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Jim Jarmusch wird 65

Jochen Kürten
22. Januar 2018

Der Regisseur gilt als einer der Gründerväter des Independent-Films in den USA. Seine Filme haben eine Generation von Regisseuren beeinflusst. Jetzt feiert er seinen 65. Geburtstag - doch an die Rente denkt er nicht.

Porträt von Jim Jarmusch
Bild: Getty Images/Anthology Film Archives/M. Schipper

Wer Ende der 1970er Jahre begann, ins Kino zu gehen, der kam um Jim Jarmusch nicht herum. Als Hollywood mit George Lucas ("Star Wars") und Steven Spielberg ("Der weiße Hai") die Ära des Blockbuster-Kinos einläutete, entwickelte sich am anderen Spektrum des US-Films Erstaunliches. Kleine, unabhängig von den großen Studios produzierte Filme mit schmalem Budget, oft mit unbekannten Schauspielern besetzt, eroberten ein junges und studentisches Publikum.

Später fassten Filmhistoriker die damals entstandenen Arbeiten von Regisseuren wie Jim Jarmusch und Hal Hartley, Steven Soderbergh und Spike Lee unter dem Begriff "Independent Kino" zusammen. Insbesondere Jarmusch wurde im Laufe der Jahre zu einer Ikone dieser Art von Kino, das fernab von Hollywood-Glamour und Starpower seine Geschichten erzählte.

Einflussreiches Debüt: "Permanent Vacation"

Das 1980 uraufgeführte Debüt von Jim Jarmusch, "Permanent Vacation", wurde zu einem entscheidenden Werk dieses Independent-Kinos. "Stranger than Paradise" und "Down by Law" festigten in den Folgejahren den Ruf des am 22.1.1953 in Ohio geborenen Regisseurs. Und weil Jarmusch auch später den Verlockungen von Hollywood widerstand und Filme abseits des Mainstreams drehte, gilt der Regisseur mit dem auffallend weißen Haarschopf bis heute als kompromisslose Ausnahmeerscheinung im Filmland USA.

Jarmuschs zweiter Film "Stranger than Paradise" (auf DVD bei Studiocanal erschienen)Bild: Studiocanal/Arthaus

Auch Jarmusch hat mit Stars wie Johnny Depp oder Sharon Stone gearbeitet, seine Filme aber haben stets ihre künstlerische Eigenständigkeit bewahrt und sich klassischen Hollywood-Strategien verweigert. So wurden spätere Werke wie "Mystery Train" oder "Broken Flowers" auch auf großen Festivals gezeigt und ausgezeichnet. Doch seinen Ruf als Vater des Independent-Kinos konnte sich Jim Jarmusch erhalten.

Das hat vor allem mit seinen ersten drei Filmen zu tun. In seinem Debüt "Permanent Vacation" heftete sich der Regisseur auf die Fersen seines jungen Hauptdarstellers Chris Parker, der durch ein heruntergekommenes New York streift. Parker begegnet dabei allerlei Außenseitern der Gesellschaft, tritt mit ihnen in einen kurzen Dialog oder beobachtet diese nur. Am Ende verlässt der junge Mann New York und bricht zu einer Schiffsreise nach Paris auf.

Frühe Entdeckung in Deutschland beim Filmfestival Mannheim

Jarmuschs Debüt wurde mit lediglich 12.000 Dollar produziert. Nach seiner Uraufführung in New York wurde es schon eine Woche später in Deutschland aufgeführt - beim Filmfestival in Mannheim, das sich rühmen darf, Jarmusch hierzulande bekannt gemacht zu haben. Seitdem hat der Amerikaner insbesondere beim jungen deutschen Publikum eine große Fangemeinde.

Mit Neil Young machte er den Musikfilm "Year of the Horse"Bild: picture-alliance/Everett Collection/October Films

Dazu trug auch bei, dass Jarmusch erste praktische Filmerfahrungen bei Wim Wenders gemacht hatte. Als der 1980 "Nick's Film - Lightning over Water" über den im Sterben liegenden legendären US-Regisseur Nicholas Ray ("Johnny Guitar", "...denn sie wissen nicht, was sie tun") drehte, war Jarmusch dessen Produktionsassistent. Ray unterrichtete damals Film in New York und brachte beide zusammen. Der Deutsche wurde für einige Jahre zum filmischen Ziehvater des Amerikaners, unterstützte ihn beispielsweise mit übrig gebliebenem Filmmaterial.

Später schrieb Wenders: "Mein Eindruck von Jim war: Er wusste genau, was er wollte. So still er vielleicht erschien, so unbeirrbar würde er seinen Weg gehen. Eine wichtige Voraussetzung, ein guter Regisseur zu werden, hatte er jedenfalls: eine große Liebe und Kenntnis der Rockmusik. Die halbe Miete, wenn Sie mich fragen."

Musik als Wegbegleiter durch die Karriere

So war es auch kein Zufall, dass der Musiker und Schauspieler John Lurie im zweiten Film Jarmuschs ("Stranger than Paradise") eine Hauptrolle übernahm. Lurie sollte dann auch im dritten Film "Down by Law" neben Tom Waits wieder auftreten. "Stranger than Paradise" entwickelte sich Anfang der 1980er zum absoluten Kultfilm, weil er den Nerv eines jungen Publikums traf.

Drei Männer im Sumpf: Jarmuschs "Down by Law" (auf DVD bei Studiocanal erschienen)Bild: Studiocanal/Arthaus

Mit dem linkisch-coolen Auftritt seiner männlichen Darsteller konnten sich viele junge Zuschauer identifizieren. Gerade, weil in den Filmen kaum etwas Dramatisches geschieht, weil die Protagonisten meist nur rumhängen, wurden Jarmusch-Filme zu einer ganz spezifischen Kinoerfahrung für viele.

Jarmusch schaute einfach auf seine Protagonisten, und wenn diese zumeist fast nichts taten, dann zeigte der Regisseur dieses Nichts auch in aller Deutlichkeit: "Ich glaube, die Leute neigen dazu, Dinge zu sehr zu dramatisieren - besonders im Film", sagte Jarmusch später einmal. "Sie wollen, dass es die ganze Zeit spektakulär zugeht, und sie wollen einen Plot haben, Verwicklungen. Aber das Leben hat keinen Plot, und nicht jeder Augenblick ist dramatisch." Vielen Zuschauern gefiel das.

Jim Jarmusch: Kunstwillen und Coolness

Das Nichtstun, die scheinbare Langeweile, die wenig dramatischen Handlung, die spärlichen Dialoge und die ausgesuchten Bildkompositionen, all das wurde Kult. Der Publizist Georg Seeßlen drückte es so aus: "Jede Einstellung könnte man auch als Kunstdruck ins Wohnzimmer hängen. Jede Dialogzeile könnte Eingang in einen Lyrik-Band finden." Auf manche Zuschauer wirkte gerade dieses gekonnt inszenierte Understatement wie eine modische Attitüde. In seinem Buch über die American-Independent-Szene schrieb der britische Filmkritiker Geoff Andrew über Jarmuschs Debüt: "'Permanent Vacation'" wirke "seltsam gestelzt und erscheint sehr stark als Produkt seiner Zeit… So hängt dem Film doch ein Hauch des Modischen an."

Auch mit über 60 noch sehr rebellisch: Jarmusch und Iggy Pop 2016 in Cannes Bild: picture-alliance/dpa/EPA/J. Warnand

Beide Sichtweisen sind richtig - und sie treffen auch auf Jarmuschs spätere Arbeiten zu. Unbestreitbar hat Jim Jarmusch dem unabhängig produzierten US-Film eine ganz eigenständige Note beigefügt, ästhetisch und inhaltlich. Dass er dabei selbst zur Mode der Zeit beitrug, kann man ihm nicht vorwerfen.

Mit seinen letzten beiden Arbeiten, dem poetischen Spielfilm "Paterson" sowie der Musikdokumentation "Gimme Danger" über die Ikone Iggy Pop (beide von 2016), hat Jarmusch zudem bewiesen, dass er längst noch nicht an die Rente denkt.

Das komplette Werk des Regisseurs inklusive seiner Kurzfilme liegt n einer Jim-Jarmusch-Edition auf DVD vor. Enthalten sind darin auch viele Dokumentationen über den Filmemacher und sein Werk. Anbieter ist "Studiocanal/Arthaus".

 

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