Sensation beim CHIO Aachen: In einem packenden Wettbewerb ist ein deutscher Außenseiter schneller als die Konkurrenz. Die Entscheidung im hoch prämierten und prestigeträchtigen Wettbewerb fällt erst im Stechen.
Anzeige
Mit einer Riesenüberraschung ist der Große Preis von Aachen zu Ende gegangen: Im wohl wichtigsten Wettbewerb der Welt im Springreiten setzte sich mit dem Deutschen Gerrit Nieberg ein absoluter Außenseiter durch. Er gewann auf seinem elfjährigen Wallach Ben in einem spannenden Stechen vor dem Briten Scott Brash auf Hello Jefferson und Nicola Philippaerts aus Belgien mit Katanga.
Siegerehrung auf "falschem Pferd"
Zur Siegerehrung erschien der 29-Jährige dann mit einem anderen Pferd als dem, auf dem er gerade den größten Erfolg seiner Karriere gefeiert hatte. "Ich wollte Ben ein bisschen Ruhe gönnen, er soll sich in der Box erholen", erklärte Nieberg, der neben dem silbernen Pokal eine Siegprämie von 500.000 Euro mit nach Hause nahm.
Der 29-Jährige war noch ganz ungläubig und hatte den Umfang des gerade Erreichten noch nicht erfasst: "Ich brauche noch einen Moment, um das alles zu begreifen", sagte er.
Vorjahressieger Daniel Deußer verpasste mit seiner Stute Killer Queen als Vierter die Titelverteidigung in Aachen. Zwei Siege in Folge hatte zuletzt in den Jahren 2002 und 2003 Ludger Beerbaum mit Goldfever geschafft.
Fünf Paare im Stechen
Der Parcours in der Aachener Soers war gewohnt anspruchsvoll gebaut. Erst der 14. Starter schaffte im 1. Umlauf die erste Nullrunde. Insgesamt blieben nur 13 der 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der ersten Runde ohne Abwurf, die besten 18 waren für den 2. Umlauf qualifiziert.
Dort schaffte McLain Ward aus den USA auf HH Azur die erste Doppel-Null, Deußer und Killer Queen zogen nach - und es war klar, dass ein Stechen die Entscheidung bringen musste. Ebenfalls zum zweiten Mal ohne Abwurf blieben neben Ward und Deußer auch Brash, Philippaerts und Nieberg.
In der Entscheidungsrunde war dann Nieberg nicht zu schlagen: Er ging als letzter Starter in den Parcours, wählte die direkteste Linie und setzte sich im fehlerfreien Sprint über die Hindernisse mit 38,63 Sekunden gegen Brash (39,24) durch. Auch Phillippaerts (39,92) und Deußer (41,60) blieben ohne Abwurf.
McLain Ward, der mit seinem anderen Pferd Contagious in der Turnierwoche von Aachen zuvor mit dem Preis von Europa und dem Preis von Nordrhein-Westfalen zwei andere wichtige Prüfungen gewonnen hatte, mutete sich und seinem Pferd am Ende zu viel zu. HH Azur sprang beim letzten Hindernis ein wenig zu früh ab, kam von der Länge her nicht hin und leistete sich einen Abwurf. Ward wurde Fünfter.
Millionen-Euro-Boni
Der Große Preis von Aachen zählt gemeinsam mit dem CSIO in Calgary sowie den Großen Preisen der Hallenturniere in Genf und 's-Hertogenbosch zum sogenannten Rolex Grand Slam, einer Turnierserie, in der es sehr viel Geld zu verdienen gibt. Wer drei der Springen hintereinander gewinnt, erhält zusätzlich zum Preisgeld einen Bonus von einer Million Euro. Gelingen sogar vier Major-Siege in Serie, gibt es einen weiteren Bonus von einer Million Euro. Zwei Siege in Folge sind 500.000 Euro wert, zwei Siege innerhalb eines Jahres immerhin 250.000 Euro.
In Aachen hatten Deußer als Sieger von 's-Hertogenbosch und der Schweizer Weltranglistenerste Martin Fuchs, der in Genf gewonnen hatte, Aussichten auf zusätzliche Geldprämien. In Aachen war der Große Preis insgesamt mit 1,5 Millionen Euro dotiert.
Anzeige
Dänische Dominanz im Dressurviereck
In der Dressur hat die Dänin Cathrine Dufour den CHIO in Aachen dominiert. Nach ihren Siegen im Grand Prix und im Grand Prix Special in den Tagen zuvor, gewann die 30-Jährige am Schlusstag auf Vamos Amigos auch die Kür. Sie siegte vor dem Deutschen Frederic Wandres auf Duke of Britain und dem Dänen Daniel Bachmann Andersen auf Marshall-Bell. Auch der Sieg im Nationenpreis ging an die dänische Equipe.
Die siebenmalige Olympiasiegerin Isabell Werth war bei der Kür zum Zuschauen verdammt. Bei ihrem Ritt am Samstag war sie disqualifiziert worden, weil ihr Hengst Quantaz am Maul blutete. Quantaz habe sich auf die Zunge gebissen, sagte Werth. "Wenn man nicht alles erlebt hat, war man nicht lange genug dabei", meinte sie ironisch. "Es war das erste Mal und hoffentlich das letzte Mal." Seit 2017 hatte Werth jedes Jahr in Aachen die Kür gewonnen. Dressur-Olympiasiegerin Jessica von Bredow-Werndl war wegen ihrer Schwangerschaft diesmal nicht am Start.
Berühmte Sieger des CHIO in Aachen
Alle Siegerinnen und Sieger im Großen Preis von Aachen haben im Springreiten Bedeutendes geschafft. Einige stechen heraus - wegen ihrer Persönlichkeit, der Vielzahl ihrer Erfolge oder der Art und Weise ihres Sieges.
Bild: picture-alliance/dpa/Eibner-Pressefoto
Hans Günter Winkler und Piero d'Inzeo
Hier reichen sich zwei Ausnahmereiter die Hände, die insgesamt sieben Siege beim Großen Preis von Aachen feiern dürfen: Hans Günter Winkler (l.) triumphiert dreimal (1954, 1957, 1969). Seinen zweiten Sieg erringt er auf dem Rücken der Wunderstute Halla. Der Italiener Piero D'Inzeo (r.) darf sogar viermal beim bedeutendsten Spring-Wettbewerb der Welt jubeln (1952, 1959, 1961, 1965).
Bild: picture-alliance/dpa/DB
Nick Skelton
Der Einzige, der wie D'Inzeo vier Große Preise in Aachen gewinnen kann, ist der Brite Nick Skelton. Bemerkenswert: Nach seinen ersten drei Erfolgen (1982, 1987, 1988) dauert es 25 Jahre bis zum vierten Titel. Dazwischen liegt ein Sturz im Jahr 2001, bei dem sich Skelton einen doppelten Bruch des obersten Halswirbels zuzieht. Gegen den Rat der Ärzte setzt er seine Karriere fort.
Bild: picture-alliance/dpa
Fritz Thiedemann
Fritz Thiedemann ist neben Hans Günter Winkler Deutschlands bester Springreiter der Nachkriegszeit. Eng verbunden sind seine Erfolge mit seinem besten Pferd, Meteor, ursprünglich ein landwirtschaftliches Nutzpferd. 1955 triumphieren Thiedemann und Meteor gemeinsam beim Großen Preis. Mit anderen Pferden gelingen Thiedemann zwei weitere Erfolge in Aachen (1951 und 1953).
Bild: picture-alliance/dpa
Alwin Schockemöhle
Ebenfalls auf drei verschiedenen Pferden reitet Alwin Schockemöhle zu seinen drei Siegen in Aachen (1962, 1968 und 1969). Schockemöhle ist nach seiner aktiven Zeit als Trainer tätig, unter anderem als Equipe-Chef der deutschen Springreiter. Mit Thomas Frühmann, Gert Wiltfang und Franke Sloothaak entdeckt und fördert er drei Reiter, die später ebenfalls den Großen Preis in Aachen gewinnen können.
Bild: picture-alliance/dpa
Paul Schockemöhle
Alwin Schockemöhles jüngster Bruder Paul tritt 1974 in Aachen in dessen Fußstapfen. 1979 und 1984 folgen zwei weitere Titel beim Großen Preis. Den letzten Erfolg in Aachen feiert Paul Schockemöhle auf seinem Paradepferd Deister, wegen seiner vielen Erfolge auch "Der springende Geldschrank" genannt. Schockemöhle arbeitet heute erfolgreich als Züchter, Pferdehändler und Speditionsunternehmer.
Bild: picture-alliance/dpa/F. Leonhardt
Nelson Pessoa
Neben seinen beeindruckenden sieben Siegen beim Deutschen Derby in Hamburg gewinnt Nelson Pessoa auch zweimal den Großen Preis von Aachen. Er ist 1964 der erste Südamerikaner, dem dies gelingt. 1972 folgt der zweite Triumph. 1994 macht es Nelson Pessoas Sohn Rodrigo seinem Vater nach und trägt sich ebenfalls in die Siegerliste des Großen Preises von Aachen ein.
Bild: picture-alliance/dpa
Ludger Beerbaum
Ludger Beerbaum, einer der erfolgreichsten deutschen Reiter, steht beim Großen Preis von Aachen dreimal ganz oben auf dem Siegertreppchen. Mit Goldfever gelingen ihm 2002 und 2003 zwei Siege in Folge. 1996 gewinnt er mit seinem besten Pferd, der Stute Ratina Z, die bis heute als eines der erfolgreichsten Springpferde aller Zeiten gilt.
Bild: picture-alliance/dpa/J. Lübke
Jean-Claude Van Geenberghe
Jean-Claude Van Geenberghe hat in den 90er Jahren seine große Zeit. 1993 und 1995 ist der Belgier in Aachen der Beste. Später wechselt Van Geenberghe die Nation und startet für die Ukraine. 2009 verstirbt er mit nur 46 Jahren während eines Reit-Events in Donezk auf ungeklärte Weise. Er steigt mit Herzschmerzen vom Pferd, bekommt ein Schmerzmittel und Ruhe verordnet und ist kurze Zeit später tot.
Bild: picture-alliance/dpa/Sven Simon
Janne Friederike Meyer
Janne Friederike Meyer ist 2011 erst die fünfte Frau, der ein Erfolg beim Großen Preis von Aachen gelingt. Allerdings reitet kein Reiter und keine Reiterin so spektakulär zum Sieg wie die damals 30-Jährige: Schon über dem letzten Sprung reißt Meyer siegesgewiss die Arme hoch und landet freihändig. Ihr Wallach Cellagon Lambrasco trägt sie im Galopp zu ihrem größten Sieg über die Ziellinie.
Bild: picture-alliance/dpa/Eibner-Pressefoto
Scott Brash
Den Großen Preis von Aachen und den großen Jackpot einer Nobeluhren-Marke sichert sich Scott Brash beim CHIO 2015. Der Schotte setzt sich auf Hello Sanctos im Stechen mit knappem Vorsprung durch. Da er zuvor schon in Genf gewonnen hat, erhält er einen Bonus von 500.000 Euro. Später gewinnt er in Calgary auch die dritte Station des "Rolex Grand Slam" und ist um eine weitere Million Euro reicher.
Bild: Getty Images/Bongarts/Ch. Koepsel
Philipp Weishaupt
Mit ihm hat niemand gerechnet: 2016 düpiert Philipp Weishaupt die Konkurrenz, dabei ist er als 40. Reiter gerade noch in das Starterfeld beim Großen Preis hineingerutscht. Er muss als Erster starten, ist am Ende aber mit nur zwei Fehlern wegen Zeitüberschreitung der Beste. Doppeltes Glück für ihn, denn kurz vor dem Wettbewerb macht er seiner Verlobten einen Heiratsantrag, und sie sagt: "Ja!"
Bild: picture-alliance/dpa/U. Anspach
Marcus Ehning
"Es hat genau der Richtige gewonnen", mit diesem Satz kommentiert der für seinen trockenen Humor bekannte Marcus Ehning seinen Erfolg beim Großen Preis von Aachen 2018. Zuvor bei der Siegerehrung ist Ehning aber nicht ganz so cool. Schließlich ist es der zweite Titel für den 44-Jährigen, der 2006 auf der Stute Küchengirl schon einmal gewinnen konnte. 2023 gewinnt er auf Stargold ein drittes Mal.