Geduldetes Christentum am Golf
20. September 2013Freitags und samstags platzen die Kirchen in den kleinen arabischen Golfstaaten aus den Nähten. Im verwinkelten Gebäudekomplex der National Evangelical Church in Kuwait findet dann ein Dutzend Gottesdienste gleichzeitig statt. Eine Pfingstgemeinde singt und betet auf Englisch, während nebenan Inder auf Malayalam und Philippiner auf Taglog feiern. Auch in der katholischen Kirche in Katar werden Messen in verschiedenen Sprachen abgehalten, wegen des großen Andrangs im Stundentakt. Und auch in Bahrain, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Oman sind die Kirchen voll. Im Gegensatz zum großen Nachbarland Saudi-Arabien erlauben die kleinen Golfmonarchien Kirchenbauten und die Einreise von Geistlichen. Allerdings ist die religiöse Toleranz begrenzt.
Anders als in Ägypten, Libanon oder Syrien, wo Christen seit zweitausend Jahren leben, sind die großen Gemeinden in den Golfstaaten relativ neu. Der Ölboom brachte Millionen Arbeitsmigranten in die Region. Darunter sind auch hunderttausende Christen aus den Philippinen, Sri Lanka oder Südindien. "Wir sind insofern eine besondere Kirche, als alle Gläubigen Ausländer sind", sagt Paul Hinder, katholischer Bischof für die Emirate und Oman. "Es gibt keine einheimischen Christen", betont der Schweizer. Das internationale katholische Missionswerk Missio mit Sitz in Aachen geht zwar von etwa 200 einheimischen Christen in Kuwait aus. Die seien jedoch eingebürgerte Araber.
Ständiger Wechsel der Mitglieder
Besonders sind die Gemeinden auch deshalb, weil die Mitglieder ständig wechseln. Viele der Hausmädchen, Bauarbeiter, Techniker oder Mediziner am Golf dürfen nur zwei oder drei Jahre bleiben. Sie sind Gastarbeiter, die laufend ausgetauscht werden. Dadurch ist der Altersschnitt in den Kirchen vor Ort deutlich geringer als in den überalterten Gemeinden in Europa. Das beobachtete auch Pfarrer Jens Heller. Er leitete bis 2011 die deutsch-evangelische Gemeinde in den Emiraten, die sich mangels eines eigenen Gebäudes bei den Anglikanern einmietet. Schätzungen zufolge leben mehr als zehntausend Deutsche allein in den Emiraten. "Was die Leute sehr geschätzt haben, war ein deutschsprachiger Gottesdienst, aber da war nicht unbedingt die Konfession entscheidend", erzählt der kurhessische Pfarrer. So seien auch Katholiken und Anhänger von Freikirchen gekommen. "Das ist typisch für das Ausland, dass man da konfessionell etwas lockerer ist."
Die Fülle der christlichen Konfessionen am Golf ist kaum zu überblicken. Die meisten Christen sind katholisch oder orthodox. Daneben gibt es viele protestantische Kirchen. Christen stellen laut den Missio-Länderberichten in den Emiraten etwa neun Prozent der Bevölkerung und in Kuwait zehn bis zwölf Prozent. In Bahrain dürfte der Anteil der Christen nach Schätzungen anderer Organisationen auf ähnlichem Niveau sein, in Katar und Oman darunter. Exakte Statistiken fehlen allerdings. Christen genießen laut Missio in Kuwait und den Emiraten im Rahmen der islamischen Rechtsordnung die Freiheit, ihren Glauben zu praktizieren. Eine umfassende Religionsfreiheit, etwa mit dem Recht zum Religionswechsel und dem Werben für den eigenen Glauben, sei jedoch nicht garantiert.
Christen müssen unter sich bleiben
Für die Arbeit der Kirchengemeinden gebe es klare Grenzen, betont Heller. "Der Gottesdienst muss in den kirchlichen Räumen stattfinden und darf auch nur mit Christen gefeiert werden." Bei Eheschließungen und anderen Amtshandlungen müsse sichergestellt sein, dass kein Familienmitglied Muslim ist. Mission, also das intensive Werben für den christlichen Glauben, sei streng verboten und werde mit Gefängnisstrafen geahndet. "Es war allen Pfarrern, die dort arbeiten, klar, wo die Spielräume und Grenzen sind", beschreibt der evangelische Theologe die Lage.
Die religiöse Trennung wird oft auch an den Gebetsstätten deutlich. Die registrierten Gemeinden dürfen sich in begrenzter Zahl Kirchen und sogar Kathedralen bauen. Oft erhalten sie dafür ein Grundstück vom König, Sultan oder Emir des betreffenden Staates. Trotzdem müssen sie weitgehend unsichtbar bleiben. Auf den Dächern fehlen meist die Kreuze. Viele der Kirchen liegen weit außerhalb am Stadtrand. Kirchen-Neubauten stoßen in islamischen Staaten oft auf Widerstand. Als der König von Bahrain 2012 ein Grundstück für den größten Kirchenbau der arabischen Halbinsel zuwies, protestierten sunnitische Gelehrte mit scharfen Worten.
Wenig Kontakte zwischen Christen und Muslimen
Kontakte zwischen Kirchengemeinden und Moscheen sind selten. Einen Dialog auf Augenhöhe über Eigenheiten des jeweiligen Glaubens gibt es Heller zufolge nicht. "Was es sehr wohl gibt, sind persönliche Beziehungen von Priestern zu einheimischen Prinzen", sagt der Pfarrer.
Die Zukunft der christlichen Gemeinden hängt von der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung am Persischen Golf ab. Bischof Hinder glaubt nicht, dass seine Kirchen nach dem absehbaren Ende der Ölförderung verwaisen. Alle Golfmonarchien versuchen ihm zufolge, ihre Abhängigkeit vom Öl durch neue Wirtschaftsaktivitäten zu verringern. "Auch diese Ausweitung wird ausländische Arbeitskräfte benötigen", davon ist das Mitglied des Kapuziner-Ordens überzeugt. Sollte aber ein Staat beschließen etwa die Zahl der Philippiner zu reduzieren, hätte das großen Einfluss auf die Gemeinden. Dadurch würden sie deutlich schrumpfen.