Das offizielle Reitturnier Deutschlands ist eines der größten Sport-Events auf deutschem Boden. Seine lange Tradition und sein hohes Prestige sind nicht die einzigen Gründe, warum alle Reiter gerne nach Aachen kommen.
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Knapp 600 Pferde, 340 Sportler aus 30 Nationen, die in den fünf Disziplinen Springen, Dressur, Vielseitigkeit, Gespannfahren und Voltigieren an den Start gehen und insgesamt etwa 360.000 Zuschauer - nicht umsonst trägt der CHIO in Aachen den Namen "Weltfest des Pferdesports". Eine Woche lang misst sich hier jedes Jahr im Sommer die Weltelite miteinander - so auch in diesem Jahr. "Wir sind sehr glücklich mit unserer Teilnehmerliste. Wir haben in allen fünf Disziplinen die Nummer eins der Weltrangliste am Start", sagt Turnierdirektor Frank Kempermann. Der 64-jährige Niederländer ist seit über 25 Jahren Chef des CHIO.
CHIO steht für "Concours Hippique International Officiel", es ist also das offizielle internationale Reitturnier Deutschlands und damit das einzige in Deutschland, das Nationenpreise veranstalten darf. Seit 1924 findet das Turnier jedes Jahr in Aachen statt, 1927 waren erstmals auch internationale Teilnehmer am Start. 1929 wurde der erste Nationenpreis geritten. Seitdem gab es nur wenige Unterbrechungen: Zwischen 1940 und 1946 fiel der CHIO wegen des Zweiten Weltkriegs aus. Und weil Aachen 1986 die Reit-WM und 2015 die EM ausrichtete, fand der deutsche CHIO ausnahmsweise an anderen Orten statt.
Schon seit langer Zeit kommt Monica Theodorescu zum CHIO: "Ich bin schon als Kind hier gewesen, als meine Eltern beide hier am Start waren", sagt die Tochter zweier erfolgreicher Reiter und heutige Bundestrainerin der deutschen Dressur-Equipe. 1990 gewann sie als Reiterin den Großen Dressurpreis in Aachen. "Ich habe in den vergangenen 50 Jahren die stetigen Verbesserungen, Verwandlungen und Vergrößerungen miterlebt. Es war schon vor 50 Jahren das größte und großartigste Turnier, und das ist es für mich auch heute noch."
Kurze Wege
Auf den insgesamt 13 Hektar des Aachener Turniergeländes stehen neben Verwaltungsgebäuden, Stallungen, Reithallen, Fahr- und Abreiteplätzen zwei große Stadien, die es so für Reitsportveranstaltungen so gut wie nirgendwo auf der Welt gibt: die Dressur-Arena mit 6.300 Plätzen und das Hauptstadion für die Springreiter, in das 40.000 Zuschauer passen.
Da das Turnier gewachsen ist, ohne dass sich das zur Verfügung stehende Areal vergrößert hat, ist alles eng beieinander. Der Vorteil: Die Zuschauer haben - genau wie die Teilnehmer - die Möglichkeit, an einem Turniertag von mehreren Disziplinen etwas mitzubekommen.
"Das ist das Interessante an Aachen", sagt auch Springreiter Marcus Ehning, der im vergangenen Jahr mit der deutschen Equipe den Nationenpreis und anschließend auch noch den Großen Preis gewann. "Man hat an jeder Ecke jeden Tag irgendwas, wo man vom eigenen Sport abgelenkt wird, und dadurch auch von den anderen Sportarten etwas mitbekommt."
Hohes Prestige, hohe Gewinnsummen
Neben der langen Tradition, den hervorragenden Bedingungen und dem hohen Prestige, das ein Erfolg beim Aachener Turnier mit sich bringt, gibt es für die Sportler einen weiteren Grund, beim CHIO zu starten. "Dass die Reiter so gerne nach Aachen kommen, hat natürlich auch etwas mit dem Preisgeld zu tun", sagt Turnierdirektor Kempermann und lacht. Insgesamt beträgt das Preisgeld beim CHIO in diesem Jahr 2,7 Millionen Euro.
Die wichtigste Entscheidung im Springreiten ist Teil einer hochdotierten Turnierserie, des "Rolex Grand Slam". Dazu gehören auch die Springen von Genf, Calgary und s'Hertogenbosch. Wer zwei Springen in Serie gewinnt, erhält einen Bonus von 500.000 Euro, bei drei Siegen in Folge erhöht sich der Bonus auf eine Million Euro, bei vier Siegen sogar auf zwei Millionen. Summen, von denen Sportler in vielen anderen Sportarten nur träumen können. Das bislang letzte Springen der Serie in s'Hertogenbosch hat der Schwede Henrik von Eckermann gewonnen. Für ihn geht es in Aachen daher um besonders viel.
Partnerland Frankreich
Insgesamt beträgt der Etat des CHIO 16,5 Millionen Euro. Er ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen - einerseits, weil die Preisgelder gestiegen sind, andererseits aber auch, weil die Anforderungen an die Sicherheit und der Service im Bereich Digitalisierung sich vergrößert haben. Neben einer App, die den Zuschauern stets aktuelle Informationen und Ergebnisse liefert, versorgt der CHIO seine Follower bei Facebook und Instagram jeden Abend mit einer Video-Zusammenfassung der Entscheidungen des Tages. "Wir denken Social Media und Streaming zuerst und lineare Kommunikationswege, also Print, an zweiter Stelle", erläuterte Geschäftsführer Michael Mronz das Medienkonzept im Mai gegenüber der "Aachener Zeitung".
Neben dem Sport bietet der CHIO auch immer ein kulturelles Rahmenprogramm, das ganz im Zeichen des jeweiligen Partnerlandes steht. In diesem Jahr ist es Frankreich, entsprechend werden bei der opulenten Eröffnungsfeier mit Hunderten Pferden und knapp 1000 Statisten unter anderem berühmte französische Reitschulen auftreten und auch die französische Zucht ein Thema sein. Anschließend geht es dann um den Sport. Und dabei spielt nicht zuletzt das Aachener Publikum eine große Rolle, das fair jede Teilnehmerin und jeden Teilnehmer beklatscht, egal woher er kommt - auch wenn der Applaus bei den deutschen Startern immer noch einmal eine Idee lauter ausfällt.
Bedeutende Pferdesport-Events
Vom CHIO Aachen über das Kentucky Derby zum Rodeo in Kanada - die wichtigsten Pferdesport-Events der Welt bieten packenden Sport. Manchmal aber geht es neben Rennbahn und Parcours eher um die Etikette als die Reiterei.
Bild: Friso Gentsch/dpa/picture alliance
CHIO Aachen
Wegen seiner langen Tradition, des riesigen Turniergeländes, des anspruchvollen Parcours und des großzügigen Preisgeldes, gilt der deutsche CHIO in Aachen als wichtigstes Reitturnier der Welt - das "Wimbledon des Pferdesports". Besonderes Highlight neben dem Großen Preis der Springreiter, der die Turnierwoche abschließt, ist der Nationenpreis im Springen, der unter Flutlicht ausgeritten wird.
Bild: Friso Gentsch/dpa/picture alliance
Deutsches Springderby
Da soll ich runter? Diese Frage hat sich wohl schon manches Pferd gestellt, das in Hamburg-Klein Flottbek auf dem Großen Wall stand. Der 1230 Meter lange Parcours, der seit 1920 in unveränderter Form geritten wird, gilt als der schwierigste der Welt, weil er neben Kondition und Kraft auch Mut und gegenseitiges Vertrauen von den Paaren verlangt. Viele Top-Reiter treten beim Derby gar nicht an.
Bild: Lukas Schulze/dpa/picture alliance
Melbourne Cup
Wenn im November der Melbourne Cup stattfindet, steht ganz Australien Kopf. Die Tribünen am Flemington Racecourse sind randvoll, die Pubs auch. Die Australier wetten, was das Zeug hält. Vier Tage lang gibt es Pferderennen und Rahmenprogramm. Der Melbourne Cup ist mit einem Gesamtpreisgeld von 7,3 Millionen Australische Dollar (4,5 Mio. Euro) das höchstdotierte Langstrecken-Galopprennen der Welt.
Bild: Quinn Rooney/Getty Images
Kentucky Derby
Beim Kentucky Derby, auch "Run for Roses" genannt, treten dreijährige Vollblutpferde gegeneinander an, und 150.000 Zuschauer sehen dabei zu. Derby-Tag in Louisville ist immer der erste Samstag im Mai. Eintrittskarten sind oft ein Jahr im Voraus vergriffen. Der Besucher, der etwas auf sich hält, trinkt rund um die Rennen den traditionellen Derby-Cocktail "Mint Julep" mit Bourbon-Whiskey und Minze.
Bild: Darron Cummings/AP/picture alliance
Englisches Derby
Ob nun Kentucky oder Hamburg - Derby ist der Name für viele namhafte Pferdesport-Veranstaltungen. Das Original-Derby aber wurde 1780 in Epsom ausgetragen. Es heißt Derby, weil der Veranstalter, der Earl of Derby, dem Rennen seinen Namen gab. Bis heute ist es ein Galopprennen für dreijährige Pferde und geht traditionell über 2423 Meter (eine englische Meile, vier Furlongs und ein Yard).
Bild: John Walton/empics/picture alliance
Royal Ascot
Noch älter als das Derby ist die Rennwoche in Ascot. Sie steht seit ihrer ersten Austragung im Jahr 1768 unter Schirmherrschaft der Königsfamilie. Wichtigstes Rennen ist der Ascot Gold Cup für Rennpferde, die vier Jahre und älter sind. Noch wichtiger als die Rennen ist in Ascot allerdings die Kleiderordnung: Rocklänge, Trägerbreite, alles ist minutiös festgelegt. Und Hüte sind Pflicht.
Bild: Adam Davy/empics/picture alliance
Grand National
Beim Grand National in Aintree bei Liverpool geht es deutlich wilder zu als in Epsom oder Ascot. Auf der 6,9 Kilometer langen Hindernisstrecke kommt es oft zu dramatischen Stürzen. Viele Pferde sind hier schon gestorben oder verletzten sich so schwer, dass sie anschließend per Bolzenschuss getötet werden mussten. Tierschützer halten das Rennen daher für unzeitgemäß und wollen es verbieten lassen.
Bild: Nick Wilkinson/epa/dpa/picture-alliance
Prix d'Amerique
Da der Prix d'Amerique, eines der berühmtesten Trabrennen der Welt, immer am letzten Januar-Sonntag in Paris ausgetragen wird, ist das Wetter oft nicht das beste - und die Fahrer werden in ihren Sulkys von oben bis unten eingesaut. Aber es lohnt sich: Das Preisgeld beträgt 900.000 Euro. Doch die Konkurrenz ist stark: Nur Pferde, die bereits mehr als 160.000 Euro gewonnen haben, dürfen teilnehmen.
Bild: KENZO TRIBOUILLARD AFP via Getty Images
Badminton Horse Trials
Die Badminton Horse Trials sind eines der sechs wichtigsten Vielseitigkeitsturniere. Vor der Kulisse des Badminton House, dem Landsitz des Duke of Beaufort in der englischen Grafschaft Gloucestershire, messen sich die Reiter im Springen, der Dressur und im Geländeritt. Mit einer Viertelmillion Zuschauer sind die Trials die bestbesuchte, kostenpflichtige Sportveranstaltung in Großbritannien.
Bild: Actionplus/picture alliance
Offene argentinische Polo-Meisterschaft
Das Campeonato Argentino Abierto de Polo ist das wichtigste internationale Polo-Turnier der Welt. Schon seit 1893 wird es auf dem "Campo Argentino de Polo" in Buenos Aires abgehalten, das bei Einheimischen und Fans den Namen "La Catedral del Polo" (Polo-Kathedrale) trägt. Großer Held der Argentinier ist Adolfo Cambiaso (Foto), der das Turnier 18 Mal gewonnen hat.
Bild: Allen Eyestone/Zumapress/picture alliance
Palio di Siena
In historischen Jockey-Outifits preschen zehn Reiter jedes Jahr am 2. Juli und am 16. August dreimal um die Piazza del Campo mitten in der Altstadt von Siena. Jeder Reiter vertritt einen Stadtteil, als Preis winkt eine bunte Standarte, ein Seidenbanner an einer Hellebarde. Die Rennen, bei denen es oft ruppig zugeht, sind Volksfeste und kulturelle Höhepunkte im Kalender der toskanischen Stadt.
Bild: Peter Giovannini/picture alliance
Calgary Stampede
Planwagenrennen, Rodeoreiten und andere Disziplinen des Western-Reitens - die Calgary Stampede, die alljährlich in der Olympiastadt von 1988 stattfindet, ist die größte Rodeo-Veranstaltung der Welt: Rund 1,5 Millionen Zuschauer kommen an zehn Tagen. Da es bei der Stampede immer wieder zu Unfällen kam, bei denen Reiter und Pferde starben, steht die Veranstaltung bei Tierschützern in der Kritik.
Bild: Alexander Shemetov/Russian Look/picture alliance