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PolitikChina

Chinas Premier Li in Berlin: Tuchfühlung mit Deutschland

Dang Yuan
18. Juni 2023

Mitten in einer kontroversen Debatte über den Umgang mit China reist Ministerpräsident Li Qiang zum ersten Mal nach Deutschland. China will die Partnerschaft mit Berlin festigen und wirbt für Vertrauen.

China | Nationaler Volkskongress
Bild: Noel Celis/AFP/Getty Images

Seine erste Auslandsreise führt ihn nach Berlin. Mit Spannung wird erwartet, wie der chinesische Ministerpräsident Li Qiang nach der Corona-Pandemie die Beziehungen zu den europäischen Partnern gestalten will. Der neue Premier, der die Regierung in Peking für die nächsten fünf Jahre führen soll, ist in Europa nicht wirklich bekannt. Sein politisches Wirken war bisher immer auf China selbst zentriert. Seine Nähe zu Chinas Privatwirtschaft und zu Staatspräsident Xi Jinping verhalf ihm, zur Nummer zwei in der Parteihierarchie im Politbüro hinter Xi aufzusteigen, damit automatisch zum Regierungschef im März 2023.

Im Gegensatz zu seinen Amtsvorgängern hatte der 63-Jährige bisher keine Erfahrungen in zentralen Staatsbehörden. Das ist etwas ungewöhnlich. Aber die Kombination der Ämter, die er vorher innehatte, ist einzigartig. Er war nämlich Gouverneur und Parteichef der drei wirtschaftsstärksten Ostprovinzen Jiangsu, Zhejiang und Shanghai im Yangtse-Delta. Seine Berufung zum Ministerpräsidenten war für viele Beobachter dann doch keine große Überraschung.

Die "unbekannte" Nummer 2 hinter Xi (l.): Ministerpräsident Li Qiang (3. v. l.) Bild: NOEL CELIS/AFP

Li stärkt Privatwirtschaft

Dass er wirtschaftliche Reform kann, steht außer Frage. Wenn Li redet, hört man einen leichten Akzent aus seiner Heimatprovinz Zhejiang, deren Gouverneur er später wurde. Dort sind 91 von 100 Unternehmen im privaten Besitz und sichern 87 Prozent aller Arbeitsplätze. Der Reformpolitiker Li baute während seiner Amtszeit bürokratische Hürden für private Investitionen nach und nach ab. Bereits 2014 ließ er in der Provinz mit 65 Millionen Einwohnern eine Onlineplattform für Bürger- und Investorenservice einrichten. Seitdem ist der papierlose Antrag für fast alle Genehmigungsangelegenheiten möglich. Ein Pilotprojekt á la Li wurde später ein Vorzeigeprojekt in ganz China.

Beim Wechsel in das Amt des Parteisekretärs der benachbarten Provinz Jiangsu (85 Mio. Einwohner mit einer Wirtschaftsleistung auf Platz zwei unter allen 31 Provinzen hinter Guangdong/Kanton) verließ Li im Jahr 2016 zum ersten Mal in der politischen Laufbahn seine Heimat. Er war damals 56 Jahre alt. 14 Monate später wurde er zum Parteisekretär in Shanghai befördert, die letzte Etappe vor dem Wechsel nach Peking. Zwar wurde er für den dreimonatigen Lockdown der Wirtschaftsmetropole 2022 in der Corona-Krise verantwortlich gemacht, aber er gewann dadurch das Vertrauen der Parteizentrale. 

Investorenversteher

Auch sein Verhandlungsgeschick mit ausländischen Investoren fand Beachtung. So konnte zum Beispiel das US-Unternehmen Tesla 2018 als allererster OEM-Hersteller eine 100-prozentige Tochtergesellschaft in China gründen. Damit schlug Li Qiang in Shanghai neue Töne bei der Ansiedlung ausländischer Autobauer an. Die Praxis war vorher immer gewesen, dass die Investoren mit einem chinesischen Partner ein Gemeinschaftsunternehmen gründen mussten. So kamen die Partner schneller an technisches Know-how.

Gigawerk Tesla in Shanghai Bild: CFOTO/picture alliance

Mit Zustimmung von Li sollte Tesla nicht einmal einen symbolischen Dollar für das 860.000 qm große Areal für das erste Gigawerk außerhalb der USA zahlen. Der Bau der Fertigungshallen dauerte von der Grundsteinlegung bis zur Kundenübergabe von Model 3 lediglich zwölf Monate. Li nutzte seine Verbindungen zur Privatwirtschaft im Industriehinterland der benachbarten Provinzen und fand schnell und zuverlässig Zulieferer für Tesla. 2022 wurde ein Produktionsrekord von 100.000 Teslas erreicht - in einem Monat.

Schulterschluss mit Europa gesucht

In Berlin muss Ministerpräsident Li nun dicke Bretter bohren. China und Deutschland seien einflussreiche Nationen, sagte Li Anfang Juni beim Empfang des Vorsitzenden der mitregierenden Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) Lars Klingbeil in Peking. "Beide Länder sind zur eigentlichen Intention der Kooperation verpflichtet. Strategisch müssen wir standhaft bleiben, Gespräche über konstruktives Mitwirken verstärken und so der Welt das Signal über mehr Stabilität und Berechenbarkeit senden."

Lars Klingbeil in Peking mit Chinas Premier Li Qiang (r.)Bild: picture alliance/dpa

Im Klartext: Nach Chinas Lesart solle Deutschland seine eigenen Interessen selbstständig verteidigen und nicht den USA welt- und wirtschaftspolitisch blind hinterherlaufen. In der Großmachtrivalität zwischen Washington und Peking tobt ein heftiger Wettstreit um die künftige Vormachtstellung. Die USA setzen eine Vielzahl von chinesischen Unternehmen auf die schwarze Liste und erlassen immer wieder Wirtschaftssanktionen, vor allem im Hightech-Bereich wie Halbleiter. Nach Pekings Auffassung richten sich diese Maßnahmen gegen Freihandel und Globalisierung.

Peking weiß genau, dass die Berliner Regierungskoalition über den Umgang mit China zerstritten ist. Die groß angekündigte China-Strategie der Bundesregierung erregt das Gemüt hinter den roten Mauern. Die Details der Endfassung sind noch nicht bekannt. Bekannt ist nur, dass die Berliner Politik derzeit für eine "wertebasierte Außenpolitik" wirbt, die, zusammen mit der westlichen Wertegemeinschaft, möglicherweise das kommunistische China ausgrenzt oder gar ausschließt. Auch die EU sieht in China "Partner, systemischen Rivalen und Wettbewerber".

Die Zukunft der Chipindustrie

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Nüchterne Stimme

Der Asien-Pazifik-Ausschuss der deutschen Wirtschaft (APA) findet den Dreiklang grundsätzlich richtig, fordert aber "eine angemessene Balance der drei Dimensionen in der Politikgestaltung." Und mahnend weiter: "Die Bundesregierung muss die Risiken und Kosten einer zu konfrontativen Politik gegenüber China genauso im Blick behalten wie die vielschichtigen und langfristigen Risiken, die sich aus Chinas globalen Ambitionen ergeben." Die Wirtschaft erwarte eine "verantwortungsvolle Koexistenz konkurrierender, aber gleichzeitig interdependenter Systeme" und die "verantwortungsvolle Weiterentwicklung der globalen multilateralen Ordnung".

Für China sei Europa vergleichsweise immer noch offener als andere Länder, vor allem die USA, sagt Agatha Kratz, Direktorin der New Yorker Denkfabrik Rhodium Group im Merics-Podcast. "Das politische Risiko einer Verschlechterung der Beziehungen zwischen der EU und China ist real, insbesondere im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg. Wenn sich herausstellen sollte, dass China Russland mit Rüstung unterstützt, wäre das ein großer Einschnitt in den Beziehungen zwischen der EU und China, die ohnehin nicht auf einem guten Fundament stehen."

Li Qiang mit seinem russischen Amtskollegen Mikhail Mishustin im Mai 2023Bild: Thomas Peter/REUTERS

Zwar wandte sich Chinas Staatspräsident Xi Jinping beim Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz im letzten November gegen die atomaren Drohgebärden Russlands. Seit Beginn des Kriegs gegen die Ukraine gilt China aber als enger Verbündeter des Kremls. Allerdings ist China vermutlich auch das Land, das durch den direkten Draht zu Russland noch maßgeblichen Einfluss auf die Wiederherstellung der Friedensordnung auf dem europäischen Kontinent haben könnte.

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