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Verkauf von Chip-Zulieferer Siltronic geplatzt

1. Februar 2022

Am Ende fehlte die Zustimmung des deutschen Wirtschaftsministeriums. Die Münchener Firma Siltronic wird deshalb nicht an einen Konkurrenten aus Taiwan verkauft. Die Chipindustrie wird zunehmend zum Politikum.

Logo I Siltronic AG
Bild: Bernd Kammerer/AP Photo/picture alliance

4,35 Milliarden Euro wollte der taiwanesische Konzern GlobalWafers für den deutschen Chip-Produzenten Siltronic auf den Tisch legen. Doch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz erteilte keine Freigabe. Die wäre nach dem Außenwirtschaftsgesetz notwendig gewesen. In der Nacht war die erforderliche Frist abgelaufen. "Die Zustimmung der deutschen Regierung war die letzte noch ausstehende Vollzugsbedingung, nachdem alle anderen Behörden und Aufsichtsbehörden weltweit die Transaktion genehmigt hatten", teilte Globalwafers mit. Siltronic bestätigte, dass das Übernahmeangebot "erloschen" sei.

Taiwan ist weltweit führend in der Produktion von HalbleiternBild: Tao-Chuan Yeh/AFP/Getty Images

Langer Übernahmeprozess

Ein zweites Angebot sei nicht geplant, sagte ein Sprecher von Globalwafers am Dienstag. Vorstandschefin Doris Hsu hatte klargemacht, dass sie bei einem Scheitern anderswo investieren werde - wohl außerhalb Europas. Hsu bezeichnete das Ergebnis als "sehr enttäuschend" und sagte, das Unternehmen werde "die Nicht-Entscheidung der deutschen Regierung analysieren und deren Auswirkungen auf unsere zukünftige Investitionsstrategie prüfen." Hsu will am Sonntag (6. Februar) verkünden, wie sie die 4,35 Milliarden Euro investieren will, die der Siltronic-Kauf gekostet hätte. Denkbar ist der Bau einer Siliziumscheiben-Fabrik außerhalb Europas. Aus den USA werden die Taiwaner bereits heftig umworben.

Die Chip-Macht aus Taiwan

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Die Prüfung hatte sich seit Ende 2020 hingezogen. Am 31. Januar lief eine Entscheidungsfrist des Ministeriums dazu aus, nachdem das Wirtschaftsministerium am 7. Dezember den Prüfungszeitraum verlängert hatte. Das taiwanische Unternehmen erklärte, es habe "sehr weitreichende Vorschläge und Zusagen" gemacht, um die "Bedenken der deutschen Regierung auszuräumen und bot wiederholt seine Bereitschaft an, alternative Lösungen zu diskutieren".

GlobalWafers hatte sich in einem langen Poker mit den Siltronic-Aktionären gut 70 Prozent an der Münchner Firma gesichert. Doch die Genehmigung der chinesischen Kartellbehörde traf erst in der vergangenen Woche ein. Dabei machte diese unter anderem zur Auflage, dass GlobalWafers einen Teil der dänischen Tochter Topsil abspaltet, um den Wettbewerb auf dem Markt für 8-Inch-Siliziumscheiben (Wafer) für die Chip-Produktion nicht zu behindern.

Chip-Branche wird politisch

Siltronic ist damit der mit Abstand größte Übernahmeversuch durch ein ausländisches Unternehmen, der am Außenwirtschaftsgesetz scheitert. Euro. Als Grund für die lange Dauer wurde im Ministerium darauf verwiesen, dass die Außenwirtschaftsverordnung und Übernahmen in besonderen Technologiebereichen eine genaue Prüfung verlangten. Maßstab sei die voraussichtliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung, der Sicherheit Deutschlands oder anderer EU-Mitgliedstaaten. Bei Hoch- und Zukunftstechnologien müsse besonders genau geprüft werden. Dazu zählen etwa Künstliche Intelligenz, autonomes Fahren, Robotik und Halbleiter.

Harte Gangart: Wirtschaftsminister Habeck setzt den außenwirtschaftspolitischen Kurs der Vorgängerregierung fortBild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Deutschland hatte das Außenwirtschaftsrecht schon vor dem Regierungswechsel verschärft. Der neue Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte bereits im Dezember betont, dass Deutschland und Europa einen wachsenden Anteil an Mikroelektronik selbst produzieren müssten. Die EU-Kommission will im Februar ihren Chips Act vorlegen und die Branche mit zweistelligen Milliardensummen fördern. "Es würde nicht in die Zeit passen, etwas aus dem Halbleiterbereich nach Asien zu verkaufen", sagt ein Branchen-Experte.

Die ausgebliebene Genehmigung stößt in der Ampelkoalition wie auch in der Opposition auf Zuspruch. "Ich stehe hinter der Entscheidung der Bundesregierung", sagte Hannes Walter (SPD), Vize-Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses, der Zeitung Handelsblatt. "Technologische Souveränität gewinnen wir nicht dadurch, dass wir unser Tafelsilber veräußern." Deutschland sei ein attraktiver Investitionsstandort, zitiert das Blatt die wirtschaftspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Julia Klöckner. "Gerade deswegen ist es richtig, dass wir auch unsere Sicherheitsinteressen im Blick halten."

Die Reaktion von Habecks Koalitionspartner FDP fiel derweil verhaltener aus. "Wenn handfeste Argumente gegen eine Genehmigung sprechen, ist es im Sinne des deutschen Investitionsstandorts, die Entscheidung klar zu benennen", sagte Reinhard Houben, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP, dem Handelsblatt. In Deutschland müsse aber "weiterhin ein positives Investitionsklima herrschen". Er fordert zudem eine Prüfung, ungünstige zeitliche Überschneidungen wie im Fall Siltronic zwischen Übernahmeverordnung und Außenwirtschaftsgesetz zu verhindern.

Die Investitionspläne ausländischer Investoren landen immer häufiger auf dem Tisch des Wirtschaftsministeriums. Von 2018 bis 2020 hatte sich die Zahl der Prüfungen auf 160 verdoppelt. 2021 schoss die Zahl der Prüfverfahren dann auf 306 in die Höhe.

Europas hängt am Chips-Tropf Asiens

Während der Pandemie war es weltweit zu Engpässen bei Halbleitern gekommen, insbesondere in der Automobilindustrie mussten Unternehmen die Produktion drosseln oder ganz einstellen. Wegen ihrer Bedeutung für die Herstellung vieler Güter im Technologiebereich gelten die Halbleiter zunehmend als Schlüsseltechnologie.

Der Chip-Notstand in der Corona-Pandemie hatte gezeigt, wie abhängig Europa von asiatischen Anbietern ist. Siltronic ist unter den fünf größten Siliziumscheiben-Herstellern der einzige aus Europa. GlobalWafers wollte mit der Übernahme zum weltweiten Marktführer Shin-Etsu Chemical aus Japan aufschließen. Die Taiwaner verweisen darauf, mehr Wafer an europäische Kunden zu liefern als Siltronic. Die Münchner produzieren zwar im bayerischen Burghausen sowie im sächsischen Freiberg, haben ihre größten Produktionsanlagen aber in Singapur. Siltronic-Großaktionär Wacker Chemie entgehen durch das Scheitern Einnahmen von 1,2 Milliarden Euro aus dem Verkauf.

nm/hb (dpa, rtr)

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