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Fitzpatrick: "USA mittlerweile bereit für eine Präsidentin"

Helena Kaschel
26. September 2016

Mehr als 200 Frauen haben im Laufe der letzten Jahrzehnte für den Posten im Oval Office kandidiert - vergeblich. Jetzt könnte Hillary Clinton die erste US-Präsidentin werden, meint Historikerin Ellen Fitzpatrick.

Hillary Clinton in Nevada
Bild: picture-alliance/Zuma Press/D. Calvert

Kurz vor dem TV-Duell zwischen Hillary Clinton und Donald Trump unterhielt sich DW-Autorin Helena Kaschel mit der amerikanischen Historikerin Ellen Fitzpatrick. Ein Gespräch über den steinigen Weg der Frauen an die politische Spitze. 

DW: Es gibt jede Menge Literatur über amerikanische Präsidenten, genauso über Frauen in der Politik - warum erfährt man so gut wie nie etwas über die vielen Frauen, die sich in den USA um die Präsidentschaft beworben haben?

Ellen Fitzpatrick: Keine Frau hat jemals das Rennen um die Präsidentschaft gewonnen, deswegen waren die Kandidatinnen für Historiker, die sich auf amerikanische Präsidenten spezialisiert haben, relativ uninteressant. Frauenforscher dagegen hatten wenig Interesse an der Geschichte der US-Präsidenten, weil Frauen dabei ja kaum eine Rolle zu spielen schienen.

Die erste Frau, die jemals für das Amt des US-Präsidenten kandidierte, war Victoria Woodhull. Das war 1872, als Frauen dort noch nicht einmal das Wahlrecht hatten. Inwiefern waren die Feindseligkeiten, die Woodhull erlebte, anders als die Probleme, die Frauen heutzutage in der Politik erleben?

Woodhull kämpfte gegen enorme Widerstände, viel mehr als Kandidatinnen heutzutage. Sie hätte sich nicht selbst wählen dürfen, sagte aber ganz klar, dass andere sie sehr wohl wählen könnten.

Bild: picture-alliance/CSU Archives/Everett Collection

Zur Zeit des Wiederaufbaus, nach dem Rezessionskrieg, gab es in den USA eine lebhafte Debatte über die Bedeutung von Freiheit. Im Kongress debattierte man den 14. und 15. Verfassungszusatz, in denen es um Staatsbürgerschaft und Wahlrecht für afroamerikanische Männer ging.

Genau den Moment passten die Suffragetten ab: Auch Frauen sollten wählen dürfen. Daraus wurde zwar nichts, aber Woodhulls Kandidatur und die Idee eines weiblichen Präsidenten wurden viel beachtet. Manche Leute waren fasziniert von der Vorstellung, andere lehnten sie rundherum ab. Sexistische Töne in der Berichterstattung waren weniger offensichtlich als knapp 100 Jahre später bei der Kandidatur von Margaret Chase Smith.

Margaret Chase Smith war die erste Frau in der Geschichte des Kongresses, die in beide Kammern gewählt wurde. 1964 kandidierte die Republikanerin bei den Vorwahlen um das Amt des Präsidenten, hatte allerdings geringe finanzielle Mittel und verlor jede der Wahlen. Welche Rolle spielt Smith heute?

Smith hat als erste nominierte Präsidentschaftskandidatin natürlich Geschichte geschrieben. Vor allem weil sie von einer der großen Parteien, den Republikanern, nominiert wurde. Sie war eine wirklich erfahrene und sehr anerkannte Senatorin. Sie gehörte zu den am besten qualifizierten Frauen, die vor Clinton kandidiert haben.

Bild: picture-alliance/dpa/A. Sachs

Smith hat in einer Zeit kandidiert, in der die feministische Bewegung zum zweiten Mal starken Zulauf hatte. Ein Lebenslauf wie ihrer ist ja durch die so genannten Clubwomen und die feministischen Aktivistinnen erst möglich gemacht worden. Diese haben sie in Maine unterstützt. Sie hat eine mutige Haltung eingenommen und musste dafür viel Häme einstecken.

1972 hat Shirley Chisholm als erste Frau für die demokratische Partei kandidiert. Gleichzeitig war sie die erste Afroamerikanerin, die in den Kongress gewählt wurde. Obwohl sie als erste schwarze Frau gleich doppelt kämpfen musste, standen ihr nicht viele zur Seite: Feministinnen, die demokratische Elite und die schwarze Community waren sehr zögerlich, sie zu unterstützen. Warum?

Es gab die verbreitete Annahme - bei Bürgerrechtlern, Feministinnen und in den Eliten der demokratischen Partei gleichermaßen - dass Chisholm keine wirkliche Chance habe und sie ihre Energien anders bündeln müssten, um Nixon zu schlagen. Deswegen haben sie auf George McGovern gesetzt, der dann natürlich klar gescheitert ist.

Wie sieht es aus mit dem Sexismus, mit dem weibliche Präsidentschaftskandidatinnen konfrontiert sind, hat sich da viel geändert?

Bild: picture-alliance/AP Photo/S. Sissel

Der Seximus ist subtiler geworden, weil Amerikaner sich auf die Fahne geschrieben haben, dass sie überhaupt kein Problem damit haben, eine Frau als Präsidentin zu wählen. Viele sagen aber auch, dass sie einfach nicht so glücklich mit Clinton per se sind.

Trotzdem sind da noch viele Geister aus der Vergangenheit spürbar. Trump hat beispielsweise behauptet, dass Clinton nicht die Ausdauer, Stärke, Energie und Gesundheit mitbringt, um den präsidentiellen Aufgaben nachzukommen. So etwas wurde natürlich auch schon 1964 über Margaret Chase Smith behauptet. Zusätzlich haben aber damals einige Kommentatoren klar gesagt, dass sie Smith wegen ihres Geschlechts für ungeeignet hielten.

Seximus ist ja nur eines von vielen Problemen, mit denen Präsidentschaftskandidatinnen konfrontiert sind. Inwiefern sind die Hürden für Hillary Clinton heute noch dieselben wie früher und inwiefern unterscheiden sie sich?

Was an Clinton wirklich bemerkenswert ist, ist dass sie die Hürden gemeistert hat, die ihren Vorgängerinnen noch das Genick gebrochen haben. Ein zentrales Problem war immer das Geld. Die Frauen haben es nicht geschafft, genug Geld zu beschaffen, um schlagkräftige nationale Kampagnen auf die Beine zu stellen. Clinton hat das hinbekommen, auch wenn sie dafür heftige Kritik einstecken musste. Zum Beispiel, sie stütze sich nur auf das Große Geld und reiche Spender.

Bild: Tony Rinaldo

Die Parteieliten waren zögerlich, sich voll und ganz hinter eine Frau zu stellen. Es hatte schließlich auch noch keine zuvor geschafft. Clinton hat die Unterstützung der Eliten gewonnen, wurde von den Gegnern dann aber gleich als Partei-Insider diffamiert. Clinton bringt auf jeden Fall mehr praktische politische Erfahrung mit als alle ihre Vorgängerinnen in der amerikanischen Geschichte. Sie besteht seit Jahrzehnten auf der nationalen Bühne - erst als First Lady, dann als Senatorin, als Präsidentschaftskandidatin 2008 und schließlich als Außenministerin.

Inwiefern haben Frauen wie Woodhull, Smith und Chisholm den Grundstein für Hillary Clintons heutige Erfolge gelegt?

Die Geschichte von Clintons Vorgängerinnen zeigt die radikale Befreiung von allen Widerständen, mit denen Präsidentschaftskandidatinnen zu kämpfen hatten. Unüberwindbar geglaubte Hürden wurden langsam aufgeweicht, als Resultat von sozialem Wandel und politischen Bewegungen im 20. Jahrhundert, die die Vereinigten Staaten insgesamt komplett verändert haben. Clinton besteht heute in einer stark gewandelten politischen Sphäre, trotz der Herausforderungen die noch bleiben. Die Schwierigkeiten ihrer Vorgängerinnen geistern durchaus noch durch den Raum.

Sind wir jetzt so wirklich so weit, dass eine Frau Präsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika werden könnte?

Absolut. Ich denke die Chancen sind hoch, dass es jetzt auch passiert. Aber ich bin Historikerin, Gesichertes kann ich nur sagen, was die Vergangenheit betrifft. Die Zukunft bleibt offen.

Ellen Fitzpatrick ist Geschichtsprofessorin an der Universität von New Hampshire. Ihr Buch „The Heighest Glass Ceiling" über weibliche Präsidentschaftskandidatinnen in der Geschichte der USA wurde im Februar 2016 veröffentlicht.

 

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