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Politik

Corona: Hotel-Übernachtung? Vielleicht im Mai

25. Februar 2021

Schulen, Handel, Restaurants - was darf wann wieder öffnen? Hotels stehen ganz am Ende der Liste. Was macht das mit Menschen, die von Gästen leben? Eine Reportage von Sabine Kinkartz.

Deutschland Corona-Pandemie | Ferienwohnungen im Eifeldorf Gemünd. Vermieter Jan Lehmann sitzt auf der Terrasse eines seiner Häuser auf einer Schaukel.
Jan Lehmann auf der Terrasse eines seiner FerienhäuserBild: Sabine Kinkartz/DW

Jan Lehmann ist ein Mann, der auf den ersten Blick viel Kraft und Lebensfreude ausstrahlt. Der 54-Jährige ist in der Eifel zuhause, einem Mittelgebirge im Westen Deutschlands. Hier gibt die Natur noch den Ton vor: Berge, Täler, kleine Flüsse und Seen, bizarre Felsen und sehr viel Wald. Vor zwei Jahren hat sich Lehmann selbständig gemacht und vermietet zusammen mit seiner Frau Sandra 18 Ferienhäuser, die sie mit dem dazu gehörenden Land und dem Wald gepachtet haben. 15 Jahre läuft der Vertrag mit dem Besitzer, der auch im Lockdown auf der vollständigen Zahlung der Pacht besteht.

Die Ferienhäuser von Jan Lehmann stehen leerBild: Sabine Kinkartz/DW

Ein paar der aus dicken Baumstämmen im kanadischen Stil gezimmerten Häuser stehen im kleinen Ort Gemünd am Rand des Nationalparks Eifel. Vor den überdachten Terrassen plätschert das Flüsschen Urft und die Vögel zwitschern. Gäste haben hier seit Anfang November nicht mehr eingecheckt. "Mit dem Lockdown im Frühjahr 2020 sind wir inzwischen sechs Monate geschlossen und haben keine Einnahmen", sagt Jan Lehmann bedrückt, während er in die hohen Bäume blickt.

Zwischen hohen Bäumen fließt der kleine Fluss UrftBild: Sabine Kinkartz/DW

Unsinnige Schließung

"Wissen Sie eigentlich, wie das ist, wenn man in Talkshows Politiker und Virologen sieht, die sagen, dass Ferienwohnungen in der Corona-Pandemie sichere Orte sind?", fragt er bitter. "Entscheidungsträger haben die Unsinnigkeit der Schließungen erkannt und trotzdem dürfen wir nicht arbeiten." Es falle ihm zunehmend schwer, sich zu motivieren, sagt Lehmann und wirkt in diesem Moment fast kraftlos. "Sie können sich nicht vorstellen, was das mit einem macht." Manchmal fragt sich Lehmann morgens, warum er noch aufstehen soll.

Jeder Gast kann kontaktlos einchecken, für den Schlüsselkasten gibt es vorab einen CodeBild: Sabine Kinkartz/DW

Es ist vor allem die fehlende Planbarkeit, die das Ehepaar mürbe macht. Seit Ende Oktober 2020 wurden von der Politik immer wieder Termine genannt, an denen der Lockdown zu Ende sein sollte. Stattdessen wurde er jedes Mal verlängert. "Die Politik fährt auf Sicht", so Lehmann. "Für uns bedeutet das aber, dass wir immer wieder Buchungen annehmen und anschließend stornieren und das Geld erstatten müssen."

Bangen um die Existenz

In den Weihnachtsferien und über den Jahreswechsel wären die Ferienhäuser ausgebucht gewesen. Anschließend lockte viel Schnee und seit Mitte Februar außergewöhnlich warmes Wetter mit viel Sonne die Menschen in die Eifel. "Gäste rufen an und fragen uns, ob wir nicht eine Ausnahme machen können, damit man mal ein paar Tage hier wohnen und sich erholen kann, aber wir dürfen es nicht."

Alles ist bereit, sollten die Gäste wieder anreisen dürfenBild: Sabine Kinkartz/DW

Mit jeder Woche Lockdown bangen Jan Lehmann und seine Frau mehr um ihre Existenz. Die im gut gelaufenen Sommer 2020 gebildeten Rücklagen sind aufgebraucht und die zugesagten staatlichen Hilfen lassen auf sich warten. "Das Geld kommt mit drei Monaten Verspätung und wer glaubt, dass die Hilfen reichen würden, dem muss ich sagen, das stimmt nicht." Die Kosten seien nur zu 90 Prozent gedeckt und ein Unternehmerlohn nicht vorgesehen.

Eilantrag auf Öffnung

Im vergangenen Frühjahr hat Lehmann erfolglos versucht, vor Gericht die Öffnung seines Unternehmens einzuklagen. Das will er jetzt noch einmal versuchen. Ende März beginnen die Osterferien, alle Häuser sind ausgebucht. "Wenn Ostern immer noch ein Beherbergungsverbot ausgesprochen wird, wird das für uns einen extremen Schaden haben", sagt Jan Lehmann. Auf die Frage, was er machen wird, wenn es so kommen sollte, zuckt er mit den Schultern und lacht kurz bitter auf. Darüber will er nicht nachdenken.

Die fehlende Planungssicherheit macht vielen zu schaffenBild: Sabine Kinkartz/DW

Da ist die Hotelbesitzerin Manuela Baier schon einen Schritt weiter. "Ostern werden wir immer noch geschlossen sein", ist sie überzeugt. Seit sechs Jahren betreibt Baier mit ihrem Mann das Tagungs- und Wellnesshotel Kallbach im Eifel-Dorf Simonskall, eine gute halbe Stunde Autofahrt von Gemünd entfernt. "Ich kann rechnen", sagt Baier, die im Vorstand eines großen Modeunternehmens war, bevor sie sich mit dem Hotel selbständig machte. "Wenn die Schulen aufmachen und dann zwei Wochen abgewartet wird, wie sich die Neuinfektionen entwickeln und dann vielleicht der Handel wieder öffnen darf und wieder abgewartet wird, dann ist doch schon fast Ostern."

Das Landhotel Kallbach in Simonskall Bild: Sabine Kinkartz/DW

Hotels stehen in der Öffnungsperspektive ganz hinten

Die 54-Jährige erzählt von einem Abend Anfang Februar, als sie ein TV-Interview der Bundeskanzlerin gesehen hat. Angela Merkel redete über Öffnungsperspektiven, sprach von Schulen, Universitäten, von privaten Kontakten, Kinos, Theater und Sportvereinen. Beherbergungsbetriebe nannte sie ganz zum Schluss: " …. und eines Tages auch die Hotels", sagte die Kanzlerin.

35.000 Euro Miete hat der temporäre Anbau auf der Terrasse Manuela Baier gekostet Bild: Sabine Kinkartz/DW

"Da habe ich den Fernseher ausgeschaltet und seitdem träume ich nachts von dem Satz", sagt Manuela Baier, die derzeit darauf setzt, dass sie im Mai wieder öffnen darf. Finanziell wird das ein Kraftakt. Ihre 21 Mitarbeiter sind in Kurzarbeit, aber das Hotel kostet auch im Stillstand Geld: Heizung, Strom, Versicherungen. "Wenn ich das Haus monatelang verkommen lasse, verschimmelt mir alles." Allein zweimal pro Woche müssen in den 52 Zimmern alle Wasserleitungen gespült werden, um einen Befall mit Legionellen zu verhindern, gefährlichen Bakterien, die sich im Wasser ansiedeln.

Im Wellness-Bereich ist alles trockengelegtBild: Sabine Kinkartz/DW

Zehn Jahre länger arbeiten für die Rente

Auch Baier reichen die staatlichen Hilfen nicht, um über die Runden zu kommen. Das Hotel hat kaum Rücklagen, weil die Gewinne immer wieder investiert wurden. Sei es in die Renovierung der Zimmer oder den Ausbau des Wellness-Bereichs. "Ich habe seit Oktober kein Gehalt, zahle aber allein 700 Euro monatlich für meine Krankenkasse", klagt die Unternehmerin. Sie lebt von ihren privaten Rücklagen, die eigentlich für die Alterssicherung gedacht waren. "Ich weiß jetzt schon, dass ich zehn Jahre länger als geplant arbeiten muss."

Auch der Minigolf-Platz neben dem Hotel ist verwaistBild: Sabine Kinkartz/DW

Gerade wird die "Orangerie" abgebaut, die Baier im Oktober auf der Restaurant-Terrasse eingerichtet hatte, um den Abstand zwischen den Gästen auch in den Wintermonaten gewährleisten zu können. 35.000 Euro hat sie die Miete des temporären Anbaus gekostet, 8.000 Euro bekam der Elektriker, der 350 Meter Stromkabel für die Beleuchtung und die Heizstrahler verlegen musste. "Ich habe mit dem Abbau immer wieder gezögert, weil ich auf die von der Politik genannten Lockdown-Fristen vertraut hatte", sagt Baier.

"Die Politik hat mich verloren"

Keine Planungssicherheit, keine Verlässlichkeit, zu viele Enttäuschungen - das hat auch Manuela Baier zugesetzt und sie verändert, wie sie sagt. "Dieses ständige Vertrösten raubt einem die Kraft. Die Politik hat mich verloren." Sie habe alles getan, was von ihr verlangt worden sei: Alle Hygiene-Auflagen erfüllt, sich penibel an die Vorschriften gehalten. "Ich wüsste nicht, was wir noch besser machen könnten."

Die Eifel: Berge, Täler, Seen und ganz viel WaldBild: Sabine Kinkartz/DW

Das Landhotel liegt an einem Weg, der ins Wandergebiet führt. Seit Wochen muss Baier zusehen, wie vor allem an den Wochenenden hunderte Spaziergänger an ihrem Haus vorbeilaufen. Viele von ihnen nutzen den leeren Hotelparkplatz, um hier eine Pause zu machen und zu picknicken. "Wissen Sie, wie weh das tut, sich das anzugucken?", fragt Baier resigniert.

Bürgermeister mit zwei Herzen in der Brust

Bernd Goffart, der Bürgermeister von Simmerath, einer der größeren Eifel-Gemeinden, kann die Hotelbesitzerin gut verstehen. "Jedes Bett, das jetzt nicht belegt ist, ist verloren. Was sie jetzt nicht erwirtschaften, können sie nicht mehr aufholen." Gleiches gelte für die Restaurants und die übrigen touristischen Einrichtungen, die geschlossen seien.

Bernd Goffart, Bürgermeister von SimmerathBild: Sabine Kinkartz/DW

Aber auch der Ansturm der Tagestouristen bereitet Goffart in der derzeitigen Lage Bauchschmerzen. "Alles ist zu und die Menschen kommen trotzdem." Vor allem auf den bekannten Wanderwegen würden sich an den Wochenenden viel zu viele Menschen begegnen, als in der Corona-Pandemie tolerierbar sei. "Da schlagen dann zwei Herzen in meiner Brust: Ich bin ja normalerweise froh über jeden Gast, aber nicht mehr, wenn wir überrannt werden."

Die Pandemie als Chance für die Eifel

In der Gemeinde laufen Planungen, um den Verkehr besser zu lenken. Jenseits der touristischen Zentren gebe es noch viele Gebiete, die geradezu menschenleer seien. Mittel- und langfristig sieht der Bürgermeister in der Pandemie auch eine Chance für die Eifel. "Viele Menschen, die im vergangenen Jahr hier zum ersten Mal Urlaub gemacht haben, haben gesehen, wie schön es hier ist." Wenn Corona vorbei sei, könne seine Region davon nur profitieren.

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