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Chinesischer Daimler-Investor auf Friedensmission

26. Februar 2018

Li Shufu hat knapp zehn Prozent der Daimler-Anteile erworben und Daimler damit einen neuen Partner. Nur ist dieser Partner auch Wettbewerber und außerdem hat Daimler bereits Partner in China.

Geely-Chef Li Shufu
Bild: picture-alliance/dpa/Imaginechina

Der Name "Geely" ist vom chinesischen Wort "jili" abgeleitet, was "Glück" oder "glückverheißend" bedeutet. Dieses Glück hat sich nun ganz überraschend bei Daimler eingenistet. Knapp zehn Prozent der Daimler-Anteile sind jetzt in der Hand des chinesischen Milliardärs Li Shufu (Artikelbild). Li ist auch Haupteigentümer des chinesischen Autobauers Geely, der wiederum Eigentümer von Volvo Cars ist. Damit wird der Konkurrent ganz plötzlich zum größten Daimler-Aktionär. Ob Daimler aber damit wirklich glücklich wird?

Li verliert derweil keine Zeit. Bereits am Wochenende soll er sich mit Unternehmensvertretern in der Stuttgarter Daimler-Zentrale getroffen haben. Am Montag würden die Gespräche weitergeführt werden, berichten Agenturen. Am Dienstag werde Li dann mit dem Wirtschaftsberater von Kanzlerin Angela Merkel, Lars-Henrik Röller, zusammenkommen, hieß es in Regierungskreisen. Seine Botschaft aus dem Reich der Mitte, dem größten Automarkt der Welt: Er komme in Frieden.

Friedensmission – kritisch beäugt

Es gehe ihm um eine langfristige Kooperation. "Wir respektieren und schätzen die Kultur, die Werte und die Corporate Governance der Daimler AG", sagte Li. Aus seinem Umfeld war zu vernehmen, Li gehe davon aus, dass nur etwa zwei oder drei Hersteller den Wandel der Branche überleben würden. Deshalb habe er Zugang zu einem Konzern mit einem technologischen Vorsprung gesucht. Seinen Einstieg bei Daimler begründete er mit der Konkurrenz, die der Autobranche durch IT-Unternehmen etwa beim Thema autonomes Fahren entstehe. "Die Wettbewerber, die uns im 21. Jahrhundert technologisch herausfordern, kommen nicht aus der Autoindustrie", so Li.

Daher strebe er eine Allianz an, um es bei selbstfahrenden und elektrischen Autos mit neuen Wettbewerbern wie Tesla, Google oder Uber aufnehmen zu können. Kein großer Autokonzern könne den Kampf ohne Partnerschaften gewinnen, glaubt Li. "Man brauche Freunde und Partner, um diesen "Eindringlingen von außen" mit vereinten Kräften zu begegnen. "Es ist Zeit für ein neues Denken. Mein Engagement bei Daimler reflektiert diese Vision".

Auch der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen glaubt: "Unternehmen, die 'stand alone' sind, so wie etwa BMW, könnten sich in der neuen Welt der Mobilität sehr schwer tun gegenüber Google, Apple, Amazon, die alle mit Macht in das Mobilitätsgeschäft drängen." Daher hält er den Einstieg von Geely für eine sehr gute Sache für Daimler. "Daimler wird dadurch stärker und noch innovativer."

Und Daimler selbst? Nach außen gibt sich der deutsche Autobauer freundlich. Man schätze Li als chinesischen Unternehmer mit besonderer Kompetenz und Zukunftsorientierung, mit dem man den industriellen Wandel konstruktiv diskutieren kann, heißt es von Daimler in einer Pressemitteilung. Allerdings wird dann auch noch hinzugefügt: Daimler sei in China umfassend und breit aufgestellt und habe mit BAIC einen starken Partner vor Ort.

Bekommt Daimler Co-Piloten?

Da Daimler bislang keinen sogenannten Ankerinvestor hatte, dafür aber eine sehr kleinteilige Eigentümerstruktur, schaffte es Li, sich mit seinem Coup zum größten Einzelaktionär von Daimler aufzuschwingen. Der Staatsfonds Kuwait hat knapp sieben Prozent, Renault Nissan gut drei Prozent, dann folgend eine Reihe von institutionellen Anlegern wie der norwegische Staatsfonds oder der US-Investor Blackrock. Strategische Investoren sind das allerdings alle eher nicht. Kuwait hat zwar seit vergangenem Herbst einen Sitz im Aufsichtsrat, mischt sich in die Geschäfte aber kaum ein.

Daimler Chef Dieter Zetsche - konnte bislang nach Gutdünken schalten und waltenBild: picture alliance/AP Photo/M. Sohn

Für Daimler-Chef Dieter Zetsche, der bislang nach Gutdünken den Konzern lenken konnte, könnte es nun aber ungemütlicher werden. Denn Li scheint nicht einer der Investoren zu sein, die sich nicht einmischen. Als er sich vor acht Jahren beim schwedischen Autokonzern Volvo einkaufte, mischte er sehr deutlich mit, was dem Konzern allerdings auch sehr gut tat.

Daimler fährt Abwehr hoch

Aus Industriekreise heißt es, Li wolle einen Platz im Aufsichtsrat von Daimler und er wolle seine Kooperation zwischen seinen Unternehmen und Daimler bei Elektroautos. Was den Aufsichtsrat angeht: Wenn Transaktionen als freundlich bewertet werden, dann erhalten neue Investoren durchaus einen Sitz im Aufsichtsrat. In diesem Fall überlegt Daimler aber, wie verhindert werden kann, dass sich Li in dem Gremium etabliert. Das berichtet das Handelsblatt unter Berufung auf Konzernkreise.

Denn nicht nur, dass Daimler bislang daran gewöhnt ist, dass sich Investoren nicht in hauseigene Belange einmischen, im Aufsichtsrat werden auch künftige Strategien und die neuestens Modelle beraten. Li aber ist Eigentümer von Volvo Cars, einem Wettbewerber von Daimler und größter Einzelaktionär von Volvo Trucks, dem größten Konkurrenten von Daimlers Lkw-Tochter. Das was im Aufsichtsrat besprochen wird, ist aber nicht für die Ohren der Konkurrenz gedacht. Denn Autos sind eben doch mehr als "vier Räder plus zwei Sofas" wie Li einmal gesagt haben soll.

Daimler ist schon verbandelt

Was die von Li gewünschte Kooperation betrifft: Im Bereich Elektromobilität und autonomes Fahren steht Daimler recht gut da und hat wohl wenig Interesse daran, sein Wissen mit Konkurrenten zu teilen. Allerdings sagt der Autoexperte Willi Diez, Angst von den Chinesen technologisch angezapft und ausgesaugt zu werden, müssten die Autobauer heute nicht mehr haben. "Da hat sich ja gezeigt: Das ist nicht so."

Neben dem potentiellen Wissensabfluss möchte Daimler zudem seine jetzigen langjährigen Kooperationspartner in China nicht verärgern. Seit 2003 arbeitet Daimler mit dem chinesischen Autobauer BAIC (Beijing Automotiv Group) zusammen und war Ende 2013 mit zwölf Prozent bei BAIC eingestiegen. Das Produktions-Joint-Venture beinhaltet den Bau der neuen Elektroautos der Marke EQ, die 2019 auf den Markt kommen sollen. Außerdem kooperiert der Stuttgarter Konzern bei der Produktion von Elektroautos mit dem chinesischen E-Autobauer BYD (Build Your Dreams).

Elektroquote in China wird die Produktion von Elektroautos weiter ankurbelnBild: picture-alliance/dpa/Imaginechina/W. Jilin

Wichtige Partner, denn China ist für Daimler der größte Absatzmarkt. Im vergangenen Jahr verkaufte Daimler dort rund eine halbe Million Autos. Nun muss sich nicht nur Daimler ganz schnell fit für die Zukunft machen, denn China hat eine Elektroquote eingeführt. Ab 2019 muss damit jeder Autohersteller mindestens acht Prozent seines Absatzes mit Elektroantrieben machen.

So überrascht es nicht, dass der Konzern am Sonntag eine Milliarden-Investition in China ankündigte. Gemeinsam mit dem BAIC Motor will Daimler die Produktionskapazitäten der Marke Mercedes-Benz ausbauen, um die steigende Nachfrage besser bedienen zu können. Die Unternehmen investieren dazu rund 1,9 Milliarden US-Dollar (1,54 Mio Euro), wie BAIC gegenüber der Börsenaufsicht in Hongkong mitteilte. Es sollen diverse Mercedes-Modelle gefertigt werden - auch Elektroautos. Damit soll die Produktionskapazität des Gemeinschaftsunternehmens von Daimler und BAIC - Beijing Benz Automotive - erhöht werden. Die Pläne sind ein Bekenntnis Daimlers für seinen langjährigen Partner BAIC. 

Es gibt aber auch andere, die eine weitere Kooperation für positiv halten. So glauben die Analysten der NordLB, ein dritter Partner in China könne Daimler nicht schaden.

Gibt es auch Positves?

Autoexperte Dudenhöffer ist der Überzeugung: "Daimler gewinnt mit Geely." Geely sei für Daimler fast so etwas wie eine Familie Quandt bei BMW oder Porsche-Piëch bei VW. Autoexperte Willi Diez vom Institut für Automobilwirtschaft in Geislingen betont, bislang habe Daimler keinen Ankeraktionär, der für Stabilität sorgen und Schutz vor feindlichen Übernahmen bieten könne.

"Geely ist das dynamischste Unternehmen von allen", sagt Dudenhöffer und verweist zum Beispiel auf die Tochter Lynk. Die will Autos mit Know-how von Volvo bauen und dann in wenigen Varianten komplett online vertreiben - ohne Händlernetz und monatelanges Warten. Oder der Fahrdienstanbieter Cao Cao, der Türen in China öffnen könne, die Daimler mit den eigenen Töchtern Moovel und Co. sonst womöglich verschlossen blieben.

Die Autos von Lynk kann man nur online kaufen und wenn die Marke 2019 nach Europa kommt, wird es nur sechs verschiedene Varianten geben. Bild: picture alliance / dpa

In der Tat ist Geely derzeit der größte heimische Autobauer und der am schnellsten wachsende: 1,2 Millionen Autos verkaufte das Unternehmen im letzten Jahr, das waren ein Drittel mehr als im Jahr zuvor. Insgesamt wurden in China 2017 30 Millionen Autos verkauft.

Profitieren könnten beide Seiten auch von Größeneffekten. Was Daimler bisher zwar mit Renault-Nissan schon auf kleiner Flamme macht, was in wirklich großem Stil derzeit aber nur VW mit Audi und Porsche gelingt- nämlich durch einheitliche Plattformen für verschiedene Marken die Kosten zu senken - ist künftig durchaus denkbar.

Nicht unbedingt willkommen

So ganz plötzlich kam der Einstieg von Li bei Daimler in Wirklichkeit nicht. Noch im Herbst hatten die Stuttgarter milliardenschwere Avancen von Geely zurückgewiesen, so Insider. Die Asiaten hätten über eine Kapitalerhöhung mit einem Anteil von bis zu fünf Prozent einsteigen wollen. Li änderte daraufhin seine Taktik und erwarb im Stillen den Anteil von knapp unter zehn Prozent, der nach aktuellen Kursen gut sieben Milliarden Euro wert ist.

Überhaupt ist Geely auf Expansionskurs. Dabei gehört laut Ferdinand Dudenhöffer zu Lis Strategie, Firmen eigenständig zu lassen und Premium-Marken zu achten. So wurde beispielsweise in Volvo Cars kräftig investiert und inzwischen verdient der schwedische Autobauer insbesondere in China kräftig. Vor wenigen Wochen waren die Chinesen zudem beim schwedischen Lkw-Bauer Volvo eingestiegen. Im vergangenen Jahr kaufte die Zhejiang Geely Holding die Mehrheit beim Sportwagenbauer Lotus.

Keine Angst vorm Ausverkauf

Während in der Vergangenheit die Wellen schon öfter hoch schlugen, wenn chinesische Investoren sich bei deutschen Firmen einkauften, bleibt diesmal die Regierung eher ruhig. Und das obwohl Daimler eine DER deutschen Traditionsmarken ist. In der Vergangenheit waren die Engagements chinesischer Firmen bei deutschen Technologieunternehmen - etwa dem Roboterbauer Kuka oder dem Chipunternehmen Aixtron - in Berlin durchaus kritisch gesehen worden. Diesmal heißt es: Es handele sich um eine unternehmerische Entscheidung, so der Regierungssprecher. "Aufgrund des Charakters des Investments als Minderheitsbeteiligung besteht weder außenwirtschaftsrechtlicher noch wettbewerbsrechtlicher Handlungsbedarf."

Andere Töne kommen aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Dort will man den Einstieg des chinesischen Autobauers Geely bei Daimler genauer unter die Lupe nehmen. Wenn sich ein chinesischer Konkurrent an dem Stuttgarter Autobauer beteilige, sei das erklärungsbedürftig, sagte Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries der "Stuttgarter Zeitung/Stuttgarter Nachrichten" laut
Vorabbericht. Es müsse geklärt werden, wie es zu der Beteiligung von knapp zehn Prozent gekommen sei. Zudem müsse geprüft werden, ob Meldevorschriften bei Beteiligungen eingehalten worden sind.

China will Musterland der E-Mobilität werden

02:39

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Insa Wrede Redakteurin in der Wirtschaftsredaktion
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