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EU beschließt Zoll auf CO2 - eine Revolution für das Klima?

Tim Schauenberg
13. Dezember 2022

Die EU macht Tempo beim Klimaschutz. Auf Importe soll künftig ein CO2-Zoll anfallen. Der Beginn eines nachhaltigeren Welthandels oder reiner Protektionismus? Ärmeren Ländern könnte die Abgabe schaden.

Die Wörter "CO2-Steuer" wurden auf einer Schreibmaschine getippt
Bild: Ch. Horz/Zoonar/picture-alliance

Die Europäische Union hat ihre Klimaziele nachgeschärft. Bis 2030 will die Staatengemeinschaft ihre Treibhausgasemissionen nun um mindestens 55 Prozent senken. Dafür muss sie ihre emissionsintensive Industrie rasch umbauen. Große Verschmutzer in Europa sollen durch stetige Erhöhung der CO2-Preise zur Kasse gebeten und dadurch zur Umstellung auf klimafreundlichere Produktionsverfahren gedrängt werden.

Damit für europäische Hersteller im internationalen Wettbewerb kein Nachteil entsteht, plant die EU-Kommission gleichzeitig eine Art CO2-Zoll auf Importe aus dem Ausland. Darauf einigten sich Mitglieder des Europaparlaments und Vertreter der EU-Länder bei Verhandlungen in Brüssel. 

Der sogenannte Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) ist weltweit Neuland und sieht eine Abgabe auf CO2-Emissionen für importierten Stahl, Zement, Aluminium, Dünger, Wasserstoff und Energie aus Drittländern vor.

Das heißt: Will etwa ein chinesisches Unternehmen in der EU Stahl verkaufen, hält aber nicht die Umweltstandards der EU ein oder gleicht die entstanden Emissionen nicht anderweitig aus, muss der Importeur künftig CO2-Verschmutzungszertifikate entsprechend der Klimaschädlichkeit kaufen. 

Mit der Forderung auch die Klimaschädlichkeit von Kunststoffen und Chemikalien zu besteuern konnte sich das EU-Parlament nicht durchsetzen. 

"Die heutige Entscheidung zur Einführung einer CO2-Grenzausgleichssteuer setzt neue Maßstäbe für die europäische und weltweite Industrieproduktion. Die Vermeidung von CO2 wird belohnt und die Umstellung auf klimaneutrale Prozesse wird endlich weltweit in Gang gesetzt. Damit werden auch für Drittländer starke Anreize gesetzt, strengere Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen," so die Grünen Politikerin und Abgeordnete des Europäischen Parlaments Manuela Ripa.

Die Vereinbarung sieht zunächst ab 2023 eine Testphase vor. Über den Zeitplan der genauen Umsetzung wird noch verhandelt, gerechnet wird mit einem Start 2026 oder 2027.

Unternehmen wie HeidelbergCement sollen nachhaltiger werden und vor Billigimporten geschützt werdenBild: picture-alliance/dpa/U. Anspach

Nachhaltigere EU-Wirtschaft nicht wettbewerbsfähig?

Ein Ziel ist es, Industriebetriebe in der EU dazu zu bringen, nachhaltiger zu produzieren, ohne dass sie durch erhöhte CO2-Abgaben im globalen Preiskampf ins Hintertreffen geraten. 

"Die wirtschaftlichen Grundlagen sind ganz einfach. Wir haben einen hohen CO2-Preis in der EU. Anderswo haben wir keine hohen CO2-Preise. Damit sind die EU-Produzenten im Wettbewerb mit anderen Ländern im Nachteil", sagt Hector Pollitt, Wirtschaftswissenschaftler an der University of Cambridge.

Bereits jetzt müssen in der EU 11.000 Industriebtriebe wie Ölraffinerien und Stahlwerke sowie Aluminium-, Metall-, Zement- und Chemieunternehmen ab einer Obergrenze Abgaben auf ihre CO2-Emissionen zahlen.

Doch das 2005 eingeführte sogenannte EU Emissions Trading System war wegen der Ausnahmen für viele Unternehmen und einem niedrigen CO2-Preis - 2016 lag er gerade mal bei drei Euro pro Tonne - nicht sehr erfolgreich. Das ändert sich nun. 2022 ist der CO2-Preis in der EU auf teilweise über 85 Euro pro Tonne gestiegen und hat sich damit innerhalb von zwei Jahren etwa verdoppelt.

Mit der Abgabe auf importierte Waren soll vor allem das sogenannte Carbon Leakage, die CO2-Preis-Flucht, verhindert werden. "Es würde unsere Bemühungen untergraben, wenn Unternehmen abwandern, um den CO-Preis der EU zu vermeiden", so EU-Kommissar für Wirtschaft und Währung Paolo Gentiloni im vergangenen Jahr in einem Statement zu den Plänen. Der neue Mechanismus soll verhindern, dass Konzerne ihre Produktion aus der EU in Länder mit geringeren Umweltstandards verlagern, um die Ware von dort aus in die EU zu verkaufen.

Die importierten Düngemittel der russischen Firma Uralkali würden in der EU in Zukunft teurerBild: Eleonore DERMY/AFP/Getty Images

Handelskrieg oder "Carbon Club"

Zu den am stärksten von der CO2-Importabgabe CBAM betroffenen Ländern gehören Russland, China, die Türkei, das Vereinigte Königreich, die Ukraine, Südkorea und Indien. Ob die Abgaben im Rahmen der Welthandelsorganisation erlaubt sind, ist noch offen. Konfliktpotenzial hat die geplante Abgabe der EU allemal. Wenn Länder sie als Protektionismus wahrnehmen und Gegenmaßnahmen einleiten, sei die Möglichkeit eines Handelskriegs nicht ausgeschlossen, so Sanna Markkanen, Senior Analystin am Cambridge Institute for Sustainability Leadership (CISL). Sie sieht aber insgesamt eher positive Anzeichen für die Entwicklung eines nachhaltigeren internationalen Handelssystems: "Es gibt gute Gründe dafür, dass die EU und die USA vielleicht tatsächlich versuchen könnten, zusammenzuarbeiten und einen sogenannten 'Carbon Club' zu gründen."  

Bei der EU besteht man darauf, dass es sich bei dem Mechanismus um "ein umweltpolitisches Instrument, keinen Zoll" handelt, so EU-Kommissar Gentiloni. 

Durch eine Kooperation zwischen der EU und den USA könne der Preis für "schmutzig" produzierten Stahl aus China angehoben werden. Damit könnte der Wettbewerbsvorteil chinesischer Firmen, die von staatlichen Subventionen und niedrigeren Umweltstandards profitierten, möglicherweise wettgemacht werden, sagt Kevin Dempsey vom Dachverband Nordamerikanischer Stahlproduzenten AISI. Neben dem Schutz der eigenen Wirtschaft soll mit der CO2-Abgabe der EU auch Druck auf andere Länder ausgeübt werden, ihre Wirtschaft möglichst bald nachhaltiger zu gestalten.

Auch auf Stromimporte aus der Ukraine würden Abgaben anfallenBild: Mykola Tys/SOPA/ZUMA/picture alliance

Druck auf andere Länder funktioniert

Dies scheint teilweise bereits zu wirken. In der Türkei hat allein die Ankündigung des CBAM im Oktober 2021 offenbar bereits dazu beigetragen, das Pariser Klimaabkommen zu ratifizieren. 

Der australische Handelsminister Dan Tehan wies 2021 darauf hin, dass sein Land durch die Zölle langfristig Nachteile für die Exportwirtschaft befürchten müsse. Australien plant weiter einen massiven Ausbau der Energiegewinnung fossiler Brennstoffe und ist einer der größten CO2-Emittenten weltweit. Inzwischen hat Australien ein Netto-Null-Klimaziel bis 2050 verabschiedet.

Laut Berechnungen von Sanna Markkanen und Hector Pollitt könnten Unternehmen in der EU durch eine höhere Nachfrage und höhere Preise für klimaschädlichere Waren aus dem Ausland etwas profitieren. Bis 2030 könnte das Bruttoinlandsprodukt in der EU demnach um 0,2 Prozent wachsen und bis zu 600.000 neue Jobs geschaffen werden.

Umweltstandards könnten armen Ländern schaden

Zwar könnte der Mechanismus bei großen Handelspartnern und mächtigen, finanzstarken Ländern ein Druckmittel sein. Doch ärmere Länder, die stark vom Handel mit der EU abhängig sind, könnten abgehängt werden, warnt Chiara Putaturo, Beraterin für Ungleichheit und Steuerpolitik im EU-Büro der Nichtregierungsorganisation Oxfam.

Preisaufschläge auf Produkte könnten "zu geringeren Exporten in die EU führen, das hätte negative Auswirkungen auf die Arbeitsplätze und allgemein auf die Mobilisierung von Steuereinnahmen in diesen Ländern. Es könnte sogar die Investitionen in eine nachhaltige Transformation eines Landes untergraben."

Zusätzliche Abgaben könnten der Aluminiumindustrie in Mosambik schadenBild: 3dmentat/imago images

Vor allem die Stahl- und Aluminiumindustrie in Mosambik, Sambia, Sierra Leone und Gambia wären durch die neue Abgabe betroffen. Waren aus am wenigsten entwickelten Ländern (LDCs) machen zwar gerade mal 0,1 Prozent aller EU-Importe aus. Höhere Abgaben könnten jedoch für die einzelnen Länder gravierende Folgen haben. Etwa für Mosambik, wo 70 Prozent der Menschen unter der Armutsgrenze leben. Über die Hälfte der Stahl- und Aluminiumexporte des Landes gehen in die EU. 

Berechnung und Verwendung der Einnahmen noch unklar

Ausnahmen für bestimmte Länder sind bisher nicht vorgesehen. Laut Oxfam waren die reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung - die meisten davon leben in den USA und der EU - für etwa die Hälfte der weltweiten Treibhausgasemissionen zwischen 1990 und 2015 verantwortlich. Die ärmsten 50 Prozent der Welt verursachten dagegen mal für sieben Prozent der Emissionen. "Wir müssen also sehr vorsichtig sein, wenn wir andere Länder auffordern, für ein Problem zu zahlen, das wir selbst verursacht haben," so Putaturo. 

Und wie die Kohlenstoffbilanz eines Produkts genau berechnet werden soll, ist bisher unklar. Ein standardisiertes Verfahren gäbe es bisher nicht, so Sanna Markkanen von CISL.

Für Entwicklungsländer könnten außerdem "die Einführung dieser Bemessungsverfahren furchtbar teuer sein, so dass kleinere Hersteller in vielen Fällen gar nicht die Kapazität hätten, diese Maßnahmen zu realisieren". 

Bisher ist nicht geplant, die Einnahmen der EU aus der CO2-Abgabe gezielt in nachhaltige Entwicklung zu investieren. Eine Vielzahl von Nichtregierungsorganisationen fordert deshalb, dieses Geld sowohl in der EU, aber vor allem in einkommensschwachen Ländern des globalen Südens für mehr Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel zur Verfügung zu stellen.

 

Eine ältere Version des Artikels wurde bereits im Dezember 2021 veröffentlicht und wurde nach der jüngsten Entscheidung der EU aktualisiert.

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