Der Star von Real Madrid kehrt für die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland in die Nationalmannschaft zurück. Dort hat er seit 2021 nicht mehr gespielt. Was bedeutet das Comeback für das Team von Julian Nagelsmann?
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Jetzt also doch! Nachdem bereits seit einiger Zeit darüber spekuliert worden war, kehrt Toni Kroos für die im Sommer anstehende Fußball-EM, die in Deutschland stattfindet, in die deutsche Fußball-Nationalmannschaft zurück. Das verkündete der Weltmeister von 2014 am Donnerstag via Instagram. Eigentlich hatte der mittlerweile 34-Jährige nach der EM 2020, die wegen der Corona-Pandemie im Sommer 2021 ausgespielt wurde, seinen Rücktritt erklärt. "106-mal habe ich für Deutschland gespielt. Ein weiteres Mal wird es nicht geben", ließ er damals nach dem Achtelfinal-Aus gegen England wissen.
Die Begründung, warum er doch noch einmal für die DFB-Elf auflaufen wird, gab es in knappen Worten auf seinem Social-Media-Kanal: "Leute, kurz und schmerzlos: Ich werde ab März wieder für Deutschland spielen. Warum? Weil ich vom Bundestrainer gefragt wurde, Bock drauf habe und sicher bin, dass mit der Mannschaft bei der EM viel mehr möglich ist, als die meisten gerade glauben!", schrieb der Mittelfeldspieler, der trotz seines reiferen Alters für einen Profifußballer nach wie vor zu den Schlüsselspielern beim spanischen Spitzenklub Real Madrid zählt.
Die Option eines Comebacks hatte sich Kroos in den vergangenen Monaten ausdrücklich offen gehalten. Bereits bei den März-Länderspielen gegen Frankreich in Lyon (23. März) und gegen die Niederlande in Frankfurt/Main (26. März) wird Kroos wieder dabei sein.
Tony Kroos: Weltmeister 2014, WM-Blamage 2018
Als Nationalspieler steht Kroos vor allem für den Gewinn des vierten deutschen WM-Titels: 2014 in Brasilien. Doch die 106 Länderspiele im DFB-Trikot brachten für ihn auch sportliche Enttäuschungen mit sich - vor allem bei seinem bis dato vorletzten Turnier, der WM 2018 in Russland, wo die deutsche Mannschaft als Titelverteidiger und zum ersten Mal überhaupt in der Gruppenphase einer Fußball-WM bereits in der Vorrunde scheiterte. Schon damals soll Kroos nach eigenen Angaben über einen Rücktritt aus dem Nationalteam nachgedacht haben.
Als er nach der EURO 2020 dann tatsächlich zurücktrat, schimpfte Bayern-Ehrenpräsident Uli Hoeneß öffentlich über dessen Spielweise: Kroos habe mit seinem Querpass-Spiel "im heutigen Fußball nichts mehr verloren", wetterte Hoeneß in der TV-Talkrunde "Sport1-Doppelpass".
Eines der Probleme der deutschen Mannschaft bei der EM sei gewesen, so Hoeneß, dass der damalige Bundestrainer Joachim Löw unbedingt Kroos im Mittelfeld einbauen wollte und daher auf eine Dreierkette in der Abwehr umstellte, die keinen Erfolg brachte. Er schätze Kroos sehr, sagte Hoeneß, aber seine Art zu spielen sei "total vorbei". Der Gescholtene konterte die Kritik damals noch während der Sendung mit einem gehässigen Tweet in Richtung Hoeneß.
Zwar war sein Ende im Nationaltrikot unrühmlich, auf Klubebene ist Kroos dagegen Deutschlands erfolgreichster Fußballer: Er ist der einzige deutsche Spieler, der fünfmal die Champions League gewonnen hat: einmal mit dem FC Bayern (2013), viermal mit Real Madrid (2016, 2017, 2018, 2022). Hinzu kommen sechs Klub-Weltmeisterschaften, jeweils drei nationale Meisterschaften mit den Bayern und Real, sowie etliche Pokalsiege und Super-Cup-Titel. Insgesamt durfte Kroos in seiner Karriere 33 Mal eine Siegertrophäe in die Luft stemmen.
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Überangebot im Mittelfeld
Die Rückkehr ins Nationalteam dürfte viele Fans freuen - und einigen aktuellen Nationalspielern, die ebenfalls auf Kroos' Position im Mittelfeld spielen, Sorgen um die eigenen Einsatzchancen bereiten. Bundestrainer Nagelsmann hatte sich nach seiner Amtsübernahme dafür entschieden, Ilkay Gündogan vom FC Barcelona weiterhin als Kapitän fungieren zu lassen.
Kroos und Gündogan könnten gemeinsam im Mittelfeld spielen, gelten aber als ähnliche Spielertypen: eher kreativ und offensiv orientiert als defensive Absicherer. Bislang hatte Nagelsmann auf Pascal Groß von Brighton & Hove Albion aus der englischen Premier League gesetzt, auch Joshua Kimmich vom FC Bayern war im Mittelfeld aufgelaufen, wobei Groß mehr überzeugen konnte als der seit Monaten unter seiner Form spielende Kimmich.
Zudem hatten sich Leon Goretzka vom FC Bayern und Robert Andrich von Bundesliga-Tabellenführer Bayer 04 Leverkusen Hoffnungen auf einen Platz im EM-Kader gemacht. All diese Spieler wird Nagelsmann nicht nominieren. Es droht daher ein Konkurrenzkampf - schließlich dürfte Kroos einen Stammplatz sicher haben, ansonsten hätte er sich wohl kaum zu einem Comeback bereiterklärt.
Allerdings erklärte Nagelsmann bereits, dass Kimmich fortan als Rechtsverteidiger spielen werde und nicht auf seiner Wunschposition im defensiven Mittelfeld. Dort, so Nagelsmann im Interview mit dem Magazin "Spiegel", hätte er Kimmich auch ohne die Kroos-Rückkehr aufgestellt. "Bei der Nationalmannschaft muss man sich unterordnen. Da ist man ein Diener für sein Land. Kimmich ist das."
Zweiter Toni als Kroos-Fürsprecher
Einer, der sich schon seit längerer Zeit für eine Rückkehr von Kroos in die Nationalmannschaft eingesetzt hatte, ist einer seiner Mitspieler bei Real Madrid: Antonio "Toni" Rüdiger verriet im vergangenen Dezember in einem Interview mit der Streaming-Plattform "DAZN", dass er Kroos laufend bearbeite. "Ich frage ihn jeden Tag", sagte der Real-Verteidiger.
Kurz vor Weihnachten bezeichnete auch Nagelsmann ein Kroos-Comeback im deutschen Fernsehen als einen "interessanten Gedanken" und sagte: "Es kann sein, dass ich ihn noch mal anrufe." Er hat es schließlich gemacht und musste seinen Wunschspieler offenbar gar nicht lange überreden - und auch die Mitspieler hatten anscheinend nichts dagegen: "Ich habe mit vielen Spielern vorab telefoniert und genau zugehört, ob da einer ein Problem mit Kroos haben könnte", sagte Nagelsmann dem "Spiegel". "Im Gegenteil! Alle waren sehr positiv."
Der Artikel wurde ursprünglich am 14. Februar veröffentlicht und am 22. Februar nach der Bekanntgabe des Kroos-Comebacks aktualisiert.
Die Rekordspieler der deutschen Fußball-Nationalmannschaft
Fußball-Persönlichkeiten wie Lothar Matthäus, Jürgen Klinsmann und Toni Kroos haben das DFB-Team jahrelang geprägt. Welche anderen deutschen Ausnahmespieler sind unter den Top-Ten mit den meisten Länderspiel-Auftritten?
Bild: Kenzo Koba/Sven Simon/picture alliance
Jürgen Kohler - 105 Spiele
Der Innenverteidiger nimmt zwischen September 1986 und Juli 1998 an drei Welt- und drei Europameisterschaften teil. Mit dem bitteren WM-Aus gegen Kroatien 1998, einer 0:3-Niederlage im Viertelfinale, endet seine Karriere im Nationaltrikot. Größter Erfolg des "Koksers" ist der Titelgewinn bei der EURO 1996 in England.
Bild: Sven Simon/picture alliance
Hans-Jürgen Dörner - 105 Spiele
100 A-Länderspiele und fünf Partien bei Olympia bestreitet Hans-Jürgen, genannt "Dixie", Dörner zwischen 1969 und 1985 für die DDR. Die WM 1974 verpasst er wegen einer Erkrankung. Sein einziges großes Turnier erlebt der "Beckenbauer des Ostens" daher bei den Olympischen Spielen 1976 in Montreal. Dort gewinnt er mit der DDR-Auswahl Gold. Dörner stirbt im Januar 2022 im Alter von 70 Jahren.
Bild: Magic/IMAGO
Joachim Streich - 105 Spiele
Fast zeitgleich mit Dörner ist auch der gefährlichste Torjäger der DDR-Auswahl in der Nationalmannschaft aktiv. Streich macht zwischen 1969 und 1984 insgesamt 98 A-Länderspiele und ist siebenmal bei Olympia aktiv. Anders als Dörner ist er bei der WM-Endrunde 1974 dabei und spielt 1972 in München im Olympia-Team. Mit der DDR gewinnt er Bronze. Streich stirbt im April 2022 mit 71 Jahren.
Bild: WEREK/imago images
Jürgen Klinsmann - 108 Spiele
Der schnelle Stürmer debütiert im Dezember 1987 als 23-Jähriger im DFB-Team, wo er bald gemeinsam mit Rudi Völler das deutsche Angriffsduo bildet. Klinsmann, der 1988 auch bei den Olympischen Spielen dabei ist, wird 1990 mit Deutschland Weltmeister, 1996 Europameister. Seine Karriere im Nationalteam beendet er nach der Weltmeisterschaft 1998 in Frankreich.
Bild: Jürgen Fromme/firo Sportphoto/picture alliance
Philipp Lahm - 113 Spiele
Der Außenverteidiger wird im Februar 2004 Nationalspieler. Schnell etabliert er sich als Stammkraft auf der linken Seite und ist ab der EM 2004 bei allen Turnieren dabei. Höhepunkt seiner Karriere im DFB-Dress ist der Sieg bei der WM 2014, bei der Lahm die Mannschaft als Kapitän anführt. Das Finale von Rio ist Lahms letztes Länderspiel. Nach dem WM-Erfolg tritt er aus dem DFB-Team zurück.
Bild: Thomas Eisenhuth/dpa/picture alliance
Toni Kroos - 114 Spiele
Mit 18 Jahren ist er als jüngster deutscher Akteur bei der WM 2010 in Südafrika dabei. Bis zu seinem Rücktritt nach der EURO 2021 verpasst der Mittelfeldspieler von Real Madrid kein großes Turnier. Größter Erfolg ist der WM-Titel 2014 in Brasilien. Zur EM 2024 wird er von Bundestrainer Julian Nagelsmann reaktiviert und ist dort Chef auf dem Platz. Mit dem Aus gegen Spanien endet seine Karriere.
Bild: Lee Smith/REUTERS
Bastian Schweinsteiger - 121 Spiele
Der Mittelfeldspieler nimmt an drei Welt- und vier Europameisterschaften teil. Als einer der Jüngsten fährt er mit zur EM 2004. 2014 gehört er in Brasilien zum Stammpersonal der Weltmeister-Elf. Im Finale lässt sich Schweinsteiger trotz klaffender Wunde unter dem Auge nicht auswechseln. Sein letztes Turnier wird die EM 2016. Kurz danach wird er beim Freundschaftsspiel gegen Finnland verabschiedet.
Bild: Federico Gambarini/dpa/picture alliance
Manuel Neuer - 124 Spiele
Neuer debütiert im Juni 2009 im Nationalteam und ist seit der WM 2010 Stammkeeper, weil sich die Nummer eins, René Adler, kurz vor dem Turnier verletzt. Neuer behält seinen Status bei allen großen Turnieren - trotz einiger Verletzungen. 2014 wird er Weltmeister. Nach langer Ausfallzeit steht er auch bei der EM 2024 wieder im Tor - allerdings beim Viertelfinal-Aus gegen Spanien zum letzten Mal.
Bild: Philipp Guelland/epa/AP/picture alliance
Lukas Podolski - 130 Spiele
Von der EURO 2004 bis zur Europameisterschaft 2016 ist der schnelle Flügelstürmer fester Bestandteil des DFB-Teams. Als gegen Ende die fußballerischen Leistungen nicht mehr erstklassig sind, nominiert ihn Bundestrainer Löw dennoch, wegen seines positiven Charakters und für die gute Stimmung im Team. Seinen größten Erfolg feiert Podolski mit dem Gewinn der Weltmeisterschaft 2014.
Bild: Jürgen Fromme/firo Sportphoto/augenklick/picture alliance
Thomas Müller - 131 Spiele
Der Bayern-Stürmer debütiert kurz vor der WM 2010, wo er anschließend WM-Torschützenkönig wird. 2014 wird er Weltmeister. Nach der WM 2018 endet Müllers DFB-Karriere vorübergehend, weil Bundestrainer Joachim Löw ihn, Mats Hummels und Jerome Boateng ausmustert. Kurz vor der EM 2021 holt Löw ihn aber zurück. Er ist auch bei der WM 2022 und der Heim-EM 2024 dabei. Nach dem Turnier tritt er zurück.
Bild: Rolf Vennenbernd/dpa/picture alliance
Miroslav Klose - 137 Spiele
13 Jahre lang trägt der erfolgreichste Torjäger des Nationalteams das DFB-Trikot. Sein Debüt gibt Klose 2001 gegen Albanien und erzielt kurz nach seiner Einwechslung das Siegtor. 2002 wird er mit Deutschland Vizeweltmeister, 2014 Weltmeister. Durch seine zwei Treffer in Brasilien wird er zum WM-Rekordtorschützen (insgesamt 16). Nach dem Turnier gibt Klose seinen Rücktritt aus dem DFB-Team bekannt.
Bild: Fernando Bizerra Jr./dpa/picture alliance
Lothar Matthäus - 150 Spiele
20 Jahre liegen zwischen dem ersten und dem letzten Länderspiel des Rekordspielers. Matthäus debütiert bei der EM 1980 in Italien, das Vorrunden-Aus bei der EURO 2000 ist auch sein Ende im Nationalteam. Dazwischen liegt sein größter Erfolg: die Weltmeisterschaft 1990. Matthäus spielt bei fünf Welt- und drei Europameisterschaften. 1996 beim EM-Sieg ist er allerdings nicht dabei.