Der Deutsche entscheidet den wichtigsten und renommiertesten Wettbewerb der Welt im Springreiten für sich. Dabei ist er eigentlich gar nicht qualifiziert und gewinnt dennoch - allerdings erst in einem engen Stechen.
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Es war eigentlich keine gute Turnierwoche für André Thieme beim CHIO in Aachen. In den großen Prüfungen landete er zunächst nicht weit vorne und auch im Nationenpreis leistete er sich zwei Abwürfe, die mit ein Grund dafür waren, dass die deutsche Equipe nur den sechsten Platz belegte. Seine Chance, als vierter Reiter und damit als Ersatzmann noch ins Team für die Olympischen Spiele in Paris zu rutschen, hatte er damit verpasst.
"Es läuft einfach nicht, die anderen waren besser", sagte er in einem Interview mit dem deutschen Fernsehen am Freitag und war sichtlich enttäuscht. Da wusste er allerdings noch nicht, dass sein großer Moment und der "goldene Abschluss" beim CHIO, dem sogenannten "Weltfest des Pferdesports" erst noch kommen sollte.
Als Nachrücker zum größten Sieg der Karriere
Denn zwei Tage später jubelte Thieme ausgelassen und wurde von über 40.000 begeisterten Zuschauern im Aachener Reitstadion gefeiert, nachdem er in einem spannenden Wettbewerb auf seiner Stute Chakaria den Großen Preis von Aachen gewonnen hatte. Offenbar waren die abgefallene Anspannung nach dem verpassten Ziel Olympiateilnahme und die damit verbundene neue Lockerheit entscheidend für den Erfolg. Für den 49-jährigen Thieme, der immerhin bereits dreimal das traditionsreiche Deutsche Derby im Springreiten in Hamburg gewonnen hat und 2021 Einzel-Europameister wurde, ist es der größte Sieg seiner Karriere.
"Ich hatte mit Chakaria schon sehr emotionale Moment aber hier in Aachen ist es definitiv anders. Der Große Preis von Aachen ist ein Lebenstraum für jeden Reiter", sagte Thieme bei der anschließenden Pressekonferenz und scherzte. "Wäre ich zwei Jahre älter, würde ich wahrscheinlich sagen: Das war's, ich höre auf."
Dabei wäre Thieme an seinem größten Tag eigentlich gar nicht dabei gewesen. Nur die 40 besten Reiter der Aachener Turnierwoche qualifizieren sich für den Großen Preis. Thieme lag in der Qualifikationsliste aber nur auf Rang 42. Doch da zwei Reiter kurzfristig auf ihren Start verzichteten, rutschte Thieme am Samstag doch noch ins Starterfeld. Und am Ende jubelte er über den Sieg und durfte sich über ein Preisgeld von 500.000 Euro freuen.
"Ich habe es schon öfter gesagt: Ich liebe Chakaria genauso sehr wie meine Frau", sagte Thieme. "Sie liebt Chakaria auch - besonders wenn ich jetzt mit diesem Siegerscheck zurückkomme."
Vogel patzt am letzten Sprung
Denkbar knapp setzte er sich im Stechen vor McLain Ward aus den USA auf Ilex und Richard Vogel aus Deutschland auf United Touch durch. Insgesamt neun Paare hatten den 1. Umlauf fehlerfrei absolviert, darunter mit Vorjahressieger Marcus Ehning auf Coolio, Thieme, Vogel und Kendra Claricia Brinkop auf Tabasco de Toxandria auch vier aus Deutschland. Die 18 besten Paare des 1. Umlaufs waren auch im 2. Umlauf noch dabei.
Dort blieben Ward, der Schweizer Martin Fuchs auf Leone Jei, Thieme und Vogel erneut ohne Abwurf und Zeitfehler und es ging mit vier Paaren ins Stechen. Ward legte in 41,02 Sekunden einen fehlerfreien Ritt vor. Fuchs leistete sich einen Fehler. Dann kam Thieme, blieb fehlerfrei und unterbot Wards Zeit mit 39,77 Sekunden.
Als letzter Reiter absolvierte Vogel den Parcours. Er war zwar schneller als Thieme und sah bereits wie der Sieger aus, riss aber denkbar knapp das letzte Hindernis.
Hohes Prestige, enormes Preisgeld
Der Große Preis im Springreiten bildet traditionell den krönenden Abschluss des Aachener Reitturniers. Die Prüfung bildet seit 2013 gemeinsam mit dem Spruce Meadows "Masters" in Kanada, dem Großen Preis von Genf in der Schweiz und dem "Dutch Masters" in s'-Hertogenbosch in den Niederlanden den "Rolex Grand Slam der Springreiter", bei dem es sehr viel Geld zu gewinnen gibt.
Wer bei zwei dieser Majors hintereinander erfolgreich ist, erhält zusätzlich zum normalen Preisgeld 500.000 Euro extra. Bei einem dritten Sieg, steigt der Bonus auf eine Million Euro. Sollte sogar ein vierter Sieg in Folge gelingen, wird das mit einer weiteren Million Euro belohnt. Reiterinnen und Reiter müssen dabei allerdings nicht mit demselben Pferd siegreich sein.
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Isabell Werth brilliert und sichert sich Olympia-Ticket
Vor dem spannenden Showdown bei den Springreitern endete der Große Preis von Aachen in der Dressur mit einem überlegenen Erfolg von Isabell Werth. Die siebenmalige Olympiasiegerin setzte sich auf ihrer Stute Wendy mit der hohen Wertung von 89,905 Prozent vor vor Frederic Wandres auf Bluetooth (83,010) und Ingrid Klimke auf Franziskus (81,385) durch.
Werth hatte vor dem Aachener Turnier noch um ihr Olympia-Ticket bangen müssen. Kurz nach dem Wettbewerb erhielt sie die gute Nachricht, dass sie für die deutsche Equipe nach Paris fahren wird und damit zum siebten Mal in ihrer Karriere bei den Olympischen Spielen dabei sein wird. "Ich bin megastolz, es ist ein unfassbar tolles Pferd." Wendy habe "so einen tollen Charakter und so ein Herzblut", schwärmte die 54-Jährige: "Es ist einfach unglaublich."
Wandres und Klimke sind ebenfalls in Paris dabei, Klimke jedoch als Ersatzreiterin. Die Doppel-Olympiasiegerin von Tokio, Jessica von Bredow-Werndl, war mit ihrer Stute Dalera bereits vor Aachen qualifiziert.
Bedeutende Pferdesport-Events
Vom CHIO Aachen über das Kentucky Derby zum Rodeo in Kanada - die wichtigsten Pferdesport-Events der Welt bieten packenden Sport. Manchmal aber geht es neben Rennbahn und Parcours eher um die Etikette als die Reiterei.
Bild: Friso Gentsch/dpa/picture alliance
CHIO Aachen
Wegen seiner langen Tradition, des riesigen Turniergeländes, des anspruchvollen Parcours und des großzügigen Preisgeldes, gilt der deutsche CHIO in Aachen als wichtigstes Reitturnier der Welt - das "Wimbledon des Pferdesports". Besonderes Highlight neben dem Großen Preis der Springreiter, der die Turnierwoche abschließt, ist der Nationenpreis im Springen, der unter Flutlicht ausgeritten wird.
Bild: Friso Gentsch/dpa/picture alliance
Deutsches Springderby
Da soll ich runter? Diese Frage hat sich wohl schon manches Pferd gestellt, das in Hamburg-Klein Flottbek auf dem Großen Wall stand. Der 1230 Meter lange Parcours, der seit 1920 in unveränderter Form geritten wird, gilt als der schwierigste der Welt, weil er neben Kondition und Kraft auch Mut und gegenseitiges Vertrauen von den Paaren verlangt. Viele Top-Reiter treten beim Derby gar nicht an.
Bild: Lukas Schulze/dpa/picture alliance
Melbourne Cup
Wenn im November der Melbourne Cup stattfindet, steht ganz Australien Kopf. Die Tribünen am Flemington Racecourse sind randvoll, die Pubs auch. Die Australier wetten, was das Zeug hält. Vier Tage lang gibt es Pferderennen und Rahmenprogramm. Der Melbourne Cup ist mit einem Gesamtpreisgeld von 7,3 Millionen Australische Dollar (4,5 Mio. Euro) das höchstdotierte Langstrecken-Galopprennen der Welt.
Bild: Quinn Rooney/Getty Images
Kentucky Derby
Beim Kentucky Derby, auch "Run for Roses" genannt, treten dreijährige Vollblutpferde gegeneinander an, und 150.000 Zuschauer sehen dabei zu. Derby-Tag in Louisville ist immer der erste Samstag im Mai. Eintrittskarten sind oft ein Jahr im Voraus vergriffen. Der Besucher, der etwas auf sich hält, trinkt rund um die Rennen den traditionellen Derby-Cocktail "Mint Julep" mit Bourbon-Whiskey und Minze.
Bild: Darron Cummings/AP/picture alliance
Englisches Derby
Ob nun Kentucky oder Hamburg - Derby ist der Name für viele namhafte Pferdesport-Veranstaltungen. Das Original-Derby aber wurde 1780 in Epsom ausgetragen. Es heißt Derby, weil der Veranstalter, der Earl of Derby, dem Rennen seinen Namen gab. Bis heute ist es ein Galopprennen für dreijährige Pferde und geht traditionell über 2423 Meter (eine englische Meile, vier Furlongs und ein Yard).
Bild: John Walton/empics/picture alliance
Royal Ascot
Noch älter als das Derby ist die Rennwoche in Ascot. Sie steht seit ihrer ersten Austragung im Jahr 1768 unter Schirmherrschaft der Königsfamilie. Wichtigstes Rennen ist der Ascot Gold Cup für Rennpferde, die vier Jahre und älter sind. Noch wichtiger als die Rennen ist in Ascot allerdings die Kleiderordnung: Rocklänge, Trägerbreite, alles ist minutiös festgelegt. Und Hüte sind Pflicht.
Bild: Adam Davy/empics/picture alliance
Grand National
Beim Grand National in Aintree bei Liverpool geht es deutlich wilder zu als in Epsom oder Ascot. Auf der 6,9 Kilometer langen Hindernisstrecke kommt es oft zu dramatischen Stürzen. Viele Pferde sind hier schon gestorben oder verletzten sich so schwer, dass sie anschließend per Bolzenschuss getötet werden mussten. Tierschützer halten das Rennen daher für unzeitgemäß und wollen es verbieten lassen.
Bild: Nick Wilkinson/epa/dpa/picture-alliance
Prix d'Amerique
Da der Prix d'Amerique, eines der berühmtesten Trabrennen der Welt, immer am letzten Januar-Sonntag in Paris ausgetragen wird, ist das Wetter oft nicht das beste - und die Fahrer werden in ihren Sulkys von oben bis unten eingesaut. Aber es lohnt sich: Das Preisgeld beträgt 900.000 Euro. Doch die Konkurrenz ist stark: Nur Pferde, die bereits mehr als 160.000 Euro gewonnen haben, dürfen teilnehmen.
Bild: KENZO TRIBOUILLARD AFP via Getty Images
Badminton Horse Trials
Die Badminton Horse Trials sind eines der sechs wichtigsten Vielseitigkeitsturniere. Vor der Kulisse des Badminton House, dem Landsitz des Duke of Beaufort in der englischen Grafschaft Gloucestershire, messen sich die Reiter im Springen, der Dressur und im Geländeritt. Mit einer Viertelmillion Zuschauer sind die Trials die bestbesuchte, kostenpflichtige Sportveranstaltung in Großbritannien.
Bild: Actionplus/picture alliance
Offene argentinische Polo-Meisterschaft
Das Campeonato Argentino Abierto de Polo ist das wichtigste internationale Polo-Turnier der Welt. Schon seit 1893 wird es auf dem "Campo Argentino de Polo" in Buenos Aires abgehalten, das bei Einheimischen und Fans den Namen "La Catedral del Polo" (Polo-Kathedrale) trägt. Großer Held der Argentinier ist Adolfo Cambiaso (Foto), der das Turnier 18 Mal gewonnen hat.
Bild: Allen Eyestone/Zumapress/picture alliance
Palio di Siena
In historischen Jockey-Outifits preschen zehn Reiter jedes Jahr am 2. Juli und am 16. August dreimal um die Piazza del Campo mitten in der Altstadt von Siena. Jeder Reiter vertritt einen Stadtteil, als Preis winkt eine bunte Standarte, ein Seidenbanner an einer Hellebarde. Die Rennen, bei denen es oft ruppig zugeht, sind Volksfeste und kulturelle Höhepunkte im Kalender der toskanischen Stadt.
Bild: Peter Giovannini/picture alliance
Calgary Stampede
Planwagenrennen, Rodeoreiten und andere Disziplinen des Western-Reitens - die Calgary Stampede, die alljährlich in der Olympiastadt von 1988 stattfindet, ist die größte Rodeo-Veranstaltung der Welt: Rund 1,5 Millionen Zuschauer kommen an zehn Tagen. Da es bei der Stampede immer wieder zu Unfällen kam, bei denen Reiter und Pferde starben, steht die Veranstaltung bei Tierschützern in der Kritik.
Bild: Alexander Shemetov/Russian Look/picture alliance