1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

China: Zhang Zhans Brief aus dem Gefängnis

William Yang
8. Januar 2023

Die Familien politischer Häftlinge in China erfahren nur wenig darüber, wie es ihren inhaftierten Verwandten geht. Auch die Familie der Bürgerreporterin Zhang Zhan muss sich mit spärlichen Kontakten zufriedengeben.

Proteste in Hongkong
Aktivisten in Hongkong fordern die Freilassung von Bürgerreporterin Zhang ZhanBild: Kin Cheung/AP/dpa/picture alliance

Es ist ein seltenes Ereignis: In einem Brief an ihre Familie gibt die chinesische Bürgerreporterin Zhang Zhan einige wenige Einblicke in ihr Leben im Gefängnis. Sie verbüßt seit mehr als zwei Jahren eine vierjährige Strafe, weil sie "Streit geschürt und Ärger provoziert" habe. Diese Anschuldigung wird in China häufig gegen Journalisten und Aktivisten erhoben. Zhang hatte 2020 über den Lockdown in der zentralchinesischen Stadt Wuhan berichtet.

Gefährliches Virus, gefährliche Berichterstattung

In ihren vielfach geteilten Video-Livestreams und Essays beschrieb Zhang die Zustände in überfüllten Krematorien und Krankenhäusern, während die chinesischen Behörden versuchten, die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Die Aktivistin kritisierte die Maßnahmen der Regierung und bezeichnete die Behörden als fahrlässig.

Chinas Geheimgefängnisse

03:20

This browser does not support the video element.

Laut Amnesty International berichtete die ehemalige Rechtsanwältin aus Shanghai darüber, "wie Regierungsbeamte unabhängige Reporter festnahmen und die Familien von COVID-19-Patienten schikanierten". Die Menschenrechtsorganisation fordert Zhang Zhans umgehende Freilassung.

Knappe Gespräche am Telefon

Zhangs Mutter habe ihre Tochter nicht mehr per Videoanruf sehen können, seitdem sie im September wegen einer Krebserkrankung operiert wurde, sagt der chinesische Menschenrechtsanwalt Li Dawei. Kontakt zu Zhang könne sie nur über Telefonanrufe und Briefe halten. "Sie darf Zhang nur einmal im Monat für fünf bis zehn Minuten anrufen", erzählt Li der DW. "Während des Telefonats spricht vor allem Zhang. Sie fragt, wie es ihrer Mutter geht, aber sie erzählt nicht viel über ihre Haftbedingungen. Während der Telefonate klingt Zhang nach Einschätzung der Mutter optimistischer als zuvor, ihr Zustand könnte sich also verbessert haben."

In einem Brief, den ihr Bruder im vergangenen Monat auf Twitter teilte, fragt Zhang, wie es der Familie gehe, und erzählt, die Polizei habe ihr geraten "stärker zu sein" und "sich nicht zu viele Sorgen zu machen", da sich dies weder auf ihren Fall noch auf ihre Haftbedingungen positiv auswirken würde. Zhang betont, wie sehr sie ihre Mutter vermisse, äußert aber auch die Hoffnung, dass diese etwas loslassen könne, da sie dazu neige, "verletzlich, leicht entmutigt und pessimistisch" zu sein.

Li berichtet, dass Zhang die Briefe in den vergangenen Monaten mit Zeichnungen versehe - das zeigen auch die von Zhangs Bruder geteilten Bilder. "Ihre Mutter glaubt, dass diese Zeichnungen auf den Umschlägen und Briefen ein Zeichen dafür sind, dass sich Zhangs psychische Verfassung verändert hat", erzählt Li. "In einem der Briefe zeichnete sie viele Pinguine, die für die vielen Male stehen, die sie an ihre Mutter denkt."

Wegen ihrer kritischen Berichterstattung wurde Zhang Zhan zu vier Jahren Gefängnis verurteiltBild: YOUTUBE/AFP

Sorge um Zhangs Gesundheit

Selbst wenn es Zhang seelisch einigermaßen gut gehen könnte, so machen sich Aktivisten, die ihren Fall genau verfolgen, doch Sorgen über ihr körperliches Wohlbefinden. Laut Rechtsanwalt Li wog die Bürgerreporterin bei ihrem jüngsten Videogespräch mit ihrer Mutter nur etwa 41 Kilo - viel zu wenig für eine Person mit einer Körpergröße von 1,77 Metern.

"Ihr Gewicht ist der wichtigste Hinweis darauf, dass Zhang Zhan weiterhin in Gefahr sein könnte", sagt Jane Wang, eine Aktivistin, die sich seit der Verhaftung Zhangs für ihre Freilassung einsetzt. "Möglicherweise befindet sie sich noch immer in einer Form von Hungerstreik oder ihr Körper hat so schweren Schaden genommen, dass es ihr schwerfällt, zu essen oder das zu sich Genommene zu verdauen."

Zhang Zhan reiste von Shanghai nach Wuhan, um über den Lockdown zu berichtenBild: Jane Wang

Im August 2021 berichteten mehrere Quellen der DW, dass Zhangs Gewicht auf unter 40 Kilogramm gefallen war, nachdem sie im Gefängnis mehrmals über Monate in Hungerstreik getreten war. Ihr Bruder äußerte im November 2021 auf Twitter Befürchtungen, dass Zhang kurz davor sei, im Gefängnis zu sterben.

Trotz der Sorge um Zhangs Gesundheitszustand bietet ihr Brief doch auch ein wenig Hoffnung, dass sie entschlossen ist, ihren Gefängnisaufenthalt zu überleben. Sie schreibt: "Und wäre ich ein geknicktes Rohr, ich werde nicht brechen. Wäre ich ein glimmender Docht, ich werde nicht verlöschen."

Zaghafte Zeichen der Hoffnung

"Der Herbst kommt und auch der Winter, aber bitte seid nicht traurig, denn der Frühling ist schon bei Schnee und Regen eingezogen. Die Samen sind bereit, aus dem Boden zu sprießen, damit sie sich entfalten können, wenn der Tag kommt", fährt Zhang in ihrem Brief fort. Obgleich der Brief mehrere traurige Passagen enthält, zeigen ihre Worte doch, dass sie spirituell stark sei, meint die Aktivistin Jane Wang: "Ihre Familie und ihre Freunde konnten ihre Entschlossenheit spüren. Es ist traurig, zu lesen, wie sie versucht, ihre Mutter zu trösten, aber es wird auch deutlich, dass sie ihrer Familie positive Energie senden und ihr trotz ihrer Abwesenheit beistehen will."

Die Familie von Zhang hatte versucht, eine Freilassung aus medizinischen Gründen zu erwirken, doch dieses Thema spricht ihre Mutter nicht länger an, erzählt Anwalt Li. "Ihr bleiben noch ein Jahr und fünf Monate in Haft und ich hoffe, dass sie diese Zeit unbeschadet übersteht. Wenn sie wohlbehalten zurückkehrt, ist das ein Sieg." 

Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema

Weitere Beiträge anzeigen