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PolitikChina

Chinas Charmeoffensive in Deutschland: Partner oder Rivalen?

William Yang
23. Juni 2023

Mit seinem Deutschlandbesuch ist es dem chinesischen Premier Li Qiang zwar gelungen, die Beziehungen beider Länder diplomatisch in helleres Licht zu rücken. Doch grundsätzliche Differenzen dürften bestehen bleiben.

Chinas Premierminister Li Qiang beim Besuch der Siemens-Zentrale in München
Chinas Premierminister Li Qiang beim Besuch der Siemens-Zentrale in MünchenBild: Ding Haitao/Xinhua News Agency/picture alliance

Eine bessere Zusammenarbeit zwischen Deutschland und seinem eigenen Land: Das war das zentrale Anliegen des chinesischen Ministerpräsidenten Li Qiang während seines Deutschland-Besuchs Anfang der Woche. So nutzte er seine Reise, um bei führenden Vertretern aus Wirtschaft und Politik für eine bessere bilaterale Kooperation zu werben - wohl wissend, dass Deutschland die Beziehungen zu seinem größten Handelspartner angesichts der geopolitischen Spannungen derzeit neu bewertet.

Sein Anliegen vertrat Li Qiang gegenüber seinen politischen Gesprächspartnern aber offenbar mit Erfolg: Nach der Unterredung mit Li bekräftigte der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz am Dienstag, Deutschland wolle die wirtschaftlichen Beziehungen zu China zwar neu ordnen, nicht aber abbrechen.

Im Gespräch mit den Vorstandsvorsitzenden großer deutscher Industrieunternehmen hatte Li der staatlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua zufolge erklärt, das größte Risiko bestehe in mangelnder Zusammenarbeit, die größte Unsicherheit in der mangelnden Entwicklung der Beziehungen.

Gruppenbild mit Kabinettsmitgliedern: Premier Li Qiang (Mitte links) und Bundeskanzler Olaf Scholz (Mitte rechts) in BerlinBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Chinas Charmeoffensive in Europa - Misstrauen bleibt

Lis Europareise ist Ausdruck der Bemühungen Pekings, die Spannungen zwischen China und den europäischen Ländern zu deeskalieren. In den vergangenen drei Jahren hatten sich die chinesisch-europäischen Beziehungen verschlechtert. Konfliktpunkte waren Chinas enge Partnerschaft mit Russland, die wachsenden geopolitischen Spannungen in der Straße von Taiwan, das anhaltend harte Vorgehen Pekings gegen die uigurische Minderheit in der westchinesischen Provinz Xinjiang sowie die weiter zunehmende Kontrolle über Hongkong und der Druck auf die chinesische Zivilgesellschaft.

Zudem hatten die militärischen Drohgebärden der chinesischen Regierung in der indo-pazifischen Region und ihr wachsender internationaler Ehrgeiz Politiker in ganz Europa dazu veranlasst, eine Überprüfung der Beziehungen zu China anzumahnen.

So veröffentlichte Deutschland vor Lis Besuch eine umfassende nationale Sicherheitsstrategie, die Peking als "Partner, Konkurrenten und systemischen Rivalen" beschreibt. Ein Bericht des Bundesnachrichtendienstes sieht China zudem als "größte Bedrohung" im Feld der wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Spionage sowie bei ausländischen Direktinvestitionen in Deutschland.

Weiterreise nach Frankreich - aber kein Land "wichtiger als Deutschland" 

Nach seinem Deutschlandbesuch reiste Li am Donnerstag nach Frankreich, um an einem Gipfeltreffen für einen "neuen globalen Finanzierungspakt" teilzunehmen. Dieser geht wesentlich auf eine Initiative des französische Präsidenten Emmanuel Macron zurück.

"Peking will sicherstellen, dass es Europa nicht verliert und sich die Beziehungen wieder reparieren lassen", sagt Zsuzsa Anna Ferenczy, Assistenzprofessorin an der Nationalen Dong Hwa Universität in Taiwan und ehemalige politische Beraterin im Europäischen Parlament.

Deutschland, das in hohem Maße wirtschaftlich von China abhängig ist, scheint dabei eines der wichtigsten Ziele von Pekings diplomatischer Annäherung an Europa zu sein. "Es gibt kein anderes Land, das für China wichtiger und geeigneter ist als Deutschland. Denn Peking weiß, dass China für Deutschland ein wichtiger Markt bleibt", so Ferenczy.

Wirbt um Zusammenarbeit: Li Qiang beim Deutsch-Chinesischen Wirtschafts- und Technologieforum, 20.6.2023 in Berlin Bild: Ding Haitao/Xinhua News Agency/picture alliance

"Hand in Hand"

Die Stärkung der Zusammenarbeit zwischen China und Deutschland könne "gegenseitigen Nutzen und Win-Win-Ergebnisse" erbringen und sei "das Richtige", erklärte Li auf dem 11. Deutsch-Chinesischen Wirtschafts- und Technologieforum am Dienstag in Berlin.

"Wenn wir die Zusammenarbeit in Wissenschaft, Industrie und Wirtschaft stärken, werden wir zur Stabilität der Weltwirtschaft beitragen", so der Premier. Berlin und Peking sollten nach Gemeinsamkeiten suchen und "Hand in Hand arbeiten, um sich gegenseitig zum Erfolg zu verhelfen", so Li weiter.

Angaben des chinesischen Außenministeriums zufolge unterzeichneten Li und Bundeskanzler Scholz eine Reihe von Kooperationsvereinbarungen, unter anderem in den Bereichen Klimawandel, grüne Technologien, Wirtschaft und Handel sowie Automobilbau.

Chinas Puffer zu den USA

Derweil ist der deutsch-chinesische Handel weiterhin stabil. Nach Angaben der Bundesregierung betrug dessen Volumen im Jahr 2022 fast 300 Milliarden Euro. China war im siebten Jahr in Folge Deutschlands wichtigster Handelspartner.

Auch das deutsche Engagement in China ist hoch. Über 5000 deutsche Unternehmen beschäftigen dort 1,1 Millionen Mitarbeitende. Große deutsche Automobilunternehmen wie Volkswagen und BMW sind nach wie vor stark von Chinas billigen Arbeitskräften und dem wachsenden Automarkt abhängig.

Die engen Beziehungen des Autobauers zu China seien eine "Win-Win-Situation", sagte BMW-Chef Oliver Zipse mit Blick auf die Umstellung der Autoindustrie auf die Herstellung umweltfreundlicher Fahrzeuge.

Lis Reise nach Deutschland sei auch eine Form der "Wirtschaftsdiplomatie", sagt der chinesische Politik-Kommentator Wu Qiang im DW-Gespräch. Diese ziele darauf ab, einen Puffer für den sich verschärfenden Wettbewerb zwischen China und den USA zu schaffen.

Deutschland: Abhängigkeit von China überwinden

"Lis Besuch in Deutschland konzentrierte sich vor allem auf wirtschaftliche Fragen. Darum bestanden seine diplomatischen Aktivitäten vor allem aus Treffen mit großen deutschen Unternehmen und deren Vorstandsvorsitzenden ", so Wu.

Gleichzeitig versucht Deutschland die wirtschaftliche Abhängigkeit von China zu verringern. So versuchten die Unternehmen, ihre Verkäufe und Beschaffungen auf dem chinesischen Markt zu diversifizieren, sagt Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie.

In den staatlichen Medien Chinas wurde Lis Deutschlandreise als großer diplomatischer Erfolg gefeiert. Diese Einschätzung teilt Wu nicht uneingeschränkt. Die langfristige Wirkung von Lis Europareise und Pekings allgemeiner diplomatischer Charmeoffensive gegenüber Europa werde von begrenzter diplomatischer Wirkung sein. "Lis wirtschaftlicher Einsatz mag für bestimmte Unternehmen in Deutschland effektiv sein", räumt er ein. "Allerdings vermag er die Haltung der deutschen Regierung oder der Europäischen Union gegenüber China nicht zu ändern."

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.

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