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Gekaufte Bräute aus Vietnam

Anemi Wick (aus Vietnam)5. Februar 2016

Chinas Ein-Kind-Politik hat einen gewaltigen Männer-Überschuss produziert. Menschenhändler suchen gezielt Frauen in Vietnam. Meist sind die Entführer Vertrauenspersonen. Aufklärung und Schutz der Frauen sind schwierig.

Vietnam Hmong Frauen
Bild: picture alliance/S. Reboredo

Sapa ist ein Städtchen im nördlichen Hochland Vietnams nahe der chinesischen Grenze. Die idyllische Berglandschaft und die grünen Reisterrassen haben den Ort zu einem international bekannten Tourismus-Hotspot gemacht. Besonders beliebt: Die Minderheiten-Bergvölker, die in den Dörfern der Umgebung leben. Die Frauen aus dem Volk der Hmong mit ihrem freundlichen Lächeln und den bunten traditionellen Trachten, fehlen auf keinem Foto.

Doch hinter dieser malerischen Bergkulisse klafft ein Abgrund. Hier verschwinden junge Frauen. Immer wieder. In jedem Bergdorf rund um Sapa erzählen die Mütter, Cousinen, Schwestern und Nachbarn die gleiche Geschichte: Die Mädchen sind weg. In China.

Chinas Politik und die Folgen für die Nachbarn

In China herrscht ein eklatanter Frauenmangel. Die 1979 eingeführte Ein-Kind-Politik, wonach ein Paar nur ein Kind haben darf, und der Wunsch der Paare, einen Sohn als Stammhalter zu haben, haben zu Abtreibungen weiblicher Föten in großem Ausmaß geführt. Experten schätzen, dass China im Jahr 2020 mit einem Überschuss von 30 bis 40 Millionen Männern im heiratsfähigen Alter rechnen muss.

Zwar wurde die Ein-Kind-Politik Ende Oktober 2015 offiziell beendet, Paare dürfen nun zwei Kinder haben, aber das Problem bleibt noch über Jahre bestehen: Etliche chinesische Männer finden keine Frau. Insbesondere solche, die wenig Geld haben, haben auf dem Heiratsmarkt schlechte Chancen. Als Folge blühen der Menschenhandel und das Geschäft mit der Zwangsheirat. Aus Vietnam, aber auch aus anderen Nachbarländern.

Ein Opfer des Menschenhandels wartet an der chinesisch-vietnamesischen Grenze darauf zurückkehren, zu dürfenBild: Blue Dragon Children's Foundation

Nach Jahren ein Lebenszeichen

Verlässliche Zahlen gibt es aus Vietnam nicht. "Wir wissen, dass Frauen aus allen Regionen Vietnams entführt werden, und gehen davon aus, dass immer noch eine erhebliche Zahl der Fälle nicht gemeldet wird", sagt Michael Brosowski, Gründer der Blue Dragon Children's Foundation in Hanoi. Die Organisation hat bisher mehr als 260 entführten jungen Frauen zur oft gefährlichen und schwierigen Flucht oder Heimkehr verholfen. Dabei handelt es sich um Frauen, denen es nicht selten erst nach Jahren gelungen ist, aus China ein Lebenszeichen per Internet oder Mobiltelefon an die Familien in Vietnam zu senden.

Nach ihrer Rückkehr erzählen viele Frauen zunächst die gleiche Geschichte: Sie seien betäubt worden und in China wieder aufgewacht. Doch die Wahrheit sei eine andere, sagt Brosowski. In der Regel sind die Entführer keine Fremden, sondern Leute aus dem eigenen Volk. "Wir wissen, dass die meisten Entführer vorsichtig und über längere Zeit ein Vertrauensverhältnis mit den Opfern aufbauen." Weil sich die Opfer oft selbst die Schuld geben, wollen sie das aber nicht zugeben. Gerade dies mache die Prävention so schwierig.

Eine Frau unterschreibt ein Polizeiprotokoll. Aber nur wenige Fälle werden überhaupt zur Anzeige gebracht.Bild: Blue Dragon Children's Foundation

Liebe als Lockmittel

Es gibt zwei typische Szenarien: Entweder versprechen die Entführer den Frauen einen Job in China. Ein attraktives Angebot für die Frauen, die täglich um ihre Existenz kämpfen. Oder die Männer geben sich als heiratswillige, charmante Verehrer aus. Brosowski weiß von einem Fall, bei dem ein junger Mann über zwölf Monate mit einem Mädchen in Vietnam eine Beziehung einging und die ganze Familie kennen lernte, bevor er das Mädchen über die Grenze nach China verschleppte. Dort werden die entführten Frauen zu kriminellen "Heiratsvermittlern" gebracht.

In Sapa beschreibt Chan, eine 22-jährige Trekkingbegleiterin aus dem Hmong-Volk, die Allgegenwart der Gefahr: "Wir wissen kaum noch, wem wir vertrauen können. Selbst vor meiner Heirat hatten die Leute zu mir gesagt, pass auf, dass dein Verlobter dich nicht nach China verkauft."

Die jungen Frauen in den Dörfern rund um Sapa seien leichte Opfer, wüssten nicht viel von der Welt und seien noch nie in einer Stadt gewesen, sagt Chan. "Sie fassen allzu schnell Vertrauen, wenn jemand nett ist. Besonders solche, die in ihrem Leben wenig Perspektiven sehen - entweder weil sie keine Hoffnung auf ein ausreichendes Einkommen haben, oder weil sie denken, niemand wolle sie heiraten."

Endlich wieder vereint. Doch nicht alle Familien nehmen ihre verlorenen Töchter so herzlich auf.Bild: Blue Dragon Children's Foundation

Gefährliche Tradition

Zwar treffe es auch manchmal wohlhabendere Frauen mit guter Ausbildung, sagt Brosowski, aber Armut und abgelegene Gebiete seien deutliche Faktoren der Gefährdung. Hinzu komme, dass es in abgelegenen Gebieten für die Familien der Entführten schwieriger sei, Hilfe zu erhalten oder eine Anzeige bei der Polizei zu erstatten. Das wüssten auch die Entführer.

Auch ein altes, zum Teil noch immer praktiziertes Ritual von ethnischen Minderheiten, bei dem junge Männer ihre Angebetete "entführen" und drei Tage bei sich zu Hause behalten, bevor sie bei deren Eltern um ihre Hand anhalten, führt manchmal dazu, dass die Familien erst viel zu spät reagieren, wenn die Tochter nicht nach Hause kommt. Dass Eltern selber zu Tätern werden und ihre eigenen Töchter verkauften, sei Brosowski aus Vietnam bisher nicht bekannt.

Schwierige Rückkehr

Für die, denen die Flucht gelang, ist das Trauma mit der Rückkehr nach Hause noch lange nicht beendet. In manchen Fällen werden sie von ihren Familien liebevoll wieder aufgenommen. Doch auch in diesen Fällen leistet Blue Dragon oft eine lange Nachbetreuung und Therapie. Nicht nur für die Frauen, sondern auch für die Eltern der Rückkehrer. Viele der Entführten seien in China eine lange Zeit dem Nichtstun überlassen gewesen und hätten das Haus nie verlassen dürfen, sagt Dinh Thi Minh Chau, Psychologin bei Blue Dragon. "Sie wissen nicht, was sie mit ihrer Freiheit anfangen sollen. Wir erklären auch den Eltern, warum die Rückkehrer unter Schlafstörungen leiden, und wie sie mit der Situation besser umgehen können."

Doch nicht immer funktioniert die Reintegration in die Familie, gerade in kleinen Dörfern. Die Frauen würden stigmatisiert, es gebe Gerede und kaum Rückzugsmöglichkeiten, sagt Chau. Einige der Frauen kommen deshalb nach Hanoi, wo sie in Wohngemeinschaften leben. Dort leben Frauen, die ein ähnliches Schicksal erlebt haben. Sie erhalten auch Unterstützung bei der Suche nach einer Berufsausbildung oder Schule, um sich trotz allem eine eigene Zukunft aufzubauen.

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