Jazz-Veteran Chris Barber ist tot
3. März 2021
Laut seinem Plattenlabel "The Last Music Company" schlief Chris Barber am 1. März friedlich ein. Man habe das von seiner Witwe erfahren, hieß es. Barber hatte zuletzt an Demenz gelitten.
2019 hatte der englische Posaunist noch auf der Bühne gestanden, Ruhestand war ein Fremdwort für ihn. 100 Konzerte im Jahr waren nichts besonderes, selbst noch mit 85: "Ich habe starke Lungen, ich werde nie krank, und außerdem kann ich ja sonst nichts", erzählte er mal der Tageszeitung "Die Welt". Erst ein schwerer Sturz bremste ihn aus und zwang ihn vor zwei Jahren letztendlich doch zum Aufhören.
Chris Barber lebte für die Musik. Vor allem der Jazz aus New Orleans und der Blues lagen ihm im Blut. Er hatte aber auch keine Berührungsängste zur Rockmusik und scherte sich auch sonst wenig darum, was andere von seinen musikalischen Experimenten hielten.
Posaune vom Taschengeld gekauft
Geboren wurde Christopher Donald Barber am 17. April 1930 in Welwyn Garden City in der Grafschaft Hertfordshire. Als Junge lernte er Geige an einer Privatschule. Doch dann investierte er eines Tages sein Taschengeld in eine Posaune - der Grundstein für eine große Karriere war gelegt.
Kontrabass und natürlich Posaune standen beim Studium in London auf dem Lehrplan. Schon 1949 gründete Chris Barber eine Amateurband unter seinem Namen. Klassischer amerikanischer Jazz sollte es sein - etwas anderes als Jazz, bekannte er mal, wollte er nicht mehr spielen. 1953 übernahm er die Profi-Musikertruppe von Ken Carver mit seinerzeit bekannten Kollegen wie Pat Halcox, Lonnie Donegan, Jim Bray und Monty Sunshine: "Chris Barber's Jazz Band" war geboren.
Der Titel "Ice Cream", die Coverversion eines Songs von "Fred Waring and His Pennsylvanians" aus dem Jahr 1927, wurde 1954 zum Riesenhit - und zum Markenzeichen der Band. Bis zuletzt spielte es das Lied jedes Mal am Ende eines Konzerts. Auch "Petite Fleur" verkaufte sich ein paar Jahre später mehr als eine Million Mal. Chris Barber war am Zenit seines Erfolgs, jedes Kind in Großbritannien kannte ihn damals.
Angesagt: Skiffle und Blues
Er machte den traditionellen Jazz in einer Zeit wieder populär, als eigentlich Bepop angesagt war. Aber Barber kopierte nicht einfach nur alte Hits, er forcierte den Skiffle-Style, bei dem Waschbretter und Teekisten zum Bass mutieren und Gießkanne und Eimer zum Schlagzeug. Bereits beim 1954 erschienen Debütalbum "New Orleans Joys" war das Skiffle-Stück "Rock Island Line" ein Renner.
Diese experimentelle Art des Musizierens kam gut an und beeinflusste eine ganze Teenager-Generation: Auch solche Halbwüchsigen, die später selbst zu Stars werden sollten wie Paul McCartney, John Lennon, Mick Jagger oder Eric Clapton.
Als Direktor des Marquee-Clubs in London holte Barber zahlreiche Blues-Größen aus den USA in die britische Metropole: unter anderem Muddy Waters, Sonny Terry oder Gospelsängerin Sister Rosetta Tharpe. "Wir spielten mit ihnen und entwickelten unseren eigenen Stil - damit traten wir den Blues-Boom in Großbritannien los", erzählte er mal.
Kooperation mit dem Who's who der Jazz-Szene
Barber arbeitet mit zahlreichen Größen des Jazz zusammen, egal ob sie Traditional, Fusion oder Free Jazz spielten. Charles Mingus, Joe Zawinul und Van Morrison sind nur einige illustre Namen in der langen Reihe der musikalischen Partnerschaften. Und natürlich war da immer seine eigene Band. Mit der feierte er vor allem in Deutschland große Erfolge, nachdem traditioneller Jazz in seiner Heimat nicht mehr so angesagt war und seine Band dort an Popularität verlor.
Für sein deutsches Publikum paukte der Bandleader sogar Deutsch - und zwar mit Hilfe des deutschen Services des Senders BBC, einem Relikt aus den Nachkriegsjahren.
RIP, Chris Barber!
2014 veröffentliche Chris Barber seine Biographie "Jazz me Blues" - der Titel war eine Hommage an den Dixie-Sound der 1920er-Jahre. Jetzt hat sich der Jazz-Veteran zu anderen Größen des Genres in den Musikerolymp verabschiedet.
Er sei sehr traurig, von seinem Tod zu hören, schrieb der englische Singer-Songwriter Billy Bragg auf dem Nachrichtenkurzdienst Twitter. Barber sei einer der britischen Jazz-Giganten gewesen.