Er schuf Lippenstifte groß wie Bäume und Hamburger aus Stoff: Claes Oldenburg war einer der bedeutendsten Objekt- und Pop-Art-Künstler der Geschichte. Nun ist er im Alter von 93 Jahren gestorben.
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Kunstkippen und Riesen-Cheeseburger: Claes Oldenburgs Welt der Objekte
Jeder kennt sie, die Zahnbürsten, Eiswaffeln und Spitzhacken: Die riesigen Skulpturen von Claes Oldenburg bevölkern die Innenstädte. Nun ist er mit 93 Jahren gestorben.
Bild: Karl-Heinz Hick/picture alliance
Ankunft in New York
Im Alter von 27 Jahren zog Claes Oldenburg von Chicago in die Kunstmetropole New York. Damals war der Abstrakte Expressionismus die vorherrschende Kunstrichtung. Oldenburg und andere Künstler der Zeit setzten der Abstraktion ihre konkrete Alltagskunst entgegen: Gegenstände des täglichen Lebens beherrschten ihren Kosmos.
Bild: Richard Cummins/picture alliance
Erste Ausstellungen
1956 hatte Oldenburg kaum Geld. Er zog deshalb an die Lower East Side und machte Kunst aus allem, was er umsonst auf der Straße fand: Pappe, Schutt, Jute. "The Street", die Straße, ist eine begehbare Installation, die bereits viele Insignien der Oldenburg-Kunst in sich vereint.
Bild: Yoan Valat/dpa/picture alliance
Aufstieg zum Pop-Art-Künstler
Am 1. Dezember 1961 eröffnete Oldenburg in seinem Haus ein kleines Museum mit 60 Exponaten. Das Museum of Modern Art wurde auf ihn aufmerksam. 1962 entstanden die ersten Leinwandstücke: Floor Cake, Floor Burger, Floor Cone. Die erste Pop-Art-Ausstellung folgte. Viele seiner Objekte wirken wie eine Parodie: Sie sind nicht glatt und schön, sondern rau und unfertig.
Bild: Alfredo Aldai/EFE/dpa/picture alliance
Erforschung des Zuhauses der Middle Class
"The Home" hieß Oldenburgs neues Thema. Los Angeles war ein Eldorado für Möbel und Einrichtungen. Die Menschen der Upper und Middle Class befanden sich im Auto oder zu Hause. Also nahm er sich das Wohnen vor. Er schuf ein Bedroom Ensemble, danach kam das Badezimmer. Und er schuf weiche Skulpturen wie dieses Kuchenstück.
Bild: picture-alliance/dpa/H. Kaiser
Verfremdung unseres Alltags
Seine Skulpturen hatten verschiedene Aggregatzustände: Die Giant Version, die sich durch ein Aufblähen ins Gigantische erkennen lässt, die Soft Version, bestehend aus schlaffen Lichtschaltern, oder auch die Hard Version. Viele seiner Skulpturen gibt es in allen Versionen.
Alle Kunstwerke vereint die Erforschung der Form von Dingen, die den Alltag prägen: Das kann eine Wäscheklammer sein, aber auch ein Lichtschalter, eine Steckdose oder eine Eiswaffel.
Bild: Horst Galuschka/dpa/picture alliance
Skulpturen im XXL-Format
Möglichst unübersehbar sollten seine Skulpturen sein - und ein ironischer Kommentar zur jeweiligen Umgebung: So versperren am Aasee in Münster noch heute gigantische Billardkugeln den Spaziergängern den Weg - Überreste der Freiluftausstellung SkulpturProjekte Münster von 1977.
Bild: picture-alliance/dpa/H. Ossinger
Auf den Ort zugeschnitten
Die Spitzhacke an der Fulda in Kassel misst zwölf Meter und wirkt, als hätte Herkules persönlich sie in die Erde gerammt. Der Künstler schuf sie 1982 für die documenta 7. Die Spitzhacke steht auf einer Achse mit der Wilhelmshöhe, von wo aus eine monumentale Skulptur des - für seine Stärke berühmten griechischen Gottes - nachdenklich auf die Stadt blickt. Als Triumph der Kunst über die Natur.
Bild: picture-alliance/dpa/U. Zucchi
8 Bilder1 | 8
Mit Claes Oldenburg ist einer der ersten Künstler der Pop Art gestorben. Um ihn zu kennen, mussten die Menschen nicht einmal einen Fuß in ein Museum setzen: Viele seiner Monumental-Skulpturen schuf er inmitten von Städten - in den Fußgängerzonen, auf Einkaufszentren oder öffentlichen Plätzen. Gut sichtbar sollten sie sein: Die Spitzhacke an der Fulda in Kassel misst 12 Meter und wirkt, als hätte Herkules persönlich sie in die Erde gerammt. Claes Oldenburg schuf sie 1982 für die documenta 7. In Münster versperren gigantische Billardkugeln am Aasee den Spaziergängern den Weg, Überreste der Freiluftausstellung Skulptur-Projekte von 1977. Eine Wäscheklammer ragt 30 Meter hoch in den Himmel zwischen den Hochhäusern von Philadelphia.
Kunstkippen und Riesen-Cheeseburger: Claes Oldenburgs Welt der Objekte
Jeder kennt sie, die Zahnbürsten, Eiswaffeln und Spitzhacken: Die riesigen Skulpturen von Claes Oldenburg bevölkern die Innenstädte. Nun ist er mit 93 Jahren gestorben.
Bild: Karl-Heinz Hick/picture alliance
Ankunft in New York
Im Alter von 27 Jahren zog Claes Oldenburg von Chicago in die Kunstmetropole New York. Damals war der Abstrakte Expressionismus die vorherrschende Kunstrichtung. Oldenburg und andere Künstler der Zeit setzten der Abstraktion ihre konkrete Alltagskunst entgegen: Gegenstände des täglichen Lebens beherrschten ihren Kosmos.
Bild: Richard Cummins/picture alliance
Erste Ausstellungen
1956 hatte Oldenburg kaum Geld. Er zog deshalb an die Lower East Side und machte Kunst aus allem, was er umsonst auf der Straße fand: Pappe, Schutt, Jute. "The Street", die Straße, ist eine begehbare Installation, die bereits viele Insignien der Oldenburg-Kunst in sich vereint.
Bild: Yoan Valat/dpa/picture alliance
Aufstieg zum Pop-Art-Künstler
Am 1. Dezember 1961 eröffnete Oldenburg in seinem Haus ein kleines Museum mit 60 Exponaten. Das Museum of Modern Art wurde auf ihn aufmerksam. 1962 entstanden die ersten Leinwandstücke: Floor Cake, Floor Burger, Floor Cone. Die erste Pop-Art-Ausstellung folgte. Viele seiner Objekte wirken wie eine Parodie: Sie sind nicht glatt und schön, sondern rau und unfertig.
Bild: Alfredo Aldai/EFE/dpa/picture alliance
Erforschung des Zuhauses der Middle Class
"The Home" hieß Oldenburgs neues Thema. Los Angeles war ein Eldorado für Möbel und Einrichtungen. Die Menschen der Upper und Middle Class befanden sich im Auto oder zu Hause. Also nahm er sich das Wohnen vor. Er schuf ein Bedroom Ensemble, danach kam das Badezimmer. Und er schuf weiche Skulpturen wie dieses Kuchenstück.
Bild: picture-alliance/dpa/H. Kaiser
Verfremdung unseres Alltags
Seine Skulpturen hatten verschiedene Aggregatzustände: Die Giant Version, die sich durch ein Aufblähen ins Gigantische erkennen lässt, die Soft Version, bestehend aus schlaffen Lichtschaltern, oder auch die Hard Version. Viele seiner Skulpturen gibt es in allen Versionen.
Alle Kunstwerke vereint die Erforschung der Form von Dingen, die den Alltag prägen: Das kann eine Wäscheklammer sein, aber auch ein Lichtschalter, eine Steckdose oder eine Eiswaffel.
Bild: Horst Galuschka/dpa/picture alliance
Skulpturen im XXL-Format
Möglichst unübersehbar sollten seine Skulpturen sein - und ein ironischer Kommentar zur jeweiligen Umgebung: So versperren am Aasee in Münster noch heute gigantische Billardkugeln den Spaziergängern den Weg - Überreste der Freiluftausstellung SkulpturProjekte Münster von 1977.
Bild: picture-alliance/dpa/H. Ossinger
Auf den Ort zugeschnitten
Die Spitzhacke an der Fulda in Kassel misst zwölf Meter und wirkt, als hätte Herkules persönlich sie in die Erde gerammt. Der Künstler schuf sie 1982 für die documenta 7. Die Spitzhacke steht auf einer Achse mit der Wilhelmshöhe, von wo aus eine monumentale Skulptur des - für seine Stärke berühmten griechischen Gottes - nachdenklich auf die Stadt blickt. Als Triumph der Kunst über die Natur.
Bild: picture-alliance/dpa/U. Zucchi
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Konsum, Popkultur und Humor waren Oldenburgs Themen
Am 28. Januar 1929 wurde Claes Thure Oldenburg als Sohn eines in den USA stationierten schwedischen Diplomaten geboren. Damit er schwedischer Staatsbürger blieb, zog die Familie vor der Geburt nach Stockholm, um danach wieder in die USA zurückzukehren. Zunächst wollte Oldenburg Schriftsteller werden, neben Kunst studierte er Englische Literatur in Chicago. 1950 fing er ein Volontariat bei einer Zeitung an, wo er sechs Monate als Polizeireporter arbeitete. Später verdiente er als Graphiker sein Geld. 1956, damals war er 27 Jahre alt, zog Oldenburg nach New York. Im Epizentrum der Kreativen standen die Zeichen auf Pop Art: Nach dem abstrakten Expressionismus eines Jackson Pollock kamen andere Agenten in die Stadt: Andy Warhol, Robert Rauschenberg - und Claes Oldenburg. Ihre Themen lauteten: Konsum, Populärkultur, Witz.
In den 60er und 70er Jahren schuf Oldenburg seine Meisterwerke
Am Anfang stand eine einfache Spielzeugpistole: die Ray Gun. 1959 begeisterte sich Claes Oldenburg für den rechten Winkel der Strahlenpistole, wie es sie in den Spielwarenläden New Yorks zuhauf gab. Für ihn wurde die Ray Gun zu einer Art Urform, aus der sich, wie er erklärte, jede weitere Form potenziell ableiten ließ. Immer wieder experimentierte Oldenburg mit ihr. Die "Empire (Papa) Ray Gun", die er in seiner ersten Ausstellung an der Lower East Side 1959 von der Decke baumeln ließ, hatte etwas von einer prähistorischen Keule.
Der Künstler weichte Zeitungspapier in Kleister auf, bastelte ein Drahtgestell und bemalte es. Später sollte er der Ray Gun ein eigenes Museum bauen: Das Ray Gun Wing Museum wurde ein Magnet der Trashkultur. Seine Inspirationen zog Oldenburg aus einem Notizbuch. "Ray Gun Theatre" war außerdem eine Serie von Happenings überschrieben. Seine Vorliebe für das Nebensächliche zeigte sich auch im Mouse-Museum, das er erstmals auf der documenta 5 in Kassel ausstellte. Eine skurrile Ansammlung von industriell gefertigten Konsumartikeln: von rostigen Nägeln, Zigarettenkippen, Zahnbürsten bis hin zu Souvenirs, die er wie Zeugnisse eines neues Zeitalters hinter einer Vitrine präsentierte.
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Alltagskultur in riesig, weich und bunt
Amerikanische Alltagskultur war das große Thema von Oldenburg. Eine Installation aus Fundstücken nannte er 1959 "The Street", die Straße. Er formte die grauen und braunen Objekte, dreckig wie die New Yorker Straßen jenseits der 5th Avenue, aus Pappe, Schutt und Jute. Er hatte kein Geld und nahm, was er umsonst kriegen konnte.
Es folgte 1961 "The Store": Oldenburg eröffnete einen kleinen Laden an der Lower East Side, verkaufte dort statt Wurst und Käse zerknautsche Torten aus Gips und Draht oder vor sich hin verwesende Sandwiches: dilettantisch angemalte Kunstwaren, die keine andere Funktion hatten, als Kunst zu sein, Wiedergänger der glänzenden Konsumwelt mit ihren industriell gefertigten Massenprodukten. Claes Oldenburg holte sie in seine Kunst und gab ihnen ihre individuelle Würde zurück, wie er es selbst ausdrückte.
Es folgten seine "Soft Objects": Lichtschalter, Telefone, Staubsauber aus Stoff, die an den Surrealismus erinnerten, Kunst als Imitat des echten Lebens. Als Oldenburg 1969 einen baumhohen Lippenstift auf einen Panzer montierte und vor die Universität in Yale schob, war das ein Protest gegen den Vietnam-Krieg.
Viele der "Giant Objects", wie er diese ins Gigantische aufgeblähten Skulpturen der 1970er-Jahre im öffentlichen Raum nannte, schuf er gemeinsam mit seiner Frau, der Künstlerin Coosje van Bruggen. 1977 heirateten die beiden und blieben bis zum Tod van Bruggens 2009 auch künstlerische Partner. So schufen sie gemeinsam die seltsame Krawatte, die in der Frankfurter Westendstraße, falsch herum, zehn Meter hoch zwischen den Bürotürmen nach oben zeigt.
Pop Art, die keine Pop Art sein wollte
Pop Art war ein Label, das nur bedingt zu Claes Oldenburg passte. Die von ihm bemalten und verfremdeten Konsumobjekte sollten keine Umarmung von Markt und Konsum sein. Der Amerikaner arbeitete an einer neuen Skulptur, die mal weich, mal riesig, mal hart war. Der Gebrauch von Alltagsobjekten diente ihm lediglich der Erforschung von Formen.
Das Sammlerehepaar Irene und Peter Ludwig erkannte schon in den 1970er-Jahren die Relevanz des Werkes und kaufte wichtige Arbeiten. Ihnen ist es zu verdanken, dass sich viele Objekte aus dem Frühwerk in Europa, viele in Köln, Wien und Budapest befinden. Zwei Werkkomplexe, nämlich das "Mouse Museum", und das "Ray Gun Wing", waren sogar für Köln geschaffen worden. Vier Mal nahm Claes Oldenburg an der documenta in Kassel teil.
Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte Oldenburg im New Yorker Stadtteil Soho. Ein Hüftbruch machte ihm zu schaffen, er trainierte am Ergometer und arbeitete weiter. Zuletzt erholte er sich nach Angaben einer Sprecherin der Pace-Galerie von einem Sturz. Am 18. Juli 2022 ist Claes Oldenburg im Alter von 93 Jahren in New York gestorben.