1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Folter-Erfinder angeklagt

28. Juli 2017

15 Jahre, nachdem sie für die CIA Foltermethoden entwickelten, müssen sich zwei Psychologen in den USA erstmals dafür vor Gericht verantworten. Haben sie Kriegsverbrechen begangen oder nur ihre Pflicht erfüllt?

Symbolbild Folter
Bild: picture-alliance/ZUMA Wire/L. Palu

Sieben Monate nach den Anschlägen vom 11. September 2001 setzen sich die Militärpsychologen James Mitchell und John Jessen an den Schreibtisch und tippen für den Auslandsgeheimdienst CIA eine Liste ab. Es ist eine Liste mit zwölf Punkten, jeder von ihnen eine, wie es in Fachkreisen heißt, "erweiterte Befragungsmethode", zum Beispiel das berüchtigte Waterboarding oder das Einsperren in eine sargähnliche Kiste. Elf dieser Vorschläge werden zum Standardrepertoire, das die CIA in den folgenden Jahren bei Verhören von Terrorverdächtigen einsetzt.

15 Jahre später müssen sich Mitchell und Jessen dafür vor Gericht verantworten. Die Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU) hat sie im Namen der ehemaligen Gefangenen Suleiman Abdullah Salim und Mohamed Ben Soud verklagt, so wie im Namen der Familie von Gul Rahman, der an Unterkühlung in einem CIA-Gefängnis starb.

Ein einzigartiger Prozess

Zwar hat der offizielle Prozess gegen die in den Medien so betitelten "Architekten des CIA-Folterprogramms" noch nicht begonnen. Ob es Anfang September wirklich dazu kommt, entscheidet sich vermutlich an diesem Freitag, wenn eine der letzten Voranhörungen für den Fall stattfindet. Im DW-Interview erklärt ACLU-Anwalt Dror Ladin, was den Fall trotzdem bereits jetzt so einzigartig macht: "Noch nie zuvor sind CIA-Folteropfer mit einer Anklage so weit gekommen. Noch nie zuvor mussten die Verantwortlichen unter Eid Rechenschaft ablegen."

In seinem Buch widerspricht Mitchell dem Folterreport des US-Senats.Bild: picture alliance/ZUMAPRESS.com/H. Altman

Die ACLU verklagt Mitchell und Jessen nicht allein dafür, dass sie sich die Foltermethoden ausgedacht haben. Vielmehr waren beide die gesamten sieben Jahre, in denen die CIA Terrorverdächtige in geheimen Gefängnissen auf der ganzen Welt folterte, weiterhin für den amerikanischen Geheimdienst aktiv. Sie beaufsichtigten die Durchführung der Methoden und befragten wichtige Gefangene wie Chalid Scheich Mohammed, einen der mutmaßlichen Chefplaner des 11. Septembers, sogar selbst.

Beihilfe zu Kriegsverbrechen?

Die Militärpsychologen argumentieren, dass sie nur gemäß ihrer Verträge mit der CIA gehandelt haben und deshalb nicht verantwortlich gemacht werden können. Sie seien Soldaten gewesen, die Anweisungen befolgt hätten, so Jessen bei einer Voranhörung Anfang des Jahres.

Doch ACLU-Anwalt Ladin will dieses Argument nicht gelten lassen: "So, wie auch die, die im Zweiten Weltkrieg Giftgas an die Nazis geliefert haben, für schuldig befunden wurden, haben auch Mitchell und Jessen Kriegsverbrechen begangen. Und sie haben viel Geld damit verdient, Menschen zu quälen."

Mit Folter zum Multimillionär

81 Millionen US-Dollar haben Mitchell und Jessen insgesamt für ihre Dienste erhalten. Das geht aus dem Folterreport des Senats hervor, der 2014 erstmals die Öffentlichkeit umfassend über das Ausmaß der CIA-Praktiken informierte und für einen Skandal sorgte.

Angesichts dieser Summe erscheinen Ladin einige Aussagen der Psychologen vor Gericht umso kurioser. Beide behaupten, dass sie eigentlich aufhören wollten, aber unter Druck gesetzt wurden, weiterhin am Programm mitzuwirken. "Sie sagten, dass wir Waschlappen sind", so Mitchell, "Wenn wir aufhörten und dann ein weiterer Anschlag in den USA passieren würde, würde das Blut unschuldiger Zivilisten an unseren Händen kleben."

Doch hätten Mitchell und Jessen wirklich gewollt, hätten sie jederzeit aussteigen können. "Man darf nicht vergessen, dass alle anderen verbeamtete Regierungsangestellte waren. Mitchell und Jessen waren die einzigen privaten Auftragnehmer, an die derlei Aufgaben outgesourct wurden. Sie machten freiwillig mit und verdienten gut. Auch wenn noch viele andere Menschen zur Rechenschaft gezogen werden müssen, tragen diese beiden eine besondere Verantwortung", so Ladin.

Dror Ladin arbeitet seit knapp sechs Jahren als Anwalt für ACLU.Bild: ACLU/M. Kaplan

"Wenn es schmerzhaft ist, wurde es falsch durchgeführt"

Seine Mandanten Suleiman Salim und Mohamed Ben Soud sind nicht persönlich von Mitchell und Jessen verhört worden. Doch einige ihrer Techniken wurden an ihren angewandt. Zum Beispiel das stundenlange Verharren in unangenehmen Positionen oder "Walling", bei dem der Vernehmer den Häftling gegen die Wand schleudert.  Mitchell behauptet von dieser Methode: "Es ist nicht schmerzhaft, man dreht sich eben ziemlich. Wenn es schmerzhaft ist, wurde es falsch durchgeführt."

Im Fall des 2002 verstorbenen Gul Rahmans waren Mitchell und Jessen bis einige Tage vor dessen Tod in dem Geheimgefängnis anwesend, in dem er einsaß. Aus dem Senatsreport geht hervor, einer von beiden habe empfohlen, "erweiterte Methoden" an dem Afghanen anzuwenden. ACLU-Anwalt Ladin sagt: "John Jessen riet, dem Gefangenen kein Essen zu geben und nicht schlafen zu lassen, und verhörte ihn auch selbst."

"Sie wollen vor allem Gerechtigkeit"

Dagegen schreibt Mitchell in seinem 2016 veröffentlichten Buch "Enhanced Interrogation: Inside the Minds of Islamic Terrorists Trying to Destroy America", er und sein Kollege hätten vor ihrer Abreise noch Bedenken wegen Rahmans Gesundheitszustand geäußert.

Salim, Ben Soud und die Familie Rahmans wollen Entschädigungen, auch um psychologische Behandlungen zahlen zu können, und um nach jahrelanger unbegründeter Haft und Misshandlungen in ein normales Leben zurückzukehren, so Ladin. Vor allem aber wollen sie die Anerkennung, dass ihnen Unrecht angetan wurde. Und, dass so etwas in Zukunft nie wieder passieren kann.

 

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen