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Chip-Krieg: USA und EU fürchten Chinas Dominanz

Nik Martin
10. April 2024

Nach dem Streit um Exportverbote für moderne KI-Chips werden nun selbst ältere Chips, die auch in Haushaltsgeräten stecken, zum Problem.

Halbleiter Produktion
Taiwan ist der weltweit größte Chiphersteller, doch China holt aufBild: picture alliance / Chu Baorui / Costfoto

Sie sind nicht zu vergleichen mit den hochmodernen Super-Chips, die Plattformen für künstliche Intelligenz (KI) antreiben. Dafür sind sie überall im Einsatz: ältere, ausgereifte Halbleiter, die in Waschmaschinen, Autos, Fernsehern oder medizinischen Geräten verbaut werden.

In der Branche werden sie Legacy Chips genannt, was man mit "älteren Chips" übersetzen könnte. Dass China hier eine große Marktmacht hat, bereitet Strategen in den USA und der EU zunehmend Kopfzerbrechen.

China investiert stark

Mit Exportverboten hat Washington chinesischen Unternehmen bereits den Zugang zu den modernsten Chips westlicher Bauart erschwert- in der Hoffnung, Pekings Aufstieg zu einer technologische Supermacht zu bremsen. Nun richtet sich die Aufmerksamkeit auf die älteren Chips, von denen fast jeder dritte derzeit in China produziert wird.

Peking will seine Investitionen in die Herstellung älterer Chips stark erhöhen. Im September 2023 hat die die chinesische Regierung einen staatlich geförderten Investitionsfonds in Höhe von umgerechnet 40 Milliarden US-Dollar (37 Milliarden Euro) angekündigt, um die heimische Halbleiterproduktion zu stärken. Seitdem werden in den USA und in der EU Rufe laut, die heimische Halbleiterindustrie besser vor der chinesischen Übermacht zu schützen.

USA und EU prüfen Chinas Chip-Dominanz

Im Dezember ordnete die Regierung von US-Präsident Joe Biden eine Überprüfung der gesamten Halbleiter-Lieferkette an, um Chinas Dominanz bei älteren Chips zu bewerten. Eine Sitzung des EU-US-Handels- und Technologierats Anfang April im belgischen Leuven könnte eine ähnliche Überprüfung durch die EU-Kommission nach sich ziehen, die Exekutive der Europäischen Union.

In einer Erklärung des Rates nach der Sitzung hieß es, beide Seiten könnten "gemeinsame oder kooperative Maßnahmen entwickeln", um etwas gegen die "verzerrenden Auswirkungen" auf die globalen Lieferketten zu unternehmen, die sich bei Legacy Chips abzeichnen.

Überkapazitäten und Chip-Dumping

Sollte China den Markt mit herkömmlichen, von Peking subventionierten Chips überschwemmen, könnten westliche Chiphersteller schnell vom Markt verdrängt werden, warnen Brancheninsider. Sie verweisen auf ein ähnliches Dumping billiger chinesischer Solarpaneele, mit dem sich China aus EU-Sicht einen unfairen Vorteil verschafft hat.

Bosch hat in Dresden eine Chipfabrik gebaut, um Chips für die Automobilindustrie zu produzierenBild: Oliver Killig/dpa/picture alliance

"Wenn Unternehmen wie Lam Research und Applied Materials dauerhaft die Hälfte ihres Marktes verlieren, müssten sie sich verkleinern", sagt Penn über die beiden großen US-Hersteller von Legacy Chips. "Im Moment gehen sie noch davon aus, dass sich die Größe ihres Marktes verdoppelt."

In den nächsten drei Jahren wird Chinas Kapazität für Standard-Halbleiter dank staatlicher Subventionen so wachsen, dass das Land 39 Prozent der weltweiten Nachfrage bedienen kann, so Daten von Trendforce, einer auf den Sektor spezialisierten Analysefirma mit Sitz in Taiwan.

"Geopolitik wird immer mehr über Halbleiter ausgetragen"

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Laut einer separaten Prognose von Gavekal Dragonomics, einem Finanzdienstleister mit Sitz in Hongkong, wird China in diesem Jahr mehr Kapazitäten für die Chipherstellung aufbauen als der Rest der Welt zusammen - eine Million Chips pro Monat mehr als im letzten Jahr.

Auch Indien will ein Stück vom Kuchen abhaben, was die Überkapazitäten in der Chipproduktion noch verstärken könnte. Der indische Mischkonzern Tata Group allein investiert umgerechnet elf Milliarden Dollar in den Bau einer eigenen Chip-Fabrik in Dholera im Bundesstaat Gujarat.

Die taiwanesischen Chiphersteller, die derzeit fast die Hälfte der weltweiten Chipproduktion abdecken, verlagern unterdessen ihren Schwerpunkt und wollen sich, wie auch die USA, Südkorea und Japan, stärker auf moderne Hochleistungschips konzentrieren. TrendForce erwartet, dass der Marktanteil Taiwans bei Legacy Chips aufgrund des Investitionsschubs in China insgesamt zurückgehen wird.

Abhängigkeiten und Sicherheitsrisiken

Abhängigkeit ist ein weiteres Problem. Wenn westliche Hersteller von Legacy Chips ihre Produktion herunterfahren müssen, weil sie nicht mit der chinesischen Konkurrenz mithalten können, würde sich die Abhängigkeit der USA und der EU von China erhöhen.

China könnte seine dominante Stellung dann ausnutzen, so ein Szenario, um es dem Westen schwerer zu machen, an Legacy Chips zu kommen. Die werden nicht nur für Unterhaltungselektronik und Haushaltsgeräte benötigt, sondern auch für Autos und militärische Geräte.

Ein Wafer bildet die Grundplatte für eine Vielzahl integrierter Schaltkreise, auch Chips genanntBild: AFP/Getty Images

Die Auswirkungen könnten schlimmer sein als die Chip-Knappheit während der Corona-Pandemie, wegen der viele Autohersteller ihre Produktion herunterfahren mussten. Schon damals war die Knappheit von Legacy Chips das Problem, nicht ein Mangel an modernen Hochleistungships.

"Für die Verbraucher sind ältere Technologien wichtiger als moderne Chips für KI", sagte Joanne Chiao, Analystin bei TrendForce in Taiwan zur DW. KI-Chips sorgten zwar für Schlagzeilen, machten aber derzeit weniger als ein Prozent des weltweiten Halbleiterverbrauchs aus.

Sanktionen und Subventionen

Branchenexperten scheinen sich darüber einig zu sein, dass Washington und Brüssel handeln müssen. "Der Druck ist groß, hier etwas zu tun", sagt Malcom Penn, CEO der britischen Chip-Beratungsfirma Future Horizons. Doch er bezweifelt, dass Sanktionen wie Importbeschränkungen für Chips aus China sinnvoll sind. "Das wäre die falsche Lösung", so Penn zur DW. "Sanktionen werden Chinas Dominanz nur verzögern, sie werden sie nicht aufhalten."

Sanktionen können immer umgangen werden, sagt Penn. Außerdem wären die westlichen Länder nicht in der Lage sein, ihre Chipproduktion schnell genug hochzufahren, um einen etwaigen Mangel an Chips aus China auszugleichen. Mindestens drei Jahre würde das dauern, "wahrscheinlich sogar noch länger - selbst wenn es keine Verzögerungen beim Bau der Fabriken gäbe und man die Leute mit den nötigen Fähigkeiten fände, sie zu betreiben", sagt Penn.

Einige Brancheninsider halten Ausfuhrkontrollen bei Werkzeugen für die Chipproduktion für effektiver als Sanktionen gegen Chips aus China. Um ihre Abhängigkeit von China zu verringern, könnten Washington und Brüssel auch auf das so genannte Friendshoring setzen, d. h. auf die Fertigung und Beschaffung bei geopolitischen Verbündeten wie Indien.

Möglich wären auch Subventionen, um heimische Hersteller zu ermutigen, trotz eines drohenden Preisverfalls weiterhin die älteren Legacy Chips zu produzieren. Durch die Verabschiedung zweier neuerer Chip-Gesetze haben die EU und die USA dem Halbleitersektor in den nächsten zehn Jahren bereits Subventionen in Höhe von rund 86 Milliarden Dollar zugesagt.

 

Dieser Bericht wurde aus dem Englischen adaptiert.

Taiwan, die Chip-Supermacht

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