu fördern.

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Andrew Nathan von der Columbia University vermutet, dass Xi sich mit weiteren loyalen Politikern umgeben wird, denen eine unabhängige Machtbasis fehlt, die es ihnen ermöglichen könnte, ihn herauszufordern.

Keine politische Kursänderung in Sicht

Obgleich seine politische Machtbasis nicht gefährdet scheint, steht Xi Jinping wegen anderer Punkte unter Druck, darunter das sich massiv verlangsamende Wirtschaftswachstum, das harte Durchgreifen der Regierung gegen Technologiekonzerne und die ökonomischen Folgen der strikten Null-COVID-Strategie.

China werde sein Ziel - 5,5 Prozent Wirtschaftswachstum im Jahr 2022 - nicht erreichen, prophezeite Alicia Garcia-Herrero, Chefökonomin für den asiatisch-pazifischen Raum bei der Investmentbank Natixis, in einem Bericht der Jamestown Foundation im vergangenen Monat. Angesichts von Pekings Signalen, an der umstrittenen Null-COVID-Strategie festzuhalten, würden die Wachstumsaussichten für 2023 vermutlich enttäuschend ausfallen. "Wegen des schrecklichen Jahres 2022 muss China eigentlich nicht viel tun, um 2023 wieder schneller zu wachsen", so Alicia Garcia-Herrero gegenüber der DW, "aber die jetzigen Probleme bleiben und werden sich wohl noch verstärken und entsprechende ökonomische Kosten verursachen."

Dennoch erwartet Andrew Nathan in Xis dritter Amtszeit weder in der Innen- noch in der Außenpolitik großen Veränderungen. "Er wird wohl die Mission 'Chinas Traum' weiterführen", so der Politikwissenschaftler. "Manche Menschen glauben, dass er in den nächsten fünf Jahren Taiwan angreifen wird. Ich glaube das nicht. Und wird er die COVID-Politik ändern? Das glaube ich auch nicht."

Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.

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