Compact-Verbot: Wo endet in Deutschland die Pressefreiheit?
Veröffentlicht 10. Juni 2025Zuletzt aktualisiert 11. Juni 2025
Im Juli 2024 hat die damalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser das Compact-Magazin verboten. Ihre Begründung: "Es ist ein zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene. Dieses Magazin hetzt auf unsägliche Weise gegen Jüdinnen und Juden, gegen Menschen mit Migrationsgeschichte und gegen unsere parlamentarische Demokratie."
Compact-Chefredakteur Jürgen Elsässer wehrte sich gegen das Verbot seines Medienunternehmens vor dem Bundesveraltungsgericht in Leipzig. Dabei gelang ihm per Eilantrag im August 2024 ein Teilerfolg: Seitdem darf das Magazin wieder erscheinen. Begründung des Gerichts: Die Erfolgsaussichten der Klage seien offen. Noch könne nicht abschließend beurteilt werden, ob Compact sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte.
Beifall im Gerichtssaal für Compact-Chef Jürgen Elsässer
Inzwischen hat die zweitägige mündliche Verhandlung stattgefunden. Das Urteil soll am 24. Juni verkündet werden. Zum Auftakt erhielt Compact-Chef Elsässer aufmunternde Unterstützung von Sympathisanten, die bei seinem Erscheinen im Verhandlungssaal applaudierten.
Schnell wurde deutlich, wie komplex die im Zentrum der Verhandlung stehenden Fragen sind: Wo endet die Presse- und Meinungsfreiheit? Und wann ist das Verbot eines Mediums wie Compact gerechtfertigt? Der Prozessvertreter des Innenministeriums zitierte reihenweise aus Texten und anderen journalistischen Angeboten des Magazins. Ein Beispiel: "Umvolkung bis hin zu einer Mischrasse" als Reaktion auf die deutsche Migrationspolitik.
"Wir wollen das Regime stürzen"
Elsässers Anwälte hingegen bezeichneten die Sprache und Inhalte von Compact als "engagierten Journalismus" außerhalb des Mainstreams. Der Magazin-Chef selbst entwarf von sich das Bild eines aufrechten Demokraten. Im Kontrast dazu stehen Aussagen von ihm, die der Vorsitzende Richter zitierte – zum Beispiel: "Wir wollen das Regime stürzen."
Im aktuellen Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) ist dem multimedialen Unternehmen Compact eine eigene Seite gewidmet. Das Medium verorte sich selbst im sogenannten Widerstandsmilieu und werde auch von anderen Akteuren der Neuen Rechten als Teil dieses Spektrums wahrgenommen, heißt es darin. "Hauptmerkmal vieler der verbreiteten Beiträge ist die Agitation gegen die Bundesregierung und allgemein gegen das politische System."
Der YouTube-Kanal hat über eine halbe Million Abonnenten
Die verkaufte Auflage der gedruckten Compact-Ausgabe liegt nach Angaben der Herausgeber monatlich bei rund 40.000. Deutlich höher ist inzwischen die Zahl der Abonnenten des YouTube-Kanals: 512.000 (Stand Juni 2025).
Der Verfassungsschutz beschreibt die Inhalte als verschwörungsideologische Erzählungen, um gegen staatstragende Institutionen und eine offene, pluralistische Gesellschaft zu agitieren. Geschichtsrevisionistische Inhalte und antisemitische Narrative ergänzen die Agenda." Darüber hinaus bestünden Verbindungen mit rechtsextremistischen Gruppierungen wie der Identitären Bewegung Deutschland (IBD) und der Regionalpartei Freie Sachsen.
Die inzwischen nicht mehr amtierende Innenministerin Nancy Faeser hatte sich bei ihrem Verbot des rechtsextremistischen Mediums auch auf das Grundgesetz gestützt. In Artikel 9 heißt es: "Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten."
Früher linksradikal, heute rechtsradikal
Im Fall von Compact traf es mit Chefredakteur Jürgen Elsässer einen mutmaßlichen Rechtsextremisten, der als junger Mann im linksradikalen Spektrum seine Heimat hatte. Der inzwischen 68-Jährige war Mitglied des Kommunistischen Bundes und schrieb für dessen Zeitung "Arbeiterkampf". Später arbeitete er als Journalist für mehrere linke Medien, darunter das "Neue Deutschland". Dieses Blatt war zu Zeiten der deutschen Teilung in der DDR das Zentralorgan der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED).
Seit 2010 agiert Elsässer mit Compact als Sprachrohr der extremen rechten Szene. Das Bundesverwaltungsgericht sieht Anhaltspunkte für eine Verletzung der Menschenwürde, zum Beispiel wenn Staatsbürger mit Migrationsgeschichte abgewertet werden. Die entscheidende Frage: Lässt sich damit ein Verbot rechtfertigen? Das wäre der gravierendste Eingriff in die Presse- und Meinungsfreiheit, die in Artikel 5 des Grundgesetzes garantiert ist.
Wo im Grundgesetz die Grenzen der Pressefreiheit verlaufen
Grenzenlos ist dieser Verfassungsartikel allerdings nicht: "Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre." Über dieses Spannungsfeld wurde jetzt in Leipzig verhandelt. Das Urteil soll nach Angaben des Bundesveraltungsgerichts am 24. Juni verkündet werden.
Dieser Artikel wurde am 10.06.2025 veröffentlicht und zuletzt am 12.06.2025 aktualisiert.