Chronik eines Niedergangs
26. März 2014Ob es eine freiwillige Entscheidung war oder ihm der Rücktritt nahe gelegt wurde, ist unklar. Seit Monaten steht Tebartz-van Elst wegen verschwenderischen Amtsgebarens in der Kritik.
Womit erregte Tebartz-van Elst die Gemüter?
Schon Anfang 2012 geriet der Limburger Bischof mit einem Flug nach Indien in die Schlagzeilen: Er sei zur Unterstützung sozialer Projekte nach Bangalore gereist, sagte er nach seiner Rückkehr, um Kindern zu helfen, "die in Steinbrüchen tätig sind". Ein edles Motiv, doch das Nachrichtenmagazin SPIEGEL fand wenig später ein pikantes Detail heraus: Tebartz-van Elst war erster Klasse geflogen - "First Class in die Slums", wie der SPIEGEL titelte - eine Reise im Wert von 7000 Euro, die zum Teil durch die Einlösung von Bonusmeilen und Zuzahlung aus der Privatschatulle des Bischofs bestritten wurde.
Im Sommer 2013 sickerten dann Einzelheiten über den Neubau des Bischofssitzes in Limburg durch: Statt der ursprünglich veranschlagten 5,5 Millionen Euro standen plötzlich Kosten in Höhe von knapp 10 Millionen Euro im Raum. Mehrere deutsche Medien bohrten nach - und kamen zu dem Schluss, dass die Kosten noch viel höher liegen müssen.
Die auflagenstärkste Boulevard-Zeitung BILD enthüllte eine Preisliste von Sonderwünschen des "Protz-Bischofs", wie sie ihn nannte: 15.000 Euro für eine frei stehende Badewanne, 100.000 für einen hängenden Adventskranz, 450.000 für Kunstwerke, knapp 800.000 für einen Garten und 2,3 Millionen für einen Lichthof… Einiges davon hatte Tebartz-van Elst erst spät in Auftrag gegeben, so dass bereits fertig gestellte Decken und Böden wieder aufgerissen werden mussten. Mittlerweile hat das Bistum die Ausgaben für den Bischofssitz mit 31 Millionen Euro beziffert - was, so wird spekuliert, auch noch nicht alle Kosten einschließt.
Wie reagierte Tebartz-van Elst auf die Vorwürfe?
Gegen den SPIEGEL ging der Bischof wegen des Berichts über die Indien-Reise juristisch vor, behauptete gar, Business Class geflogen zu sein, was er später zurücknehmen musste. Die Staatsanwaltschaft Hamburg beantragte einen Strafbefehl gegen ihn wegen falscher eidesstattlicher Versicherung. Wenige Wochen später wurde das Verfahren gegen Zahlung von 20.000 Euro eingestellt.
Zur Kostenexplosion beim Neubau des Bischofssitzes hat sich der Bischof bisher nicht konkret geäußert. Er wandte sich lediglich in einem vage formulierten Brief an die Gemeinden seines Bistums: Einige seiner Entscheidungen sehe er nun "mitunter in einem anderen Licht", heißt es da. "Rückblickend gibt es Dinge, die ich anders angehen würde."
Wie reagierten die Gläubigen?
Nach den Medienberichten über die Kostenexplosion beim Neubau des Bischofssitzes schlossen sich führende Katholiken des Bistums im August 2013 in Frankfurt zusammen. Ihr offener Brief wurde im Frankfurter Dom verlesen - unter großem Beifall. "Die Bistumsleitung muss umgehend einen anderen Weg einschlagen", hieß es da. Die Zuspitzung der Vertrauenskrise im Bistum sehe man "mit großer Sorge", es sei Zeit, "Fehlentwicklungen zu benennen und auf Änderung hinzuwirken".
Je mehr Details bekannt wurden, desto mehr Gläubige traten aus der Kirche aus. Immer lauter hörte man auch offene Rücktrittsforderungen, zum Beispiel von der größten Laienorganisation, dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Dessen Präsident Alois Glück brachte es auf den Punkt: "Viele in der Kirche erwarten einen Rückzug."
Und auch die katholischen Hilfswerke spürten den Ärger der Gläubigen: Der Dachverband Caritas beklagte, zahlreiche Spender hätten angkündigt, künftig kein Geld mehr zu geben, und begründeten das mit dem verschwenderischen Finanzgebaren des Limburger Bischofs.
Wie verhielt sich die katholische Amtskirche?
Der Vatikan schaltete sich Mitte September 2013 ein: Papst Franziskus entsandte Kardinal Giovanni Lajolo nach Limburg, der sich eine Woche lang ein Bild der Situation machen konnte. Tebartz-van Elst stimmte einer Prüfung der Baukosten zu.
Die deutschen Bischöfe stärkten ihrem Limburger Kollegen lange Zeit den Rücken. Als der öffentliche Druck größer wurde, berief die Deutsche Bischofskonferenz eine Kommission zur Überprüfung der Baukosten ein. Und es mehrten sich kritische Stimmen: Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, sprach von einem "gewaltigen Glaubwürdigkeitsproblem", die gesamte Katholische Kirche in Deutschland trage den Schaden. Auch andere Bischöfe zogen nach. Am deutlichsten wurde der Trierer Bischof Stephan Ackermann: Die Situation sei so eskaliert, dass man sagen müsse, Tebartz-van Elst könne in Limburg nicht mehr arbeiten.
Vor sechs Monaten entschied Papst Franziskus, Tebartz-van Elst solle "eine Zeit außerhalb der Diözese" verbringen, weil er "seinen bischöflichen Dienst zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ausüben" könne. Danach wohnte Tebartz-van Elst lange im Kloster Metten in Süddeutschland. Sein jetziger Aufenthaltsort ist unbekannt.