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Politik

CHP schickt Ince ins Rennen

4. Mai 2018

Die größte türkische Oppositionspartei CHP stellt den Kemalisten Muharrem Ince als ihren Kandidaten für die Präsidentschaft auf. Damit stehen die fünf Herausforderer fest, die im Juni gegen Erdogan antreten.

Muharrem Ince
Muharrem Ince soll für die größte türkische Oppositionspartei CHP gegen Präsident Erdogan antretenBild: DW/H. Köylü

Die größte türkische Oppositionspartei CHP hat ihren Kandidaten für die anstehende Präsidentschaftswahl nominiert. Für die Mitte-Links-Partei tritt der 54-jährige Abgeordnete Muharrem Ince an. Der ehemalige Physiklehrer und Schuldirektor sitzt seit 2002 für seinen Heimat-Wahlbezirk Yalova am Marmarameer im Parlament, zwischenzeitlich war er Vizechef seiner Fraktion. Er wurde einstimmig von allen 110 CHP-Abgeordneten nominiert.

Ince will Präsident aller Menschen in der Türkei werden

Ince tritt für das Erbe des Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk ein, der die heutige Türkei als säkularen Staat gegründet hatte - und das vom islamisch geprägten Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan zunehmend infrage gestellt wird. Er gilt als guter Redner und machte sich einen Namen durch scharfe Kritik an Erdogan. Zweimal, zuletzt im Januar, hatte Ince sich um den CHP-Vorsitz beworben, war aber jeweils am Amtsinhaber Kemal Kilicdaroglu gescheitert. Dieser hatte Ince nun den Vortritt gelassen, da aus seiner Sicht der Präsident nicht gleichzeitig Parteichef sein sollte.

Mit seiner Kandidatur geht Ince ein hohes persönliches Risiko ein: Als Präsidentschaftsbewerber kann er nicht erneut fürs Parlament kandidieren. Vor jubelnden Anhängern erklärte Ince, er wolle kein Präsident der CHP, sondern aller Menschen in der Türkei sein: "von Rechten und Linken, Kurden und Türken, Alewiten und Sunniten". Um diesen Worten Nachdruck zu verleihen, ersetzte er den CHP-Anstecker an seinem Revers durch eine türkische Flagge. Außerdem kündigte Ince an, den erst 2014 fertiggestellten monumentalen Präsidentenpalast in Ankara zu einer Bildungsstätte umfunktionieren zu wollen.

Der monumentale Präsidentenpalast in Ankara soll nach den Vorstellungen von Ince zu einer Bildungsstätte werdenBild: Imago/photothek/T. Trutschel

Fünf gegen Erdogan

Insgesamt gehen bei der Wahl am 24. Juni fünf Herausforderer gegen den amtierenden Präsidenten Erdogan ins Rennen. Erdogans islamisch-konservative AKP geht für die Wahl ein Bündnis mit der ultrarechten MHP ein, die von einer Abspaltung geschwächt ist: 2016 hatte die frühere Innenministerin Meral Aksener die Partei im Streit verlassen und tritt nun für die neu gegründete IYI-Partei ("Gute Partei") an. Die 61-Jährige will den Wechsel zum Präsidialsystem rückgängig machen und inhaftierte Journalisten freilassen. Die nationalistische Hardlinerin erkennt die Kurden in der Türkei nicht als eigene Volksgruppe an.

Ein Kandidat im Gefängnis

Für die Kurdenpartei HDP tritt Selahattin Demirtas an, obwohl er seit anderthalb Jahren im Gefängnis sitzt. Demirtas hatte die Partei 2015 überhaupt erst ins Parlament geführt. Gemeinsam mit anderen HDP-Abgeordneten wurde er im November 2016 wegen angeblicher Verbindungen zur verbotenen Arbeiterpartei PKK festgenommen. Die HDP ist heute politisch geschwächt; Tausende Mitglieder sitzen in Haft. Ein weiterer Kandidat für das Präsidentenamt ist Dogu Pirencek, der Chef der kleinen linksnationalistischen Vatan-Partei. Außerdem kandidiert der Vorsitzende der proislamistischen Saadet-Partei, Temel Karamollaoglu.

Rückt die Opposition bei einer Stichwahl zusammen?

Den einzelnen Nominierungen waren ergebnislose Gespräche über einen gemeinsamen Gegenkandidaten der Oppositionsparteien vorausgegangen. Falls Erdogan in der ersten Wahlrunde keine absolute Mehrheit erhält und es zu einer Stichwahl kommt, könnte sich die Opposition gemeinsam hinter den stärksten Gegenkandidaten stellen. Die Wahl war ursprünglich für November 2019 geplant, bevor Erdogan im April überraschend den früheren Termin bekannt gab. Mit der Neuwahl tritt die vor einem Jahr beschlossene neue Verfassung in Kraft, die mehr Macht auf Präsident Erdogan vereint und laut Kritikern die Türkei von einer Demokratie in einen autoritären Staat verwandelt.

de/as (dpa, afp)

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