ChurchNight statt Halloween
31. Oktober 2014Die Bindung der Deutschen zu ihren Kirchen lässt nach, das bestätigen Jahr für Jahr die Austrittszahlen. Bis in die 1960er Jahre waren Gottesdienste eher gut besuchte Veranstaltungen. Eine christliche Ethik prägte deutlich spürbar das gesellschaftliche Leben in Deutschland und spielte im Alltag der Menschen eine ungleich größere Rolle als heute.
In dem Maße, wie dies alles im Kontext eines gesellschaftlichen Wandels verblasste, nahm bei den Menschen auch das Bewusstsein für die christlich-religiösen Feste ab – auch für die historischen Daten, wie den evangelischen Reformationstag. Dass Martin Luther am 31. Oktober 1517 mit der Veröffentlichung seiner 95 Thesen zur Erneuerung der katholischen Kirche Geschichte schrieb, aus der dann aber die evangelische entstand, war Allgemeinwissen: Bei Protestanten, weil sie diesen Tag als Geburtstag ihrer Kirche feierten. Bei Katholiken, weil sie sich auch nach Jahrhunderten noch über diese Kirchenspaltung ärgerten, bei Nicht-Gläubigen, weil dieser Tag eine wichtige Weichenstellung für die Entwicklung des Landes vom Mittelalter zur Neuzeit markierte, die alle wichtigen Bereiche umfasste.
Wer heute fragt, was am 31. Oktober gefeiert wird, darf sich nicht wundern, wenn er zur Antwort bekommt: Halloween. Das Fest der evangelischen Kirchengründung scheint dagegen mehr und mehr eine Veranstaltung christlicher Insider zu werden. Der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, findet es angesichts von Halloween "schade, dass eine so wichtige kulturelle Tradition wie der Reformationstag dabei so in den Hintergrund tritt".
Zündende Idee
Im Jahr 2006 beschloss das Evangelische Jugendwerk in Württemberg (EJW), daran etwas zu ändern. Der mit der Jugendarbeit beauftragte Verband der württembergischen Landeskirche hatte die Idee, das Reformationsfest zu entstauben und die christliche Botschaft neu und frisch zu erklären. ChurchNight nannte das EJW dieses Projekt. Die Zielgruppe: vor allem Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene. In den acht Jahren seit Beginn habe es sich zu einer bundesweit flächendeckenden Bewegung entwickelt, erzählt Franziska Töpler. Die Projektreferentin von ChurchNight in Stuttgart koordiniert die Initiative innerhalb eines Teams. Aktuell seien 200 Veranstaltungen dort gemeldet. Weitere 600 werden in Eigenregie von Kirchengemeinden, Jugendgruppen, Verbänden oder evangelischen Schulen durchgeführt, so die Schätzung des EJW. Unter dem Strich mache das rund 100.000 Teilnehmer, so Töpler gegenüber der DW. "Wir, die Geschäftsstelle für ChurchNight, sehen uns im Prinzip als Berater und Ideengeber. Wir entwickeln die jeweiligen Themen, stellen die Materialien und Logos zur Verfügung und sind Ansprechpartner für die kleinen und großen Fragen zur ChurchNight."
Kreativität gefragt
Wie die Umsetzung einer ChurchNight in der Praxis geschieht, bleibt der Kreativität eines jeden Veranstalters überlassen. Konzertnächte, Kirchenkino mit anschließendem Publikums-Austausch, öffentliche Thesenanschläge, interaktive Predigten, Fackelumzüge und abendliche Mittelalter-Märkte für die ganze Familie sollen Aspekte dessen ins Bewusstsein rufen, worum es Martin Luther vor fast 500 Jahren ging. Seine reformatorischen Kernerkenntnisse hat er sinngemäß so formuliert: Ein Mensch, der an Gott glaubt, wird allein durch dessen Gnade errettet, nicht durch eigenes Zutun. Und nur durch den Glauben wird der Mensch vor Gott gerecht. Außerdem, so Luther, soll einzig und allein die Bibel Grundlage des Glaubens sein. Kirchliche Traditionen dürften dabei keine Rolle spielen. Und schließlich betont er, dass allein Jeus Christus sowie das, was er tat und lehrte, die Grundlage für den Glauben und die Errettung des Menschen sein kann.
Das gelte es den Menschen auch heute, 500 Jahre später, zu vermitteln, sagt Franziska Töpler. "Eine ChurchNight muss keinen Gottesdienst beinhalten, aber einen christlichen Impuls wünschen wir uns schon."
Premiere in Bonn
Den will auch der Christliche Verein Junger Menschen (CVJM) in Bonn geben, der die ChurchNight am Reformationstag 2014 zum ersten Mal anbietet - und zwar für Kinder von sechs bis 13 Jahren. Im Stadtteil Duisdorf besteht bereits seit einiger Zeit eine so genannte "Offene-Tür-Arbeit" für diese Altersgruppe. "Die meisten Kinder, die zu uns kommen, haben keinen christlichen Background, viele haben einen Migrationshintergrund", erzählt Anke Malzahn. "Einmal ist es uns wichtig, dass die Kinder merken, dass sie bei uns willkommen sind und so angenommen werden, wie sie sind." Die Altenpflegerin ist eine von knapp 30 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die geben sich alle Mühe, um die Nacht, die hier von 17.30 - 20.30 Uhr dauert, interessant zu gestalten. Dazu gehören ein Lagerfeuer mit großem Zelt im Garten des CVJM-Hauses, eine Vorlese-Ecke, Bastel-Angebote und Snacks.
Den geistlichen Impuls möchten die CVJM-Mitarbeiter in einem Gebetsraum mit unterschiedlichen Stationen vermitteln, so Anke Malzahn im DW-Gespräch: "Wir wollen den Kindern verdeutlichen, dass Gott sich für jeden interessiert, dass man mit Gott reden kann, dass er zuhört und dass sie wirklich von Gott geliebt werden und angenommen sind. Da wird Musik eingespielt, außerdem haben wir auch so ein kleines Büchlein 'Wie Martin Luther auf den Reformationstag kam'. Darin werden, für Kinder verständlich, die Zusammenhänge erklärt." Mit 30 bis 40 jungen Besuchern rechnen Anke Malzahn und das übrige CVJM-Team. Sie hoffen darauf, dass vielleicht noch einige Kinder reinschauen, die wegen Halloween unterwegs sind.
Kontrapunkt zu Halloween setzen
Apropos Halloween: Seit den 1990er Jahren läuft das ursprünglich aus dem katholischen Irland stammende Brauchtum dem Reformationsfest zunehmend den Rang ab. Dem Grusel-Fest, das über den Umweg USA hierzulande importiert wurde, liegt zum Teil ein keltisch-heidnischer Totenkult zugrunde.
Das EJW will mit der ChurchNight keine Kampfansage an Halloween machen. "Der Begriff Kontrapunkt trifft es sehr gut", betont Franziska Tölker, "denn wir wollen den 31. Oktober bewusst ganz anders füllen und gestalten als Halloween das will. Uns ist es einfach wichtig, den historischen und christlichen Aspekt dieses Tages wieder neu ins Bewusstsein zu rücken." Und Anke Malzahn sagt selbstbewusst: "Wir beweisen mit der ChurchNight, dass der christliche Glaube sehr lebendig ist."