1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Vita - die deutsche EM-Hoffnung

Herbert Schalling
9. August 2018

Die US-Amerikanerin Marian Connelly wirft 1914 als Erste den Diskus 16,64 Meter. Heute kommen die Besten vier Mal so weit. Auch Claudine Vita, die für Deutschland an den Start geht.

Deutschland, Halle: Hallesche Werfertage 2018
Bild: picture-alliance/S. Simon

Diskus-Hoffnung Claudine Vita

01:57

This browser does not support the video element.

Ruhig liegt der Diskus in ihrer rechten Hand. Mit dem Arm holt sie Schwung. Einmal. Zweimal. Dreht sich blitzschnell im Ring, springt auf das andere Bein um. Dann der kraftvolle Abwurf. Weit fliegt die flache Diskusscheibe und schlägt erst ungefähr 60 Meter entfernt auf dem Rasen auf. Das wiederholt sich einige Male. Auf den ersten Blick ein monotones Training. Für Claudine Vita ist das kein Problem. Sie liebt das Diskuswerfen. "Mich fasziniert der komplizierte Bewegungsablauf im Ring. Viele Komponenten müssen für einen gelungenen Wurf ineinandergreifen", führt Deutschlands beste Diskuswerferin dieser Saison aus. "Es ist ein tolles Gefühl, der Scheibe hinterher zu schauen, wenn sie davon fliegt."

An diesem Vormittag ist sie mit ihrer Trainerin Astrid Kumbernuss, einst Olympiasiegerin und Weltmeisterin im Kugelstoßen, allein auf der Wurfanlage im Bundesleistungzentrum Kienbaum, östlich von Berlin. Es sind die letzten Tage vor der Europameisterschaft, die in diesem Jahr Teil der European Championships ist. Jetzt geht es darum, Stabilität in den komplizierten Bewegungsablauf zu bekommen. Und auch um Selbstbewusstsein aufzubauen, wie die Trainerin meint.

Enorme Leistungssteigerung in diesem Jahr

Mit ihren 1,79 Metern ist Claudine Vita eine großgewachsene, junge Frau. Als Diskuswerferin ist sie eher klein. Ihre Mannschaftskollegin Nadine Müller zum Beispiel misst 1,96 Meter. Die fehlenden Zentimeter sieht sie aber keinesfalls als Nachteil. "Ich habe recht lange Arme, also eine gute Hebelwirkung", erzählt sie der DW. "Außerdem bin ich als "Kleine" flinker und kann schneller drehen, als die Größeren." Ihre Leistungsentwicklung in den letzten Jahren stützt diese These.

Claudine Vita zählt zu den EM-Hoffnungen der deutschen MannschaftBild: picture-alliance/dpa/S. Hoppe

Jetzt steht die 21-Jährige aus Neubrandenburg vor ihrer ersten großen Meisterschaft im Senioren-Bereich. Das Jahr 2018 ist für Vita bisher außerordentlich gut gelaufen. Im Mai stellte sie mit 65,15 Metern eine neue persönliche Bestmarke auf. Sie verbesserte sich gegenüber dem Vorjahr um 70 Zentimeter. Beim Athletics World Cup in London gewann sie gegen internationale Konkurrenz die Goldmedaille.

Es scheint als könnte Vita an ihre erfolgreichen Jahre im Nachwuchsbereich anknüpfen. Da gewann sie die Titel bei der U-20- und U-23-EM. "Bei den Junioren war der Druck für mich nicht so enorm. Jetzt ist die Leistungsdichte viel größer", erklärte sie. "Ein Fehler und man ist schnell ganz hinten im Feld." So eine bittere Erfahrung musste sie in diesem Jahr beim Diamond-Meeting in Rom machen, wo sie bereits Im Vorkampf nach nur drei Würfen ausschied.

Vom Asylbewerberheim in die Weltspitze

Vita kann eine ungewöhnliche Lebensgeschichte erzählen. Geboren ist sie in Frankfurt an der Oder, einer Stadt an der Grenze zu Polen. Ihre Eltern waren zu Beginn der 1990er Jahre vor dem Bürgerkrieg in Angola geflohen. Sie und ihre fünf Geschwister wuchsen im Asylbewerberheim auf. Es war keine einfache Zeit. Mittlerweile ist die Integration gelungen. Die Familie wohnt in Berlin. Vitas Vater arbeitet als Mathematik-Lehrer. Alle Kinder haben das Abitur gemacht. Vier studieren inzwischen.

Vita fühlt sich in Deutschland wohlBild: Imago/A. Stanford

Die Vorwürfe des Fussballers Mesut Özil, dass es in Deutschland zunehmend eine rassistische Diskriminierung gibt, hat Vita registriert. Bestätigen kann sie das aber nicht. "Klar gab es hin und wieder schiefe Blicke wegen meiner Hautfarbe", erzählt sie mit ernstem Gesicht. "Ich habe jedoch genügend Freunde, bei denen ich mich gut aufgehoben fühle. Da spielt die Hautfarbe überhaupt keine Rolle."

Mit Hoffnungen zur EM

Auf die Europameisterschaft in Berlin freut sich Vita. Sie weiß, dass sie vom Publikum angefeuert werden wird. Die Kroatin Sandra Perkovic ist die große Favoritin. Die Ausnahmeathletin war schon Olympiasiegerin, Weltmeisterin und auch schon viermal Europameisterin. Dahinter scheint aber alles möglich zu sein. "Von Silber bis zu Platz sieben ist alles drin", sagt die junge Sportlerin. "Ich möchte vor allem die Atmosphäre genießen und eine gute Leistung abliefern. Alles weitere findet sich," sagt sie und geht wieder in den Wurfring, um den nächsten Diskus zu werfen.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen
Den nächsten Abschnitt Top-Thema überspringen

Top-Thema

Den nächsten Abschnitt Weitere Themen überspringen