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Zollunion als Mittel gegen harten Brexit

28. März 2019

Ifo-Chef Clemens Fuest plädiert im DW-Interview für eine Zollvereinigung und einen Brexit-Aufschub um zwei Jahre. Genug Zeit, um sich über das dauerhafte Verhältnis zwischen Briten und EU zu einigen.

Clemens Fuest Direktor Institut für Wirtschaftsforschung ifo
Bild: picture-alliance/dpa/S. Stache

DW: Herr Fuest Sie haben eine Verschiebung des Brexit um zwei Jahre vorgeschlagen. Das Zauberwort lautet dabei Zoll-Vereinigung. Wie sollen wir uns das vorstellen?

Clemens Fuest: Es geht um die Frage, wie die langfristigen Wirtschaftsbeziehungen zu Großbritannien sind. Wir wollen ja weiter diesen intensiven Handel, den wir heute haben, auch für die Zukunft erhalten. Und da ist die Idee, letztlich eine Zollunion zu haben. Das würde dann Zollkontrollen im Wesentlichen überflüssig machen.

Das große Hindernis für die Zollunion heute ist, dass die Briten bei Abkommen mit Drittstaaten außen vor bleiben. Dass, wenn Europa zum Beispiel mit den USA ein Freihandelsabkommen abschließen würde, die Briten nicht mit am Tisch sitzen. Deshalb mögen die Briten die Zollunion nicht.

Der Vorschlag wäre also, dass man eine Regelung findet, bei der die Briten mit am Tisch sitzen. Das heißt, die EU würde gemeinsam mit den Briten Handelsabkommen mit Drittstaaten aushandeln und wir hätten die Chance, den Handel in Europa aufrecht zu erhalten.

Das würde aber bedeuten, dass es neue Stimmrechtsverhältnisse gibt…

Das würde bedeuten, dass es ein Mitspracherecht der Briten gibt. Das ist klar, sonst brauchen sie ja nicht mit am Tisch zu sitzen. Das ist aber bei Handelsabkommen mit Drittstaaten kein großes Problem. Die Briten setzen sich ja sehr für Freihandel ein. Und es ist nur gut, wenn die EU ein bisschen in diese Richtung gedrängt wird und ein bisschen davon abgebracht wird, allzu protektionistisch zu werden.

Damit würde das Problem des Backstop mit Nordirland elegant gelöst. Aber können Sie sich vorstellen, dass die harten Brexiteers in Großbritannien sich darauf einlassen?

Es müssen sich beide Seiten bewegen das ist richtig. Und die harten Brexiteers wollen ja, dass Großbritannien allein über seine Außenhandelspolitik entscheidet. Deshalb gefällt Ihnen die Zollunion nicht. Es ist nicht nur, dass die Briten da nicht mit am Tisch sitzen. Es müssten sich schon beide Seiten bewegen.

Gleichzeitig wird doch deutlich, dass es für Großbritannien wenig zu gewinnen gibt, allein Handelsabkommen mit Dritten anzustreben. Das sind letztlich Illusionen. Aber weil das umstritten in Großbritannien ist, wäre eine längere Frist gut. Eine längere Frist des Nachdenkens darüber, ob der Brexit überhaupt so eine tolle Idee ist und, wenn man ihn denn möchte, ob man dann nicht eine Zollunion erreichen kann, an der sich wirklich alle beteiligen können.

Wie sah denn bislang die Resonanz aus, wenn sie diese Idee vorgetragen haben bei Kollegen aus dem Vereinigten Königreich?

Es ist schwierig. Es sehen viele, dass dieser Wunsch immer noch sehr stark ist bei den Hard Brexiteers. Dieser Wunsch, eine eigenständige Handelspolitik zu machen. Aber unter Fachleuten ist eigentlich klar: Durch Handelsabkommen mit Neuseeland oder Australien gibt es wenig zu gewinnen für Großbritannien. Es geht um Handelsabkommen mit den großen Blöcken. Es ist mittlerweile auch allen Experten deutlich geworden, dass Großbritannien allein einfach nicht genug Verhandlungsmacht hat. Großbritannien und die EU wären ein sehr großer Markt. Beide Seiten würden gewinnen, wenn man die Interessen gemeinsam gegenüber anderen vertreten würde.

Was hätte die EU gewonnen und was wäre der Kompromiss, den sie schließen müsste?

Der Kompromiss wäre, dass die EU bei Handelsabkommen mit Dritten die Briten mitreden lässt, statt das selbst zu entscheiden. Das wäre ein großer Schritt für die EU und nicht einfach zu akzeptieren. Aber der große Vorteil wäre, dass wir verhindern, dass ein Fünftel des Binnenmarktes quasi herausbricht oder zumindest Grenzkontrollen kommen.

Auf der anderen Seite hätte man gemeinsam eine größere Verhandlungsmacht bei Abkommen mit anderen Ländern, beispielsweise, wenn wir an Verhandlungen mit China denken oder mit den USA. Da ist es wichtig, dass auch die Briten dabei sind - die machen ja fast ein Fünftel des europäischen Binnenmarktes aus.

Wie könnte es jetzt weitergehen. Der Termin steht, der 12. April kommt näher, die Uhr tickt. Wie soll es jetzt weitergehen. Wer soll den ersten Schritt machen?

Die EU oder zumindest Vertreter der Europäischen Union haben schon angedeutet, dass sie es gut finden, wenn eine längere Frist käme. Es müssten sich jetzt die britischen Abgeordneten bewegen. Sie müssten sagen: Das ist eine vernünftige Lösung.

Die Alternative ist jetzt eigentlich nur noch, den May-Deal zu akzeptieren, der ja auch diese langfristigen Probleme nicht aus der Welt schafft. Oder ohne ein Abkommen auszutreten. Was sehr, sehr nachteilig wäre. Dagegen hat sich das britische Parlament ja auch schon ausgesprochen.

Clemens Fuest ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates beim Bundesministerium der Finanzen. Fuest ist seit dem 01. April 2016 Präsident des Ifo-Instituts München. Zuvor leitete er das Zentrum für Europäische Wirtschaft Mannheim (ZEW).        

Thomas Kohlmann Redakteur mit Blick auf globale Finanzmärkte, Welthandel und aufstrebende Volkswirtschaften.
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