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Berliner Clubs: Feiern nach der Pandemie

Christine Lehnen
23. Juli 2021

Mit Test oder Impfung: Die weltberühmte Clubszene Berlins feiert wieder - drinnen und draußen, vom abgelegenen Waldstück bis ins legendäre Berghain.

Berliner Nachtleben
Diese Aufnahme stammt zwar aus Zeiten vor der Pandemie - doch dank Impfungen und Tests lebt das Nachtleben in Deutschland langsam wieder aufBild: Sophia Kembowski/dpa/picture alliance

Es ist vermutlich einer der bekanntesten Clubs der Welt: das Berghain in Berlin. Doch das Nachtleben verträgt sich nicht gut mit Maskentragen und Mindestabstand. Deshalb brachte die Corona-Pandemie auch im Berghain den Betrieb zum Erliegen, so wie in den Clubs und Konzerthäusern in ganz Deutschland.

Feiern dürfen getestete, genesene oder geimpfte Menschen

Inzwischen wird im Berghain aber wieder gefeiert - wie überall in Deutschland ist das draußen nämlich erlaubt, im Berghain zum Beispiel im "Diskogarten", einem Outdoorbereich für ungefähr 200 bis 300 Leute. "Dort steht man aktuell drei Stunden an", berichtet Stephan Hengst von der Berlin Music Commission im Telefoninterview mit der DW. "Die Party beginnt da schon in der Schlange." Zwar seien solche Wartezeiten für das Berghain nichts Ungewöhnliches, gibt er zu. Damit würde der berühmte Club auch durchaus kokettieren. Dass sich die Leute so lange in die Schlange stellen, zeige aber in diesem Sommer vor allem eines: "Die Leute wollen feiern."

Ihrer Partylust können die Menschen in Deutschland also wieder nachgehen - wenn auch mit Auflagen, die sich von Bundesland zu Bundesland unterscheiden. Während in London schon wieder ganz ohne Beschränkungen gefeiert wird, gelten in Deutschland weiterhin gewisse Schutzregeln: Im Land Berlin etwa, wo sich das Berghain befindet, sind Veranstaltungen in Innenräumen für 200 bis 300 Personen momentan auch ohne Mindestabstand und Maske gestattet, im Außenbereich dürfen sogar 1000 Menschen zusammen feiern – allerdings immer vorausgesetzt, es liegt ein negatives Testergebnis, ein Impfnachweis oder ein Beleg über eine Genesung von Covid-19 vor. Wissenschaftler begrüßen diese Vorsichtsmaßnahmen, internationale Experten halten die britische Öffnungsstrategie für sehr riskant.

Den größeren Spielraum in Deutschland haben sich die Berliner Clubs mit Außenbereichen zunutze gemacht: Dort kann man nun wieder tanzen - zum Beispiel im "H13", dem "Haselhorst 13", einem reinen Outdoorclub in einem abgelegenen Waldstück in Spandau. "Das waren zu Beginn ein paar Kids, die da nicht angemeldete Partys gefeiert haben", berichtet Stephan Hengst. "Dann ist die Clubcommision auf sie zugekommen und hat mit ihnen einen offiziellen Open-Air-Veranstaltungsort daraus gemacht."

Einige Clubs gelten in Deutschland seit 2020 als Kulturstätte

Kunst von Rirkrit Tiravanija am BerghainBild: Rirkrit Tiravanija

Die Berlin Music Commission ist eine gemeinnützige Interessenvertretung der Berliner Musikwirtschaft. Gemeinsam mit der Berliner Clubkommission repräsentieren die beiden Vereine damit eine Szene, die ganz besonders hart von der Pandemie getroffen wurde. "Im Veranstaltungsbereich betrugen die durchschnittlichen Umsatzeinbußen in den letzten 18 Monaten 70 Prozent", führt Hengst aus. "Für manche waren es 100 Prozent."

Seit dem Jahr 2020 sind laut Beschlüssen des Deutschen Bundestags einige Clubs in Deutschland als Kulturstätten anerkannt - und zwar dann, wenn sie ein kuratiertes Kulturangebot vorweisen können. Auch das war eine Folge der Pandemie, in der sich viele Clubbetreiber darüber beschwert hatten, sie würden wie Spielhallen behandelt. Während der Pandemie wandelte sich das Berghain so zum Ausstellungsort. Allen Katastrophenrufen zum Trotz blieben massenhafte Schließungen bisher aus.

Ruf nach mehr Planungssicherheit

Trotzdem sieht Stephan Hengst von der Berlin Music Commission noch Verbesserungsbedarf auf Seiten der Politik: Er wünscht sich vor allen Dingen mehr Planungssicherheit. "Verordnungen gelten immer nur für vier Wochen, überprüft werden sie alle zwei Wochen." Wenn man bedenkt, dass gerade die Konzert- und Tourneeplanung eigentlich drei bis sechs Monate Vorlauf benötigt, sind diese Zeiträume zu kurz.

Im Moment treten hauptsächlich Künstlerinnen und Künstler auf, die ohnehin in Berlin lebten, so Hengst. "Eine Absichtserklärung der Politik würde uns schon genügen: 'Wenn die Fallzahlen sinken, wollen wir folgende Regeln verabschieden.' Oder auch: 'Wenn die Fallzahlen wieder steigen, dann wird es wieder folgende Einschränkungen geben.'" Immerhin: Inzwischen würden sie von der Berliner Politik vor einer neuen Verordnung befragt und könnten ihre Standpunkte einbringen, so Hengst. 

"Manche glauben, Corona gibt es nicht mehr"

Nicole Tenbrock, Geschäftsführerin der Berliner Columbiahalle und des Columbiatheaters, sieht neben der Politik auch das Publikum in der Pflicht. "Manche Leute sind inzwischen beratungsresistent, wenn man sie aufklären möchte - wenn man sie zum Beispiel bittet, bei einer Veranstaltung eine Maske zu tragen", berichtet sie im Telefongespräch mit der DW. "Man hat den Eindruck - und das habe ich auch schon von anderen Kollegen gehört - dass manche Menschen glauben, dass es Corona gar nicht mehr gibt."

Lights on im Kölner "Bootshaus"Bild: DW/Bettina Baumann

Außerdem weißt sie darauf hin, dass sowohl in Deutschland als auch in Berlin dieses Jahr gewählt wird. "Jetzt versucht jeder, Zugeständnisse zu machen. Aber wann machen wir die Rolle rückwärts?" Auch sie würde sich über mehr Planungssicherheit freuen - und möchte vor allen Dingen eines: wieder Konzerte veranstalten, auch gerne mit Maske. "Wir stehen voll und ganz hinter den Corona-Maßnahmen."

"Komplette soziale Distanz, da gehen die Menschen kaputt"

Im Gespräch mit der DW betont Stephan Hengst die wichtige soziale Funktion gemeinsam geteilter Konzerterlebnisse und gemeinsamen Feierns: "Die Pandemie hat gezeigt, dass ein Minimum an Gemeinschaft wichtig ist für die geistige Gesundheit der Menschen." Er ist überzeugt: "Komplette soziale Distanz, da gehen die Menschen kaputt. Wenn man Familie zuhause hat, geht das noch. Aber viele Menschen in Berlin sind Singles, die haben niemanden - und sollten eine Zeit lang ja nicht einmal ihre Eltern besuchen." Das gilt auch für die Menschen in vielen anderen deutschen Großstädten, etwa in Köln - dort befindet sich der inzwischen international wohl berühmteste Club Deutschlands, das Bootshaus, das den achten Platz der bekanntesten Clubs weltweit belegt.

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Ein weiterer Hinweis auf die steigende Einsamkeit gerade unter jüngeren Menschen könnten auch die nicht angemeldeten Partys und Feiern sein, die in Städten in ganz Deutschland stattfinden. Ein Sprecher der Berliner Polizei berichtet der DW: "Wenn die Menschen nicht feiern können, dann suchen sie Ausweichmöglichkeiten, das kann man schon feststellen." Er betont aber, dass dazu keine Statistik geführt würde. Und: "Wir sind da ziemlich zugewandt unterwegs, auch weil sich die Regeln ja ständig geändert haben." Er beschreibt die Lage so, dass die Polizei in den Fällen unerlaubter Feiern "eher aufklärend tätig" wird.

In ganz Deutschland wird also diesen Sommer trotz wieder steigender Inzidenzen gefeiert - vorausgesetzt, das Wetter stimmt. Auf der Internetseite des Berghains findet sich dazu der lapidare Hinweis: "Veranstaltung findet nur bei trockenem Wetter statt."

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