Cholera in Haiti weitet sich aus
28. Oktober 2010In den Krankenhäusern in Port-au-Prince und in den betroffenen nördlichen Provinzen werden nach Angaben des Ministeriums inzwischen rund 4770 Patienten behandelt. Viele der Erkrankten, die zuletzt in die Kliniken gebracht wurden, sind Wanderarbeiter aus der Region Artibonite rund hundert Kilometer nördlich der Hauptstadt Port-au-Prince.
Während das haitianische Gesundheitsministerium von einer Entspannung der Lage sprach warnten Experten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vor voreiligen Schlüssen. So möchte der UN-Koordinator für humanitäre Hilfe in Haiti, Nigel Fisher, nicht ausschließen, dass sich die Epidemie im ganzen Land ausbreiten und es zehntausende Tote geben könnte.
Auch deutsche Hilfsorganisationen, die vor Ort im Einsatz sind, warnen vor einer Verharmlosung der Gefahr. Eine Entspannung der Lage müsse “man klar dementieren", sagt die Koordinatorin von humedica, Caroline Klein, vielmehr sei das Gegenteil ist der Fall. Die Cholera breite sich im Norden Haitis weiter aus und es gebe “einen großen Bedarf an Hilfe". "Die Situation ist definitiv nicht unter Kontrolle und es gibt noch immer betroffene Orte, die komplett ohne medizinische Versorgung sind“, berichtet Caroline Klein aus Haiti.
Dominikanische Republik lockert Kontrollen
Unterdessen wurden fünf Märkte in der Grenzregion zur Dominikanischen Republik wieder geöffnet. Es seien "sanitäre Kontrollen" eingerichtet worden, um von den beiden Ländern gemeinsam genutzte Marktplätze wieder nutzen zu können, sagte der Gesundheitsminister der Dominikanischen Republik, Bautista Rojas. An speziell eingerichteten Kontrollpunkten werden Trinkwasser, Seife und Chlor verteilt, um hygienische Zustände zu garantieren. Die Märkte waren nach dem Cholera-Ausbruch in Haiti geschlossen worden, um ein Übergreifen der Krankheit auf das Nachbarland zu verhindern.
Rückkehr einer Seuche
Die Cholera galt in Haiti seit über einhundert Jahren als ausgerottet. In der vergangenen Woche jedoch traten wieder erste Fälle im Zentrum und Norden des Landes auf. Jetzt befürchten die Behörden, die Epidemie könnte sich auch in den Notlagern der Hauptstadt breitmachen. Seit dem Erdbeben vom Januar leben noch über eine Million Menschen auf engstem Raum und unter hygienisch schwierigen Verhältnissen in Zeltlagern und Notunterkünften.
Aus Sicht der Sprecherin des UN-Büros für Humanitäre Angelegenheiten in Port-au-Prince, Imogen Wall, bieten jedoch vor allem die Slums in der Hauptstadt viel mehr Grund zur Sorge als die Zeltlager, die nach dem Erdbeben im Januar errichtet wurden. Dort seien die Versorgung mit Trinkwasser und die ärztliche Versorgung im Gegensatz zu den Slums sichergestellt, sagte sie.
Die Krankheit ist hochansteckend. Cholera verbreitet sich vor allem über Wasser und Nahrung, verursacht heftigen Durchfall und Erbrechen und kann innerhalb kurzer Zeit zum Tod durch Austrocknung führen. Besonders Kinder sind durch die Seuche gefährdet. Der Leiter des Unicef-Gesundheitsprogramms auf Haiti, Jean-Claude Mubalama, appellierte an die Menschen, schon bei ersten Symptomen medizinische Hilfe zu suchen. "Viele Kinder werden erst in letzter Minute ins Krankenhaus gebracht. Dann ist es oft schon zu spät", so Mubalama. Das Deutsche Rote Kreuz kündigte unterdessen den Bau eines Behandlungszentrums für Cholerafälle in Port-au-Prince an. Dort sollten täglich bis zu 250 Patienten behandelt werden, hieß es in Berlin.
Neben sauberem Trinkwasser und Aufklärung über grundlegende Hygienemaßnahmen geht es jetzt um die Versorgung der Menschen mit Antibiotika. “Die Behandlung von Cholera-Erkrankten mit Antibiotika kostet 40 Euro. 40 Euro, die ein Menschenleben retten können“, sagte die Vertreterin der Diakonie Katastrophenhilfe in Port-au-Prince, Astrid Nissen.
Wahlen stehen vor der Tür
Trotz der Epidemie infolge der schweren Zerstörungen durch das Erdbeben vom Januar dieses Jahres sollen in Haiti am 28. November Parlaments- und Präsidentschaftswahlen stattfinden. Die provisorische Wahlkommission kündigte am Dienstag die erste Lieferung von Wahlsets, bestehend aus Wahlurnen und -kabinen, aus Mexiko an. 24.000 solcher Sets würden diese Woche in Port-au-Prince erwartet, sagte Kommissionschef Pierre-Louis Opont.
Die regierende Unité-Partei des derzeitigen Präsidenten René Préval rief wegen der Seuche zu einer Pause im Wahlkampf auf. Ihr Präsidentschaftskandidat Jude Célestin sagte, die Kandidaten der Partei sollten sich an Stelle des Wahlkampfs "in den Dienst der betroffenen Menschen" stellen. Er nahm damit Bezug auf Beobachtungen, nach denen Kandidaten öffentliche Auftritte in den von der Krankheit befallenen Gebieten vermieden.
Autorin: Mirjam Gehrke (epd,kna,dpa,afp)
Redaktion: Reinhard Kleber