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Musik

Der Meister der Klänge

Philipp Jedicke
12. Juli 2020

Conny Plank war einer der innovativsten Produzenten der 1970er und 1980er Jahre. Er nahm wegweisende Alben von Can, Kraftwerk, Ultravox und Brian Eno auf - in einem umgebauten Bauernhof in Wolperath.

Dokumentarfilm im Ersten Conny Plank
Bild: WDR

Im Juli 1970, vor 50 Jahren, begannen im Düsseldorfer Kling-Klang-Studio die Aufnahmen des Debütalbums einer noch völlig unbekannten deutschen Band: Kraftwerk. Es war der Beginn einer fruchtbaren Zusammenarbeit und von zwei außergewöhnlichen und internationalen Karrieren: Kraftwerk wurden zu einer der einflussreichsten deutschen Bands, Conny Plank einer der wichtigsten Musikproduzenten seiner Zeit. 

Jazz als Lebensschule

Plank, Jahrgang 1940, war im rheinland-pfälzischen Kaiserslautern aufgewachsen, wo viele US-Soldaten stationiert waren. Wie viele junge Menschen seiner Generation war er tief beeindruckt vom "Troop Entertainment" der Amerikaner, von Jazz und Improvisation. Gleichzeitig war Plank technikbegeistert, getrieben von seiner Neugier. Seinen ersten Job als Sendetechniker bei der Europawelle Saar schmiss er, weil ihm das nicht kreativ genug war.

Im Kölner Rhenus-Tonstudio fand er sein erstes musikalisches Zuhause und konnte sich austoben. Sein Mentor, Tonmeister Wolfgang Hirschmann, erkannte Planks Talent und ließ ihn nicht nur gewähren, sondern gab dem jungen Mann schnell verantwortungsvolle Aufgaben - darunter als Ton-Assistent bei Marlene Dietrich-Konzerten und als Toningenieur bei einer Session, die entscheidend für Planks Karriere werden sollte: Die US-Jazzgröße Duke Ellington bereitete sich im Studio für Auftritte mit seinem Orchester vor. Plank bekniete ihn, doch direkt auch etwas aufzunehmen - und Ellington willigte ein.

"Er hat sich nur bei der Arbeit gespürt", sagt Annette Humpe über Conny Plank. Hier in Hamburg am Mischpult (1969) Bild: Christa Fast

Bei den Aufnahmen gelang es Plank, den Altmeister aus dessen Komfortzone zu locken. Ellington beschritt nach langer Zeit wieder neue Wege, improvisierte mehr. Das Ergebnis war ein für Ellington völlig ungewöhnliches Album, das Herbert Grönemeyers Label Grönland Records 2015 veröffentlicht hat. Nach den Sessions soll Ellington zu Plank gesagt haben: "Young man, you're doing a great sound." Dies führte zu Planks endgültigem Entschluss, Musikproduzent zu werden.

Studio im ehemaligen Schweinestall

In einem ehemaligen Bauernhof in Wolperath, eine halbe Autostunde von Köln entfernt, richtete er sich 1974 sein legendäres Studio ein. Von da an wurde der Satz "Recorded by Conny Plank in Conny's Studio near Cologne" zum Qualitätssiegel auf Plattencovern. Während der Produktionsphasen lebten die Musiker mit Conny, seiner Frau Christa Fast und Sohn Stephan zusammen in einem Haus. Man teilte sich das Badezimmer und aß gemeinsam am Küchentisch. 

"Conny's Studio" im Örtchen Wolperath war Pilgerort und Treffpunkt für kreative Köpfe (Foto: 1980)Bild: Christa Fast

Plank war in jedem Sinne ein außergewöhnlicher Produzent. Sein Ziel: Bands genau so klingen zu lassen, wie sie es wollen und sollen. Akzeptiert waren dabei Wünsche wie "diese Stelle soll klingen wie ein Sonnenaufgang". Nannte man jedoch die Namen anderer Künstler als Referenz, riskierte man den Rauswurf aus dem Studio. Denn Conny wollte Authentizität. "Conny hat jede Produktion zu etwas Einzigartigem gemacht. Ich wurde einzigartig durch Conny Plank", sagt Gianna Nannini über ihn.

Bescheidenheit und Hingabe

"Die Aufgabe des Produzenten, wie ich den Job verstehe, (...) ist hier eine völlig angst- und vorbehaltsfreie Atmosphäre zu schaffen, den ganz naiven Moment von 'Unschuld' herauszufinden und dann rechtzeitig auf den Knopf zu drücken, damit der Augenblick festgehalten wird. Das ist alles. Alles Übrige kann man lernen", sagte Plank 1982 gegenüber dem "Musikexpress". Übergroße Egos hatten keinen Platz bei ihm. Lange Gespräche in der Küche des Bauernhofs waren Testläufe: um zu sehen, wie ein Künstler tickte und ob man miteinander arbeiten konnte.

Rocksängerin und Komponistin Gianna Nannini mit Conny Planks Sohn StephanBild: WDR

Durch den Jazz waren Innovation und Improvisation fest in Planks produzentischer DNA verankert. Den Künstlern dabei zu helfen, den magischen Moment zu finden und loszulassen, "von seinen Gedanken zu befreien", sah er als ebenso wichtigen Teil seiner Arbeit an wie das Suchen und Finden neuer Klänge. Bei Plank konnte auch scheinbarer Lärm zu Musik werden. Wenn er einen bestimmten Klang im Kopf hatte, setzte er alles daran, ihn aus dem Vorhandenen herauszukitzeln. Er fand Mittel, um Maschinenklänge oder Bandaufnahmen so lange zu verfremden, bis er fand, was er suchte.

Geburtshelfer neuer Genres

Mit seinen Experimenten wurde Plank so fast beiläufig zum Geburtshelfer der Genres Krautrock und Elektronik. Neben Kraftwerk arbeiteten viele wegweisende Bands mit Plank, darunter Neu!, Cluster, Guru Guru oder Moebius. Diese Generation deutscher Nachkriegsmusiker entwickelte einen ureigenen neuen Sound - frei sowohl von der Last der eigenen musikalischen Vergangenheit als auch von den zu jener Zeit dominierenden UK- oder US-Pop-Exporten.

Die Eurythmics, bevor sie Stars wurden. V.l.n.r.: Dave Stewart, Annie Lennox und Conny Plank um 1979Bild: Christa Fast

Die Freiheit und Innovation der im Rheinland entstandenen Klänge beeindruckte vor allem Musiker und Journalisten in England. Es dauerte nicht lange, bis sich Künstler wie Brian Eno und Ultravox auf den Weg nach Wolperath machten, um etwas von der kreativen Freiheit zu schmecken. Selbst David Bowie, damals massiv von Krautrock beeinflusst, wollte mit Plank aufnehmen - doch Plank lehnte ab. Warum, ist nicht überliefert. Später scheiterten auch Stars wie U2 an Plank - das Ego von Sänger Bono war Plank zu groß.

Der Prophet im eigenen Land

Während sein Ruhm im Ausland stetig wuchs, war Plank in Deutschland weniger bekannt. "Ich glaube, in Deutschland haben wir ganz klar ein Problem mit dem Propheten im eigenen Land", sagt der Filmemacher Stephan Plank über seinen Vater. Conny Plank starb 1987 viel zu früh im Alter von 47 Jahren.

In seinem Dokumentarfilm "Conny Plank: The Potential of Noise", der 2018 den Deutschen Dokumentarfilmpreis als beste Musikdokumentation gewonnen hat und unter dem Titel "Mein Vater, der Klangvisionär" in der ARD-Mediathek zu sehen ist, macht sich Stephan Plank auf die Suche nach seinem früh verstorbenen Vater. Dabei trifft er Weltstars wie Dave Stewart von den Eurythmics, die Scorpions, Gianna Nannini und viele andere Weggefährten Conny Planks.

Rudolf Schenker und Klaus Meine von den Scorpions im Dokumentarfilm "Conny Plank: The Potential of Noise"Bild: picture-alliance/dpa/Everett Collection

Für Stephan Plank war der Dreh ein aufregender und emotionaler Weg: "Da mein Vater starb, als ich 13 Jahre alt war, hatte ich nicht die Gelegenheit, den Produzenten Conny Plank kennenzulernen. Mit dem Film habe ich es für mich geschafft, aus den zwei Personen Papa und dem Produzenten Conny Plank in meinem Kopf eine Person werden zu lassen."

Die reale Person Conny Plank hat der Suche nach dem ultimativen Sound alles andere untergeordnet. "Er war ein Klangkünstler und hat dafür sein Leben hergegeben", sagt Hans-Joachim Roedelius (Cluster, Harmonia) über Plank in diesem Dokumentarfilm.
 

Der Dokumentarfilm "The Potential of Noise" (entstanden in Koproduktion mit dem WDR und in Zusammenarbeit mit ARTE) von Stephan Plank und Reto Caduff ist unter dem Titel "Conny Plank - Mein Vater, der Klangvisionär" noch bis zum 17. September 2020 in der ARD Mediathek zu sehen. Außerdem ist der Film auf DVD und Video on Demand erhältlich. 

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