1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Ein Dialog "ohne Enthusiasmus"

Hans Spross
9. Juli 2018

Die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen werden auf deutscher Seite seit dem Beginn 2011 von Angela Merkel geleitet. Welche Erwartungen sie an die 5. Auflage hat, ist unbekannt. Experten sind eher skeptisch.

China | Bundeskanzlerin Merkel mit chinesischem Ministerpräsidenten Li Keqiang
Chinas Premier Li Keqiang und Bundeskanzlerin Merkel im Mai in PekingBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Deutsch-Chinesisches Treffen in Berlin

01:38

This browser does not support the video element.

Was ist von der 5. Runde der deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen zu erwarten, die am Montag in Berlin beginnen? Mikko Huotari, stellvertretender Direktor des Berliner China-Forschungsinstituts MERICS, drückt sich in einem Pressebriefing des Instituts dezidiert vorsichtig aus: Ja, es gebe einen "neuen Schwung" in den Beziehungen, "in Ansätzen eine Rückkehr zu dem, was mal Normalität war", aber ein "echter Arbeitsbesuch mit breit gefächerter Zielsetzung und konkreten Fortschritten", so weit sei man noch nicht. Huotaris Fazit: "Annäherung, aber sehr unenthusiastisch."

Ein deutlicher Kontrast zum Optimismus, den 2011 die Aufnahme Chinas in das herausgehobene Dialogformat "Regierungskonsultationen" hervorgerufen hatte. Beim zweiten Treffen 2012 schrieb etwa die DW: "Im 40. Jahr der diplomatischen Beziehungen ist die Zusammenarbeit außerordentlich eng. Sichtbarster Ausdruck dieser engen Beziehungen sind die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen."

Mikko Houtari vom MERICS-InstitutBild: DW

Schatten auf den Beziehungen

Inzwischen hat die Politik des nationalen Wiederaufstiegs Chinas unter der fest etablierten Führung von Xi Jinping zu Reibungen und Irritationen nicht nur mit den USA, sondern auch im Verhältnis zur EU und zu Deutschland geführt. So ist das programmatische Schlagwort "Made in China 2025" zur Chiffre für die rücksichtslose Aneignung westlichen Know-hows im High-Tech-Bereich, sei es durch Cyber-Spionage, erzwungenen Technologie-Transfer oder das Ausnutzen von Unternehmens- und Kapitalfreiheit in der EU geworden. Hinzu kommt Chinas Auftreten gegenüber schwächeren Nachbarn im Südchinesischen Meer, seine unerwünschte Einflussnahme in Zentral- und Osteuropa und im Innern der zunehmend autoritär auftretende Staat mit Zensur, Überwachung und repressiver Minderheitenpolitik.

Mikko Huotari sieht dennoch eine gewisse Aufwertung des jetzigen Treffens im Vergleich zu dem von 2016 in Peking. Damals war keine Wirtschaftsdelegation dabei, außerdem standen internationale Krisen im Mittelpunkt, nicht das bilaterale Verhältnis. Inzwischen sei "Bewegung in einige festgefahrene politische Themen gekommen." So gebe es möglicherweise Fortschritte beim Rechtshilfeabkommen in Strafsachen, ein Cyberdialog habe stattgefunden, beide Seiten wollen sich offensichtlich wieder in einem hochrangigen strategischen Dialog verständigen.

(Symbolbild) "Abstand im wichtigen Cyberdialog"Bild: picture-alliance/dpa/R. Hirschberger

Beispiel Cyber-Dialog für Aneinander-Vorbeireden

Allerdings zeigt sich gerade im wichtigen Cyberdialog laut Mikko Huotari der Abstand zwischen beiden Gesprächspartnern. "Es herrschen völlig unterschiedliche Vorstellungen darüber, was die Substanz dieses Dialogs sein soll." Während China großen Wert auf Terrorismusbekämpfung und entsprechenden Informationsaustausch lege, gibt es aus deutscher Sicht dringenden Handlungsbedarf, was die zunehmende Online-Ausspähung von deutschen High-Tech-Unternehmen und entsprechende Attacken betrifft. Aus Sicht von MERICS hat allerdings auch das federführende Bundesinnenministerium diesem Thema bislang nicht entsprechende Priorität eingeräumt.

Trotz aller Krisen: Großer Optimismus der Wirtschaft

Gedämpfte Erwartungen also, was politische Zusammenarbeit betrifft. Im Gegensatz dazu würden die Konsultationen von einer positiven Wirtschaftsagenda beherrscht, glaubt Huotari. Wie das? Beschwert sich die deutsche Wirtschaft nicht ständig über schwierigen Marktzugang und mangelnde "Reziprozität"? Stimmt, aber diese Konfliktfelder würden bei den Berliner Gesprächen ausgeklammert und auf den EU-China-Gipfel verschoben, mit gewissen Aussichten auf Erfolge bei den Verhandlungen.

Bei den Gesprächen in Berlin stünden eindeutig die weiterhin großen Chancen des chinesischen Marktes im Vordergrund. Man rechne mit der Verkündigung von mindestens zwei großen Investitionsprojekten. Auf ihrer neuen sogenannten  "Negativliste" hätten die Chinesen weitere Branchen für ausländische Investoren geöffnet, Unternehmen aus Deutschland und EU nähmen die Nachrichten mit Begeisterung auf. Insbesondere die Chemieindustrie rechne sich gewaltige Chancen aus. Siemens-Chef Joe Kaeser, der in China gasbetriebene Kraftwerke verkaufen will, habe sogar Chinas "Belt und Road Initiative" als "neue Welthandelsorganisation" angepriesen.

Siemens-Chef Kaeser auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos 2018: Chinas Seidenstraßeninitiative werde die neue WTO, "ob wir das nun mögen oder nicht."Bild: picture-alliance/dpa/T. Hase

Achse Berlin-Peking gegen Trump unwahrscheinlich

Joe Kaesers Zitat auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos wurde in China sicher gern gehört. Allerdings sind Chinas handelspolitische Vorstellungen in Wirklichkeit sehr vage, wie Huotari ausführte. "Es gibt kein klares Bild davon, wo China mit Blick auf 'governance' im internationalen Handel hin möchte. Es ist ein 'Fahren auf Sicht'." Derzeit "umgarne" China die EU und Deutschland, um gemeinsam mit China Position gegen Trumps Handelsprotektionismus zu beziehen.

Darauf einzugehen, würde Eberhard Sandschneider,  Politikwissenschaftler an der FU Berlin, für durchaus sinnvoll halten. "Man muss nicht gleich alle Werte teilen, man muss nicht in allen Fragen der internationalen Politik einer Meinung sein, aber in diesem konkreten Punkt, Bekämpfung der Tendenzen eines Handelskrieges, wie sie vom amerikanischen Präsidenten vorangetrieben werden, haben wir ein gemeinsames Interesse. Und dieses gemeinsame Interesse sollte man auch an die Adresse der USA sehr deutlich machen", sagt Sandschneider im DW-Interview. Aber MERICS-Experte Huotari ist sich sicher:  "Das wird von Berlin so nicht vorgenommen werden."

(Archiv) Der 14. deutsch-chinesische Menschenrechtsdialog 2016 in BerlinBild: DW/V. Witting

Skepsis beim Menschenrechtsdialog

Laut Bundesregierung soll auch der Menschenrechtsdialog vertieft werden, was bei MERICS-Expertin Kristin Shi-Kupfer auf starke Skepsis traf. Zum einen gebe es auf chinesischer Seite einen grundsätzlichen Wandel der Vorstellungen von Menschenrechten. Früher habe Peking die Universalität der Menschenrechte im Prinzip anerkannt, und nur bestimmte Einschränkungen wegen "nationaler  Besonderheiten" geltend gemacht. Jetzt würden Rechte, die Menschen zustehen, enger gefasst und von individuellen Voraussetzungen abhängig gemacht, etwa kriminell oder nicht-kriminell. Das erschwere einen Menschenrechtsdialog natürlich.

Wenig Hoffnung setzt Shi-Kupfer auch in den für Ende August anberaumten Rechtsstaatsdialog. Dort stünden technische Aspekte wie Rechtsdurchsetzung auf der Agenda. Es gehe nicht mehr um Verständnis von Rechtsstaatlichkeit, um die Rollen von Richtern, "was auch mal ein großer Hoffnungsträger war", wie Shi-Kupfer sagte.

Die alte Formel, mit stiller Diplomatie erreiche man mehr, hat für Shi-Kupfer ausgedient. Sicher werde das Thema Menschenrechte auch bei den Berliner Gesprächen im Hinterzimmer eine gewisse Rolle spielen. Aber "der Einfluss, den man durch Hinterzimmerdiplomatie auf China hat, schwindet. Das hat der Fall Liu Xiabo/Liu Xia ganz klar gezeigt, wo die Bundesregierung nach meinem Eindruck sehr stark versucht hat, im Stillen etwas zu erreichen - aber vergebens."

Mitarbeit: Miao Tian, Lin Yu-li 

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen