Chinas kulturelle Offensive
29. September 2009Die Olympischen Spiele in Peking 2008, die Weltausstellung in Shanghai im nächsten Jahr: China lässt keine Gelegenheit aus, um sich vor einem Weltpublikum zu präsentieren – und sei es noch so kostspielig. Diese Ereignisse sind aber nur die Spitze des Eisbergs. Peking will nicht nur die Warenhäuser der Welt erobern, sondern auch die Köpfe. Li Changchun, im Politbüro für Propaganda zuständig, sprach es Anfang des Jahres bei der Fünfzig-Jahr-Feier von Chinas Staatssender CCTV offen aus: Die Nation mit der stärksten Kommunikationsfähigkeit könne ihre Kultur und ihre zentralen Werte weltweit verbreiten und damit die Welt beeinflussen, dozierte Li.
Nachholbedarf in der Imagepflege
Wirtschaftlich hat China gegenüber dem Westen enorm aufgeholt. Seine kulturelle Anziehungskraft hinkt aber weit hinterher. Auch die Olympischen Spiele konnten den Trend nicht umkehren: Die Unruhen in Tibet und die Proteste beim Fackellauf, die anhaltende Menschenrechtsdiskussion sowie der Skandal um verseuchtes Milchpulver machten den erhofften Imagegewinn zunichte. Peking versucht gegenzusteuern. Mit viel Geld und auf allen Ebenen.
Rund fünf Milliarden Euro will Peking bis 2011 in seine Auslandsmedien investieren. Der Löwenanteil soll in den Aufbau eines internationalen englischsprachigen Fernsehsenders unter Leitung der Nachrichtenagentur Xinhua fließen. Schon seit April erscheint täglich die englischsprachige "Global Times". Die Herausgeber rechnen im ersten Jahr jedoch mit einem Verlust in Höhe von rund zwei Millionen Euro.
Und Peking investiert bereits seit Jahren massiv in den Aufbau von chinesischen Kulturinstituten. Das erste Konfuzius-Institut wurde 2004 in Seoul gegründet. Mittlerweile gibt es weltweit über 300. Allein in Deutschland sind es bereits acht, drei weitere sind in Planung. Anja Warnecke-Bi ist Geschäftsführerin des Konfuzius-Instituts in Frankfurt. Sie glaubt, die chinesische Regierung investiere vor allem so massiv in die Institute, damit China im Rest der Welt nicht als Bedrohung wahrgenommen wird. Die Menschen sollten vielmehr China und die chinesische Kultur besser kennen lernen und entsprechend auch dann besser einschätzen können.
Boomsprache Chinesisch
Seit April 2008 wird im Frankfurter Konfuzius-Institut vor allem Chinesisch gelernt. Sprachkurse sind das Herzstück der Arbeit aller Konfuzius-Institute. Weltweit lernen rund 30 Millionen Menschen Chinesisch. Rund 100.000 ausländische Studenten reisen jährlich zum Sprachstudium nach China. In New York stellen wohlhabende Familien chinesische Kindermädchen ein. Der Nachwuchs soll spielerisch lernen, was die Eltern für die Sprache der Zukunft halten.
Die weltweit steigende Nachfrage nach Chinesisch müsste die Soft-Power-Strategen in Peking erfreuen. Auf dem Feld der Kultur fällt die Bilanz nicht so eindeutig aus. Das hat China gerade im Vorfeld der Frankfurter Buchmesse erfahren. Da ist China Gastland. Ein gemeinsames Symposium der Frankfurter Buchmesse und des Gastlandkomitees vier Wochen vor Messebeginn erregte wegen eines Eklats um den Auftritt zweier Regimekritiker internationales Aufsehen – genau von der Art, die Peking nicht möchte. Denn China will nach Ansicht des Bonner Sinologen Thomas Zimmer vor allem gut aussehen. Seit mehreren Jahren werde vom Ideal der "Harmonischen Gesellschaft" in China gesprochen. Dabei würden jedoch viele Probleme nur verdeckt.
Schwelgen in der glorreichen Vergangenheit
China möchte sich als modernes, weltoffenes Land präsentieren. Gleichzeitig weicht es der Konfrontation mit Kritikern aus und verlässt sich paradoxerweise gerne auf die Vergangenheit, in der es großartige Kunst, Dichtung, Philosophie hervorgebracht hat. "Man agiert aus einer Unsicherheit heraus, weil man nach außen hin nicht zeigen möchte, dass man selbst noch ein Land in der Entwicklung ist", glaubt Thomas Zimmer. "China ist auf der Suche nach einer neuen, auch nach einer möglichst neuen kulturellen Identität. Das verleiht diesen Auftritten auf internationaler Ebene aus westlicher Sicht oft etwas Steifes und Unechtes."
China müsste bei seinem Bemühen um Soft-Power vor allem eines Lernen: Glaubwürdigkeit. Doch die lässt sich mit noch so viel Geld nicht kaufen, sondern nur durch offenen Umgang mit Kritik und ungeschönten Wahrheiten erringen.
Autor: Matthias von Hein
Redaktion: Thomas Latschan