1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Christos vergängliche Kunst

Gaby Reucher16. Juni 2016

Christo ist durch spektakuläre Verhüllungsaktionen weltberühmt geworden. "Floating Piers" ist seine neuste Kunstaktion in Europa. Doch auch mit 81 Jahren plant der amerikanische Künstler weiter große Projekte.

Christo Portrait C: Stefan Dege, DW
Bild: DW/S. Dege

Christo arbeitet immer an mehreren Projekten gleichzeitig. Er hat viele Pläne, doch die meisten lassen sich nicht realisieren. Schließlich entstehen Christos Großkunstwerke in der freien Natur und da sind Behörden und Umweltverbände nicht immer einverstanden. Sein jüngstes Projekt "The Floating Piers", bei dem Besucher auf schwimmenden Pontons spazieren können, hatte er bereits in den 70er Jahren mit seiner Frau Jeanne-Claude entworfen.

In Argentinien und Japan wurde ihr Vorhaben nicht genehmigt. Jetzt können Besucher auf dem norditalienischen Iseo-See über die schwimmenden Stege gehen, die zwei Inseln mit dem Festland verbinden. "Es ist nicht schön, nur um Genehmigungen zu kämpfen", sagt Wolfgang Volz, Christos exklusiver Fotograf und Projektmanager. "Deshalb haben wir mal wieder ein Projekt in Europa gemacht, das sich schneller realisieren ließ."

Enthüllen durch Verbergen

Christo hat als Vertreter der sogenannten "Land Art" gemeinsam mit seiner 2009 verstorbenen Frau Jeanne-Claude viele spektakuläre Verhüllungs- und Gestaltungsaktionen von Gebäuden, Parks und ganzen Landstrichen in Angriff genommen. In den 60er Jahren, einer Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs, hatte "Land Art" eine politische Dimension. Der geografische Raum wurde in ein Kunstwerk verwandelt, das man nicht besitzen konnte. Ein Protest gegen das Besitzbürgertum.

"The Umbrellas", eins der spektakulärsten Kunstprojekte von Christo und Jeanne-ClaudeBild: Getty Images/Gamma-Rapho/K. Kaku

Diese Idee der freien Kunst schwingt auch heute noch in Christos Werken mit. Immer wieder betont er, dass er in den 60er Jahren aus einem kommunistischen Land geflohen sei und deshalb jede Art der Vereinnahmung seiner Kunst ablehne. Überhaupt ist Freiheit ein zentraler Begriff für den einstigen Flüchtling aus Bulgarien. Um von privaten und öffentlichen Geldern unabhängig zu sein, verkauft er Skizzen seiner Werke und kleinere Objekte. So konnte er auch die 13 Millionen Euro für sein Projekt "The Floating Piers" finanzieren.

Christos Kunstwerke in der freien Natur sind öffentlich und für alle kostenfrei zugänglich. Sie sind allerdings meist nur für kurze Zeit zu sehen. Auch die mit Stoff überzogenen schwimmenden Pontons, "The Floating Piers", werden nach 16 Tagen, am 3. Juli, wieder entfernt. "Dass die Kunstwerke verschwinden ist ein Teil des ästhetischen Konzeptes. Dadurch sind sie tief verwurzelt mit der Freiheit, denn die Freiheit ist Feind des Besitzes und Besitz ist gleichbedeutend mit Dauerhaftigkeit", erklärte Christo einmal seine Kunst.

Auch die "Floating Piers" sind ein Kunstwerk auf ZeitBild: picture-alliance/AP Photo/L. Bruno

Die Neugierde des Betrachters wecken

Das Einwickeln, Verhüllen und Verkleiden von Gegenständen wie Dosen, Flaschen, oder Kisten war schon früh Christos Markenzeichen. Als Verpackungskünstler will er trotzdem nicht bezeichnet werden. Die Deutung seiner Kunst hat er dabei gerne anderen überlassen. Er wollte die Neugierde des Betrachters wecken und hat deshalb die Dinge nie bis zur Unkenntlichkeit verpackt. Jeder sollte die Dinge mit seinen eigenen Augen sehen. Christos Biograph David Bourdon spricht vom "Enthüllen durch Verbergen".

Der gebürtige Bulgare Christo Vladimiroff Javacheff hat in den fünfziger Jahren Malerei, Bildhauerei und Architektur in Sofia studiert. 1956 floh er über die tschechoslowakische Grenze. In Paris fand er Anfang der 60er Jahre Anschluss an die französische Künstlergruppe der "Nouveaux Réalistes", der neuen Realisten. Auch sie wollten die Wirklichkeit mit anderen Augen sehen und die Gesellschaft aufrütteln. Das taten die Künstler, indem sie mit neuen Techniken und Materialien Objekte aus der Realität in die Kunst integrierten und verfremdeten. Nebenbei verdiente sich Christo Geld als Porträtmaler und lernte so seine spätere Frau Jeanne-Claude kennen. Zufällig war sie am gleichen Tag wie er geboren, am 13. Juni 1935.

Christo und Jeanne Claude stellen 1998 ihr Projekt "Umbrellas" vorBild: picture-alliance/dpa/J. Schmitt

Christo & Jeanne-Claude

Christos künstlerische Begabung ergänzte Jeanne-Claude durch ihr Organisationstalent. Gemeinsam planten sie groß angelegte Projekte wie etwa 1969 die Verhüllung eines Teils der Küste von Australien oder den überdimensionalen Vorhang durch ein Tal in Colorado "Valley Curtain" Anfang der 70er Jahre. Spektakulär auch in den 90ern: die 3000 blauen und gelben Sonnenschirme "The Umbrellas" in Kalifornien und Japan oder die Verhüllung des Berliner Reichstages.

Mit der wachsenden Größe der Projekte wurde die 'Arbeitsfamilie' anders, sagt Wolfgang Volz. "Es wurden Ingenieure, professionelle Kletterer und andere Spezialisten benötigt." Bereits bei der Reichstagsverhüllung arbeitete Volz nicht nur als Exklusiv-Fotograf für Christo und Jeanne-Claude, sondern auch als Projektleiter. Rund 100.000 Quadratmeter feuerfester Kunststoff wurden an den Fassaden des Reichstags heruntergelassen. Fünf Millionen Menschen besuchten in zwei Wochen das Spektakel, befühlten und bestaunten den silbrig glitzernden Stoff und tanzten auf der Wiese vor dem Reichstag. "Fünf Millionen Besucher in zwei Wochen, das war Weltrekord für ein kulturelles Ereignis in so kurzer Zeit", sagte Volz. Der Andrang bei "The Floating Piers" wird wohl nicht ganz so groß, aber auch in Italien werden immerhin 800.000 Besucher erwartet.

Fünf Millionen Menschen besuchten Christos verhüllten ReichstagBild: picture-alliance/AP Photo

"The Mastaba": ein Denkmal für die Ewigkeit

Seit Jeanne-Claude 2009 verstorben ist, unterstützen Wolfgang Volz und Christos Neffe, der Filmemacher Vladimir Yavachev, den Künstler. Auch bei seinem wohl größten und längsten Vorhaben "The Mastaba". Geplant ist in der Wüste Abu Dhabis eine bunte Pyramide ohne Spitze aus 410.000 Ölfässern, die die Form einer alten ägyptischen Grabstätte hat.

Die Ölfässer tauchen früh in Christos Biografie auf - verhüllt oder gestapelt. So versperrte er 1962 mit einer Mauer aus 441 Ölfässern die Pariser Rue Visconti, um seinen Protest gegen das DDR-Regime und den Bau der Berliner Mauer auszudrücken. Damals waren die Ölfässer alt und schäbig. Heute glänzen sie neu und farbenfroh.

So soll "The Mastaba" auch in Abu Dhabi aussehenBild: 1979 Christo/Photo: Wolfgang Volz

1000 von ihnen stehen derzeit als Pyramide im Innenhof der Fondation Maeght im südfranzösichen Saint-Paul-de-Vence in der Nähe von Nizza. Sie lassen erahnen, was sich Christo 1979 vorstellte, als er sein Projekt für Abu Dhabi entwarf. Dort soll die "Mastaba" 150 Meter hoch und 300 Meter lang werden. Die Pyramide, die noch bis zum 27. November in Saint-Paul-de-Vence zu sehen sind, soll laut Christo den Raum sprengen und eine Treppe gen Himmel sein. Ließe sich die geplante "Mastaba" in Abu Dhabi realisieren, so wäre es das erste permanente Großprojekt von Christo und damit in gewisser Weise ein Denkmal für den 81-Jährigen.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen
Den nächsten Abschnitt Top-Thema überspringen

Top-Thema

Den nächsten Abschnitt Weitere Themen überspringen