Colonia Dignidad: "Systematische Menschenrechtsverletzungen"
26. Juni 2025
Die Verbrechen in der ehemaligen Colonia Dignidad in Chile sind nach Einschätzung des staatlichen Menschenrechtsinstituts INDH als systematische Menschenrechtsverletzungen einzustufen. Der chilenische Staat habe seine Verantwortung gegenüber den Opfern bislang nicht ausreichend anerkannt, heißt es in einem Bericht, den das INDH in der Hauptstadt Santiago de Chile vorgelegt hat. In der abgeschotteten Siedlung seien nahezu alle Formen von Grundrechtsverletzungen begangen worden.
"Chile hat seine Souveränität über ein Gebiet abgegeben und zugelassen, dass dort schwerste Verbrechen verübt wurden", sagte die Direktorin des INDH, Consuelo Contreras, bei der Vorstellung des Berichts. Ehemalige Bewohner der Colonia Dignidad begrüßten den Bericht. Es sei das erste Mal, dass eine staatliche Institution die Gräueltaten ausdrücklich als systematische Menschenrechtsverletzungen einordne, zitierte Radio Bio-Bio aus einer Mitteilung.
Zwangsarbeit, sexueller Missbrauch, Folter
Die Colonia Dignidad, zu Deutsch "Siedlung der Würde", wurde 1961 vom Laienprediger Paul Schäfer gegründet, der wegen sexuellen Missbrauchs aus Deutschland geflohen war. In der rund 400 Kilometer südlich der Hauptstadt gelegenen Siedlung gehörten Zwangsarbeit, Gewalt und sexueller Missbrauch zum Alltag.
Während der chilenischen Militärdiktatur (1973 - 1990) diente das Gelände dem Regime als geheimes Folterzentrum. Mehr als 100 Menschen wurden dort ermordet.
2005 wurde die Colonia Dignidad von der chilenischen Regierung unter Zwangsverwaltung gestellt. Derzeit läuft ein Enteignungsverfahren, um auf dem Gelände ein offizielles Erinnerungszentrum zu errichten.
Von den noch dort lebenden ehemaligen Sektenmitgliedern unterstützen manche das Vorhaben. Andere lehnen es ab und wollen juristisch dagegen vorgehen; dass sie einen Teil ihres Landbesitzes an den Staat abgeben sollen, bezeichnen sie als "erneute" Gewalt.
Illusion einer bayerischen Idylle
Der ehemalige Bewohner Winfried Hempel sagte der evangelischen Nachrichtenagentur epd im April, die sektenähnlichen Strukturen bestünden teils bis heute. Es sei daher wichtig, dass der Staat endlich Präsenz zeige.
Ein Teil der ehemaligen Mitglieder lebt weiterhin auf dem in Villa Baviera umbenannten Siedlungsgelände. Dort werden Landwirtschaft, ein Hotel und Gastronomie mit bayerischen Anklängen betrieben.
jj/AR (dpa, afp, epd, INDH)
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