Drache im Steilflug
26. Februar 2008China ist weltweit eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften. Das dürfte wohl auch in Zukunft so bleiben. Davon ist Lin Yifu, designierte neue Chefökonom der Weltbank, überzeugt. Der chinesische Wirtschaftsfachmann berät die Regierung in Peking und gilt als wichtigster Ökonom seines Landes. Lin erwartet, dass sich das chinesische Wirtschaftswachstum auch nach den Olympischen Sommerspielen nicht abschwächen wird.
Olympische Spiele "erst der Anfang"
"Wie für viele andere Länder, die in der Vergangenheit olympische Spiele ausgerichtet haben, erleben wir vor den Spielen einen wirtschaftlichen Boom", sagte Lin jüngst in einem Vortrag vor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin. "Das Wachstum unseres Bruttoinlandsprodukts lag seit dem Jahr 2003 bei zehn Prozent. Mit steigender Tendenz." Nach den Spielen werde China Gastgeber für weitere internationale Großereignisse sein, die massive Investitionen verlangten, erklärt Lin. Dazu gehöre die internationale Weltausstellung in Schanghai im Jahr 2010 und die asiatischen Sportwettkämpfe in Guangzhou.
China sei aber immer noch ein Entwicklungsland. Darum bleibe der Bedarf an Investitionen auf lange Sicht immens. Noch in diesem Jahr werde mit dem Bau des Hochgeschwindigkeitszuges zwischen Peking und Shanghai begonnen, sagt Lin. In Peking werde das U-Bahn-Netz massiv ausgebaut: Bis zum Jahr 2015 soll es auf 560 Kilometer anwachsen. "Es wird das modernste U-Bahnnetz der Welt sein", sagt der Ökonom. In dreißig weiteren chinesischen Städten würden derzeit U-Bahnnetze angelegt.
Mehr Konsum wegen höherer Einkommen
China investiert nicht nur, China konsumiert auch, sagt Lin. In den letzten fünf Jahren lag der Konsumzuwachs wegen gestiegener Einkommen bei zehn Prozent pro Jahr. "Wir befinden uns in einem Prozess der Verstädterung und das führt dazu, dass der Konsum ein sehr hohes Niveau erreicht." China befinde sich derzeit im Übergang von einer agrarisch geprägten Wirtschaft hin zu einer modernen Marktwirtschaft. Noch seien die Gräben zwischen Land und Stadt sowie Arm und Reich aber zu tief, sagt Lin. "Aber seit der Abwendung von der Planwirtschaft haben wir große Fortschritte erzielt."
"Bis 1978 hatten wir eine egalitäre Gesellschaft. Alle verfügten über ein geringes Einkommen," erklärt Justin Lin. "Um von der Planwirtschaft wegzukommen wurde eine Politik eingeführt, die besagte: 'Lasst erst mal ein paar Leute reich werden, um das Volk zu motivieren, hart zu arbeiten'. Und das hat gut funktioniert."
Die Probleme des Aufschwungs
Lin räumt ein, dass das rasche Wachstum Chinas auch Probleme mit sich bringe. So sei China im Jahr 2006 für zwölf Prozent des globalen Energieverbrauches verantwortlich gewesen, 15 Prozent des Trinkwasserverbrauches, ein Drittel des weltweit produzierten Stahls und beanspruchte mehr als die Hälfte des global verfügbaren Zements. Für die Welt stelle sich daher die Frage, ob sie sich das Wachstum Chinas überhaupt leisten könne.
Darüber hinaus habe China auch gewaltige interne Probleme, wie soziale Unterschiede und die damit einhergehenden Spannungen sowie eine rasch überalternde Gesellschaft. Aber, so der chinesische Volkswirt, all dies lasse sich in den Griff bekommen. "Denn die Regierung in Peking ist gut informiert und pragmatisch, und die Bevölkerung zielstrebig und fleißig."