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Sankt Petersburgs teures Prestigeobjekt

18. Mai 2017

In einem Monat startet im russischen Sankt Petersburg der Confed Cup 2017. Die nördlichste Millionenstadt der Welt will zum Stimmungszentrum des Turniers werden, hadert aber mit seinem sündhaft teuren Stadion.

Russland St. Petersburg - Fussballstadion
Das UFO an der Newa: Sankt Petersburgs Arena soll mindestens 680 Millionen Euro gekostet haben.Bild: picture-alliance/dpa/AP/D. Lovetsky

Auch in der modernen Fußballwelt gibt es zwei Gewissheiten: Der Ball ist rund und der Rasen ist grün. Einer dieser Eckpfeiler des Spiels gerät vor dem Confed Cup gerade ins Wanken: In Sankt Petersburg ist der Rasen derzeit nämlich weiß. Wie in einem gigantischen Treibhaus wächst unter einer weißen Plastikfolie der Rasen des neuen Fußballstadions. Aber er wächst schlecht. So schlecht, dass man nicht weiß, ob das Eröffnungsspiel des FIFA-Konfederationen-Pokals 2017 Russland gegen Neuseeland am 17. Juni auf eben jenem Rasen angepfiffen wird. In einem Monat also.

"Der Point-of-no-return ist am 31. Mai", beruhigt Igor Albin, der stellvertretende Bürgermeister der nördlichsten Millionenstadt der Welt. Albin zeigt einigen Pressevertretern das Stadion und erweckt dabei den Eindruck eines Mannes, der weiß, was er sagt, der sein warmes Büro in der Stadtregierung im Smolny-Palast gegen die windige Stadion-Baustelle auf der entlegenen Krestowsky-Insel getauscht hat - zumindest vorübergehend. Igor Albin ist Politiker. Und Fußball ist Politik in Russland, dem Austragungsort des Confed Cups 2017 und der Weltmeisterschaft 2018.

"Kleine Fehler" am 680-Millionen-Projekt

Der Vize-Bürgermeister schaut von der Tribüne oben auf die Lampen unten über dem Spielfeld. Die Lampen leuchten direkt auf die Plastikfolie. Sie bilden eine Art Kunstsonne. "Gleichzeitig wird der Boden von unten beheizt, auf über 16 Grad", erklärt Albin. "Wenn unsere Reanimierungsmaßnahmen bis zum 31. Mai nicht greifen, wird dieser Rasen ersetzt." Wie? "Der alte wird samt Bett durch einen gigantischen Schlitz unter der Seitentribüne nach draußen herausgefahren, der neue ausgerollt und aufs Feld gelegt." Nicht gewachsen, klar, dafür aber echt. Und grün. Immerhin.

Bekommt die Arena noch einen intakten Rasen? Lokalpolitiker Igor Albin gibt sich optimistisch.Bild: DW/J. Rescheto

Bei Igor Albin klingt das einfach. Ist es aber nicht. Denn auf der Betonfläche draußen, auf die sich der zu sanierende Rasen unter der bescheidenen nördlichen Sonne erholen soll, stehen dutzende Bau-Container des künftigen internationalen TV-Übertragungsimperiums. Der Platz ist also besetzt. Medien oder Rasen? Im Fußball braucht man heute beides. "Ein Fehler der Konstrukreure", gesteht der Politiker. Und dieser Fehler ist leider nicht der einzige.

Ein Symbol für Russlands Korruption und Misswirtschaft

Das neue Stadion, in dem zum Eröffnungsspiel am 17. Juni vorwiegend russische, vereinzelt wohl aber auch neuseeländische Fußballfans Platz nehmen sollen, ist von außen ein Hingucker: Vom blauen Wasser der Newa umgeben, glitzert es silbern wie ein gewaltiges UFO in der Sonne. Dabei hat es noch nicht einmal einen Namen: Die neutrale FIFA-Bezeichnung "Sankt Petersburg” gilt nur für zwei Jahre und gefällt vielen Petersburgern nicht. Aber die Arena steht noch für etwas anderes: In der zehnjährigen Bauphase zum Symbol für Russlands Korruption und Misswirtschaft. Albin bezeichnet das Stadion als das "komplizierteste Ding”, was er in seiner Karriere je zu betreuen hatte. 

Ein Skandal jagte den nächsten. Baupläne wurden durchkreuzt. Köpfe rollten. Die Kosten schossen in die Höhe. Zwischenzeitlich wusste man nicht, ob der innovative Bau samt seinem schließbaren Dach und (zumindest theoretisch) herausfahrbaren Rasen je fertig wird. Was den Berlinern ihr neuer Flughafen ist, war den Petersburgern ihr neues Stadion. Aber im Gegensatz zum BER wurde das Stadion fertig. Die Kosten schwanken je nach Quelle zwischen 680 und knapp 800 statt der geplanten 111 Millionen Euro. Damit bekommen die Petersburger eines der teuersten Stadien der Welt. Angesichts dessen ist die Häme in der Lokalpresse über den nicht aufgehen wollenden Rasen nur verständlich.

Das atmosphärische Zentrum des Confed Cups

Ist das Rasenproblem beseitigt, steht dem Confed Cup 2017 nichts mehr im Wege. Denn - und hier endet der bejammernswerte und beginnt der hoffnungsfrohe Teil der Geschichte - in Sankt Petersburg sollten die anreisenden Fans in vier Wochen ein schönes Fußballfest erleben. Die Metropole an der Newa, die von Russen liebevoll auch Venedig des Nordens genannt wird, ist neben Moskau, Sotschi und Kasan die einzige der vier Confed Cup Städte, in der mitten in der Innenstadt eine große Fanzone entsteht. Hier soll die WM-Vorfreude spürbar werden, aber nicht nur hier.

Wärmebehandlung für den Rasen in der Arena - in einem Monat steigt hier das Auftaktspiel.Bild: DW/J. Rescheto

Anders als das sowjetisch geplante und gigantomanisch gebaute Moskau bietet das europäisch angelegte und gemütlich gebaute Sankt Petersburg unzählige Bars und Kneipen auf einer überschaubaren Fläche. Dazu kommen Mitte Juni die einzigartigen so genannten "weißen Nächte”, in denen die Sonne kaum untergeht und viele Menschen besonders entspannt und ausgehfreudig sind. Die Stadtverwaltung verspricht kostenlose Busse vom Flughafen ins Zentrum. Neue U-Bahn-Züge sollen rollen, Schnellboote noch schneller durch die Newa flitzen, russische Straßenschilder durch englische und chinesische Schreibweisen ergänzt werden. 

In der U-Bahn wird schon jetzt für das sportliche Großereignis geworben. Und wenn Anfang Juni das Internationale Wirtschaftsforum und das Stadtjubiläum zu Ende sind, soll moderne Fußballsymbolik auch historische Fassaden der Innenstadt schmücken. Der Confed Cup kann kommen, lautet die Botschaft, die St. Petersburg aussenden möchte. Und da sollte ein grüner Rasen doch auch noch machbar sein. 

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