Compact: Das rechtsextreme Magazin darf weiter erscheinen
Veröffentlicht 23. Juni 2025Zuletzt aktualisiert 24. Juni 2025
Man habe es sich nicht leicht gemacht, betont der Vorsitzende Richter Ingo Kraft die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig, Compact nicht zu verbieten. "Das Grundgesetz garantiert jedoch im Vertrauen auf die Kraft der freien gesellschaftlichen Auseinandersetzung selbst den Feinden der Freiheit die Meinungs- und Pressefreiheit."
Nancy Faeser hat sich verkalkuliert
Das Urteil ist eine Niederlage für die ehemalige deutsche Innenministerin Nancy Faeser, die im Juli 2024 ein Verbot für alle Print- und Online-Angebote des Medienunternehmens Compact verhängte hatte. Begründung: Es werde offen ein "völkisch-nationalistisches Gesellschaftskonzept" vertreten. Compact agiere "kämpferisch-aggressiv" gegen Demokratie, Rechtsstaat und Menschenwürde.
Aber schon im August durfte das vom Verfassungsschutz als "gesichert rechtsextremistisch" eingestufte Magazin wieder veröffentlicht werden, nachdem Chefredakteur Jürgen Elsässer in einem Eilverfahren vor demselben Gericht erfolgreich gewesen war.
"Remigration" und "Schuldkult" fallen unter Meinungsfreiheit
Schon damals hatten die Richterinnen und Richter daran gezweifelt, ob beim Verbot die Presse- und Meinungsfreiheit ausreichend berücksichtigt worden sei. Auch in der mündlichen Verhandlung am 10. und 11. Juni stand diese Frage im Mittelpunkt. Begriffe wie "Remigration" und "Schuldkult" fielen unter die Meinungsfreiheit, hieß es zur Begrüdnung. Das gelte ebenso für Verschwörungstheorien und geschichtsrevisionistische Thesen.
"Remigration" bedeutet in rechtsextremen Kreisen, Eingewanderte und auch deren in Deutschland geborene Nachfahren unter bestimmten Voraussetzungen millionenfach abzuschieben. Als "Schuldkult" wird vor allem die kritische Aufarbeitung der Verbrechen während der Zeit des Nationalsozialismus diffamiert. Themen, die in Compact-Artikeln, Videos und Interviews seit vielen Jahren zu den Schwerpunkten gehören.
Gute Freunde: Jürgen Elsässer und Martin Sellner
Ein besonders enges Verhältnis pflegt Chefredakteur Elsässer zum ehemaligen Sprecher der Identitären Bewegung Österreich (IBÖ), Martin Sellner. Der rechtsextreme Aktivist kommt bei Compact oft zu Wort. Er war auch die zentrale Figur bei einem Treffen von Erzkonservativen im November 2023 in Potsdam, über das die Plattform Correctiv exklusiv berichtete. Auch bei dieser Veranstaltung soll es um Pläne für Abschiebungen von Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland gegangen sein.
Compact-Chef Elsässer machte auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht keinen Hehl aus seiner Wertschätzung für Sellner. Ganz offen sprach er davon, sich von ihm mehr Aufmerksamkeit und Kundschaft für seine publizistischen Produkte zu erhoffen. Von einem Mann, der im Verlag des rechtsextremen Vordenkers Götz Kubitschek Bücher mit Titeln wie "Regime Change von rechts" oder "Bevölkerungsaustausch und Great Reset" veröffentlicht hat.
Will Compact die Demokratie beseitigen?
Das enge Verhältnis zwischen Sellner und Compact wird auch in der Urteilsbegründung thematisiert: Dies komme dadurch zum Ausdruck, dass ihm sowohl in den Print- als auch Online-Medien seit Jahren ohne jegliche Distanzierung breiter Raum eingeräumt werde. "Zudem wird er bewundernd als 'unser Held' bezeichnet und seine Strategie als 'machbar' und 'rechtsstaatlich' verharmlost."
Darauf hatte sich auch die nach dem Regierungswechsel im Mai nicht mehr amtierende deutsche Innenministerin Nancy Faeser bei ihrem Verbot gestützt. Ein Argument lautete, das Medienunternehmen propagiere den Systemsturz. Dazu passen Compact-Zitate wie diese: "Die Volkssouveränität und die Freiheit des Einzelnen können nur wiederhergestellt werden, wenn die Staatssouveränität – in Wirklichkeit die Tyrannei des Regimes – gebrochen wird."
"Agitation gegen die Bundesregierung"
In der mündlichen Verhandlung hatten Elsässers Anwälte die Sprache und Inhalte von Compact als "engagierten Journalismus" außerhalb des Mainstreams verteidigt. Der Magazin-Chef selbst hatte von sich das Bild eines aufrechten Demokraten gezeichnet. Wobei der Kontrast zum aktuellen Verfassungsschutz-Bericht kaum größer sein könnte – dort heißt es: "Hauptmerkmal vieler der verbreiteten Beiträge ist die Agitation gegen die Bundesregierung und allgemein gegen das politische System."
Wo Elsässer sich gesellschaftspolitisch verortet, konnte man schon 2018 in seinem Magazin lesen: im Umfeld der inzwischen aufgelösten rassistischen Organisation "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" (Pegida), der Identitären Bewegung (IB), der vom Verfassungsschutz beobachteten Alternative für Deutschland (AfD) und des rechtsextremen Vereins "Ein Prozent".
Gemeinsam mit ihnen hatte der Compact-Chef schon damals Großes vor: "Alle zusammen in großer Einheit: Pegida, IB, AfD, Ein Prozent, Compact! Fünf Finger, alle kann man einzeln brechen, aber alle zusammen sind eine Faust!"
Elsässer bedankt sich beim Gericht
Nach seinem Erfolg triumphierte der Compact-Chefredakteur schon im Gerichtsgebäude: "Wir haben die diktatorischen Tendenzen besiegt." Sein Dank gehe auch an die Richter, die streng sachlich nach allen Seiten abgewogen hätten, sagte Elsässer.
Auch die Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen hält das Urteil für richtig: "In einer Demokratie müssen die verbrieften Grundrechte berücksichtigt werden – auch, wenn es angesichts extremistischer und rassistischer Inhalte eines Mediums schwerfällt, das zu akzeptieren", sagte Geschäftsführerin Anja Osterhaus.
Reporter ohne Grenzen warnt vor Eingriffen in die Pressefreiheit
"Das Verbot eines Mediums durch eine politische Instanz wie das Bundesinnenministerium ist ein schwerer Eingriff in die Pressefreiheit. Wir beobachten weltweit, dass solche Eingriffe der Demokratie großen Schaden zufügen können", heißt es in der Presseerklärung weiter
Derweil blickt Compact-Chef Elsässer zuversichtlich nach vorn und denkt dabei auch an die Alternative für Deutschland: "Denn wenn es unmöglich war, Compact zu verbieten, ist es auch unmöglich, die AfD zu verbieten."
Schon seit Jahren wird über ein Verbot der Partei diskutiert. Einen entsprechenden Antrag beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe könnten neben der Bundesregierung das Parlament (Bundestag) und die Länderkammer (Bundesrat) stellen. Bislang gibt es dafür aber nirgends eine Mehrheit.
Dieser Artikel wurde am 23.06.2025 veröffentlicht und nach der Urteilsverkündung des Bundesverwaltungsgerichts am 24.06.2025 aktualisiert.