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Chinas Hunger nach deutscher Technologie

4. März 2018

Während Berlin und Brüssel darüber diskutieren, Übernahmen in Schlüsselbranchen stärker zu regulieren, setzen Chinas Investoren im Gleichschritt mit der Staats- und Parteiführung den Masterplan "China 2025" um.

Hong Kong - Mercedes Me Store Eröffnung
Bild: Daimler AG

Brigitte Zypries hat es nicht leicht: Als Wirtschaftsministerin auf Abruf soll sie die Weichen stellen, um den weiteren Ausverkauf deutscher Technologieperlen an chinesische Investoren einzudämmen. Mittlerweile scheint auch beim letzten deutschen Politiker der Groschen gefallen zu sein, dass die Zeit drängt. Spätestens seit dem Daimler-Coup des Li Shufu. Praktisch über Nacht war der Chef des Autobauers Geely aus dem Schatten getreten und hatte die Welt mit der Mitteilung überrascht, er sei jetzt mit knapp zehn Prozent des Aktienkapitals größter Einzelaktionär des Daimler-Konzerns.

Noch vor kurzem war der chinesische Selfmade-Milliardär bei den Stuttgartern mit seinem Vorhaben abgeblitzt, beim deutschen Dax-Schwergewicht einzusteigen. Mit dem Plan B des mutmaßlichen Schwagers von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping hatte aber offenbar niemand gerechnet. US-Investment-Banken wie Morgen Stanley fanden eine smarte Lösung, die noch nicht einmal gegen deutsches Recht verstößt. Mit einem Strategie-Mix aus dem Kauf von Aktien sowie Kauf- und Verkaufsoptionen auf die Daimler-Aktie gelang es Li Shufu, sämtliche Meldeschwellen zu umgehen, die das deutsche Wertpapiergesetz bei maßgeblichen Beteiligungen schon unter zehn Prozent vorsieht. Mittlerweile hat Li Shufu sein Aschenputtel-Image abgestreift und wurde nacheinander von Daimler-Chef Dieter Zetsche und im Kanzleramt empfangen.

Trotz aller Beteuerungen Li Shufus, er strebe keinen Sitz im Daimler-Aufsichtsrat an, wird jetzt heftig darüber spekuliert wie es weitergeht. Will der Geely-Chef seinen Anteil weiter aufstocken, vielleicht bis er über eine Sperrminorität von 25,1 Prozent verfügt? Könnte er überhaupt in den Aufsichtsrat, wenn er das wollte? Als Chef von Geely, auf dem chinesischen Markt ein Daimler-Konkurrent, wäre das nach den Regeln des Daimler-Aufsichtsrats bislang nicht möglich.

Weckruf für die deutsche Politik: die Kuka-Übernahme durch den Haushaltsgeräte-Hersteller Midea 2016Bild: picture-alliance/dpa/Zhang Jinqiao

Politik denkt über höhere Hürden nach

Selbst das politische Berlin wurde aus seiner fünfmonatigen Lethargie durch die Suche nach einer neuen Bundesregierung aufgeschreckt. In diesen Tagen wurde im Wirtschafts- und im Finanzausschuss des Bundestages heftig darüber diskutiert, ob die geltenden Auflagen noch ausreichen. Es müsse gesetzlich nachgesteuert werden, damit das "Anschleichen" eines Investors an ein Unternehmen nicht mehr möglich sei, forderte die Wirtschaftspolitikerin der Grünen, Kerstin Andreae.

Auch im Bundeswirtschaftsministerium wird nun geprüft, ob die Vorschriften erneut geändert werden müssen. Bereits nach der chinesischen Übernahme des Augsburger Roboter-Spezialisten Kuka hatte die Bundesregierung die gesetzlichen Regeln verschärft.

Kritiker werfen Sigmar Gabriel vor, er habe damals als Wirtschaftsminister die Dimension der Kuka-Übernahme unterschätzt. Der aktuell geschäftsführende Außenminister meldete sich jetzt zum Geely-Einstieg bei Daimler zu Wort und forderte den Schutz geistigen Eigentums und die Gleichbehandlung der in China tätigen deutschen Unternehmen ein. Dort ist nach wie vor die komplette Übernahme eines chinesischen Unternehmens durch eine deutsche Firma undenkbar.

Brüssels Mühlen mahlen langsam

Auch auf EU-Ebene will man sich auf eine härtere Gangart einigen. Die von der kommunistischen Staats- und Parteiführung ausgegebene Strategie "China 2025", mit der das Reich der Mitte durch Übernahmen von ausländischen Hightech-Firmen zur führenden Technologie-Nation aufsteigen will, wird in Europa durch Peking politisch flankiert. Durch die Einflussnahme auf kleinere EU-Mitglieder hat Peking offenbar bislang erreicht, dass eine europäische Regelung zur Kontrolle von Investitionen in Schlüsselbranchen nicht so recht in die Gänge gekommen ist. Das ist eines der Ergebnisse einer Analyse des Mercator Instituts für China Studien (Merics) und dem Global Public Policy Institute (GPPi) in Berlin. Darin werden die verschiedenen Wege untersucht, wie die Staats- und Parteiführung auf Entscheidungsträger, Medien und andere Multiplikatoren im Ausland Einfluss nimmt.

China kauft weltweit Technologieunternehmen auf

02:04

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Breit angelegte Kampagne

Wie breit diese Strategie angelegt ist, konnte man in dieser Woche bei einem Leitmedium der deutschen Wirtschaftspresse beobachten: Dem "Handelsblatt" lag die sogenannte "China Watch" bei. Die vom chinesischen Staatsmedium "China Daily" zusammengestellten Blätter thematisierten "Chinas neue Runde der Öffnung", die "verspricht, die Globalisierung menschlicher zu machen." Pekings früherer Vizehandelsminister Wie Jianguo stellte in der "Sonderveröffentlichung" in Aussicht, dass Peking "Zugangsbedingungen oder Schwellenwerte" für ausländische Unternehmen abschafft. Pikanterweise hatte das Handelsblatt am Tag davor in einem Interview mit Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries die Bedenken der Bundesregierung beim Einstieg von Li Shufu bei Daimler zum Thema.  

Nach einer aktuellen Untersuchung der Beratungsgesellschaft KPMG können die von chinesischen Firmen übernommenen deutschen Unternehmen bislang ohne große Einflussnahme der neuen Besitzer agieren und ihr Geschäftsmodell weiter entwickeln. Das Schreckgespenst, dass die Chinesen nur deutsches Know-how abgreifen und die Unternehmen aussaugen würden, habe sich nicht bestätigt - so der Tenor der Studie. Ist die Angst vor einem Ausverkauf des deutschen Know-hows also übertrieben?

Zuletzt hatten Pläne für Stellenstreichungen beim Roboter-Spezialisten Kuka in Augsburg für Unruhe gesorgt: Trotz einer Jobgarantie des neuen chinesischen Eigentümers, dem Haushaltsgeräte-Produzenten Midea, werden 250 von 4000 Arbeitsplätzen am Standort Augsburg gestrichen. Zwar betonte Kuka-Chef Till Reuter, das habe mit dem Einstieg der Chinesen nichts zu tun - doch ein fader Nachgeschmack bleibt.

Merics-Chef Sebastian Heilmann warnte indessen davor, sich Illusionen über die Motive chinesischer Investoren in Deutschland zu machen: "Am Ende - und das muss allen wirklich vor Augen stehen - will die chinesische Seite natürlich diese Technologie in China kontrollieren."

Thomas Kohlmann Redakteur mit Blick auf globale Finanzmärkte, Welthandel und aufstrebende Volkswirtschaften.
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