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Politik

"Der Impfstoff stimmt mich optimistisch"

Diana Hodali
30. Dezember 2020

Zu Beginn der Corona-Pandemie hat die DW Frauen aus verschiedenen Ländern in Nahost - auch aus Kriegsgebieten - zu ihren Wünschen und Sorgen befragt. Neun Monate später wollten wir wissen, wie es ihnen ergangen ist.

Faten Jebai, Journalistin Beirut, Libanon 2020
Faten Jebai arbeitet mittlerweile wieder in ihrer Heimatstadt Beirut - aber von zu Hause ausBild: Privat

Faten Jebai lebt in Beirut, der Haupstatdt des Libanon. Die 29-Jährige ist Videojournalistin und Medientrainerin.

Es war eine lange Reise. Vor neun Monaten war ich gerade für einen neuen Job nach Doha in Katar gezogen. Kaum angekommen, gab es sofort einen Lockdown. Ich war alleine ohne meine Familie, und mir ging es mit der Zeit emotional immer schlechter. Mein neuer Job und Corona hatten mich an diesen Ort gebunden. Wenn ich meine Eltern hätte besuchen wollen, hätte ich nicht mehr zurückkommen können, und ich hatte den Job gerade erst angefangen. Das war eine harte Zeit für mich - ohne soziale Kontakte, nur in meiner Wohnung. Als ich gemerkt habe, dass uns Corona noch eine Weile begleiten wird, habe ich beschlossen, meine Anstellung gegen eine Arbeit als Freiberuflerin zu tauschen und bin wieder nach Beirut gezogen. Das ist erst wenige Wochen her. Ich arbeite weiterhin für das Unternehmen - aber eben aus der Ferne.

Libanon: Frauen begehren auf

06:37

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Ich bin glücklich, diese Entscheidung getroffen zu haben. So bin ich wenigstens wieder bei meinen Lieben zu Hause. Ich weiß, dass ich mich glücklich schätzen kann, aus dem Homeoffice heraus arbeiten zu können. Doch gleichzeitig strengt mich dieses virtuelle Leben auch an. Ich habe lange Zeit auch keine Freunde online getroffen, weil mir das alles zu viel war. Langsam gewöhne ich mich aber daran.

Wenn ich Doha mit Beirut vergleiche, dann war in Doha viel mehr geregelt - die Maßnahmen waren eindeutiger, Masken waren Pflicht, die Leute haben sich daran gehalten. In Beirut ist das nicht der Fall.

Man hat hier - wie bei vielen Dingen - nicht den Eindruck, dass es überhaupt eine Regierung gibt, die sich kümmert. Es gab zwar Lockdowns, aber Masken tragen die Wenigsten und die Menschen treffen sich auch. Der Impfstoff stimmt mich optimistisch - auch, wenn er erst in den nächsten Monaten im Libanon ankommen soll. Es ist natürlich schade, dass wir so lange warten müssen, während andere Länder bereits mit Impfungen begonnen haben. Dennoch: Das Schlimmste, glaube ich, habe ich hinter mir. Und in der zweiten Hälfte von 2021 wird vielleicht vieles besser werden.

"Ich habe Angst, mich erneut mit Corona zu infizieren"

Huda Khayti ist 41 Jahre alt und leitet ein Frauenzentrum in Idlib in Nordsyrien. Die Provinz ist das letzte Rückzugsgebiet der sämtlicher Rebellen im Syrien-Krieg.

Huda Khayti (rechts) leitet in Idlib ein Frauenzentrum - im September hat sie sich mit dem Coronavirus infiziert Bild: H. Khayti

Diese Krankheit sollte keiner auf die leichte Schulter nehmen. Ich habe mich Ende September mit dem Coronavirus angesteckt. Und ich spüre bis heute die gesundheitlichen Auswirkungen der Infektion. Ich habe Konzentrationsschwierigkeiten, bekomme schwerer Luft, und auch das Maske tragen fällt mir dadurch schwerer. Gleichzeitig habe ich Angst, mich erneut zu infizieren. Ich meide jeden, der auch nur den Anschein von Symptomen hat.

Als die Pandemie begann, war ich mir dessen nicht so bewusst. Hier herrscht Krieg und es gibt so viele andere Krankheiten. Wir stehen hier vor so vielen Herausforderungen, da stand Corona nicht oben auf der Agenda. Auch wenn ich die Maßnahmen immer befolgt habe. Ich habe mich dennoch infiziert.

Ich habe den Luxus einer eigenen Wohnung. Aber was sollen die Menschen in den überfüllten Flüchtlingslagern sagen, die sich oft zu zehnt ein Zelt teilen? Es mangelt an Masken, Desinfektionsmittel, Handschuhen. Dutzende teilen sich ein Bad. Seit Beginn der Corona-Krise sind wir hier in Idlib auch nicht mit genügend Testkits ausgestattet worden. Wenn ich mir anschaue, wie wir die vergangenen Monate mit den wenigen Mitteln gegen das Coronavirus kämpfen mussten, gehe ich nicht davon aus, dass wir in Idlib in naher Zukunft einen Impfstoff sehen werden. Daher brauche ich mir darüber keine Gedanken zu machen.

"Die Lockdowns und die Langeweile machen mir zu schaffen"

In Beit Jala im Westjordanland (Palästinensische Autonomiegebiete) lebt Loreen Msallam. Die 38-Jährige ist Leiterin der Sprachschule Palingual, die sie dieses Jahr eröffnet hat.

Ich hätte nicht gedacht, dass wir so lange in so einem Zustand leben würden. Zu Beginn der Pandemie war die Angst vor dem Coronavirus allerdings größer. Wir haben natürlich auch hier viele Fälle, aber zum Glück kenne ich niemandem, mit einem schweren Verlauf. Was mir mehr zu schaffen macht, sind die immer wiederkehrenden Lockdowns, die Langeweile.

Loreen Msallam (links) hatte lange auf ihren Traum einer eigenen Sprachschule Palingual in Beit Jala hingearbeitetBild: Privat

Ich habe drei Kinder. Für alle mussten wir Computer anschaffen, damit sie am Unterricht teilnehmen können. Ich unterstütze sie. Das alles verursacht eine Menge emotionalen Stress. Wir vermeiden es auch, uns mit vielen Menschen zu treffen. Mir fehlt das soziale Leben aber sehr.

Unsere Regierung hat sich bemüht, die nötigen Maßnahmen zu treffen. Und das ist nicht so einfach, denn es gibt hier immer noch Menschen, die glauben, das Corona-Virus gebe es nicht. Aber was ich nicht verstehe, ist, dass wir immer wieder nur zweitägige Lockdowns haben. Freitags und samstags wird dann alles geschlossen. Den Sinn dahinter hat hier keiner verstanden. Besonders, weil an den restlichen Tage alles normal weiterläuft.

Ich blicke sorgenvoll in die Zukunft. Jetzt gibt es eine neue Mutation, die noch ansteckender ist. Jedes Mal, wenn man denkt, es wird besser, kommt eine solche Nachricht. Dann kommt die Sorge wieder hoch, dass es einen komplette Lockdown geben könnte. Was das Impfen angeht: Ich habe Respekt davor. Ich weiß noch nicht, ob ich mich impfen lassen soll. Ich glaube aber auch, dass mir die nötigen Informationen fehlen, um zu verstehen, wie so schnell ein Impfstoff entwickelt werden konnte.

"Ich musste meine Hochzeit mehrmals verschieben"

Die 27-jährige Deema Deeb Abu Dalo ist Arichtekin. Sie lebt in der jordanischen Hauptstadt Amman.

Zu Beginn der Pandemie hatte Jordaniens Regierung die Lage im Griff. Die Gesundheit der Menschen stand im Vordergrund. Der erste längere Lockdown war gerechtfertigt und nötig. Aber im Laufe der Zeit hat die Regierung die Kontrolle meiner Meinung nach verloren. Viele Menschen sind auf tägliche Arbeit angewiesen. Dieser Arbeit nachgehen zu können, hat auch Einfluss auf die mentale Gesundheit, darauf, dass sie die Bildung der Kinder bezahlen können.

Sieben Mal hat Deema Deeb Abu Dalo ihre Hochzeit verschoben - schließlich fand sie im kleinen Rahmen doch noch stattBild: Privat

Statt immer wiederkehrender Lockdowns hätte ich mir eine Langzeitstrategie der Regierung gewünscht, dass sie mehr in Aufklärung und Kampagnen investiert, so dass die Bevölkerung verinnerlicht, warum sie sich an gewisse Maßnahmen halten muss.

Viele Leute sind nicht in der luxuriösen Situation, sich über Corona Gedanken machen zu können. Sie müssen ihre Familien ernähren. Es gibt auch kaum wirtschaftliche Hilfe. Ich weiß, dass auch die Regierung begrenzte Ressourcen hat, sie hätte sie aber besser einsetzen können. Ich habe unter den Lockdowns gelitten. Ich habe eine chronische Krankheit - und weil die Menschen sich nicht an die notwendigen Maßnahmen gehalten haben, musste ich mich streng isolieren. Das ist mir lange aufs Gemüt geschlagen.

Dazu kam: Ich war lange getrennt von meiner Familie, meine Mutter wohnt in Dubai. Ich musste meine Hochzeit mehrere Male verschieben. Es war eine emotionale Achterbahnfahrt. Mittlerweile geht es mir viel besser. Ich habe meinen Master in Architektur beenden können, ich habe geheiratet und ich blicke positiv in die Zukunft. Ich bin froh, dass die internationale Gemeinschaft daran gearbeitet hat, einen Impfstoff zu finden. Auch wenn ich lieber erstmal warten möchte, bis ich mich impfen lasse. Ich muss einfach noch mehr über den Impfstoff erfahren und lernen.

"Wir haben so viele andere Krankheiten"

Amal Mansour ist 29 Jahre und Journalistin. Sie lebt in Sanaa, der Hauptstadt des Jemen, in dem seit 2013 Krieg herrscht.

Sie wundern sich vielleicht über meine Haltung - gerade, weil ich aus einem Land komme, in dem Krieg und Armut herrschen. Meine Angst vor dem Coronavirus ist verflogen. Viele Menschen hier im Jemen haben vergessen, dass es Corona überhaupt gibt - und ich gehöre dazu. Auch die lokalen Medien berichten kaum noch darüber.

Amal Mansour macht sich keine Gedanken mehr um das Corona-Virus Bild: Privat

Vor neun Monaten hatte ich noch große Angst, trug eine Maske, habe Distanz gehalten. Hier wird nicht viel getestet, die Möglichkeiten sind nicht da und ich bekomme daher, zumindest aus meinem persönlichen Umfeld, nichts von Corona-Infektionen mit. Vielleicht sollen wir auch nichts mitbekommen, das weiß ich nicht. Schulen und Universitäten sind geöffnet, alle gehen arbeiten, die Städte sind voll.

Ich war irgendwann einfach müde. Ich wollte nicht mehr in Angst leben und habe beschlossen, meinen Alltag normal zu bestreiten. Meine Maske habe ich abgelegt, Distanz hält hier keiner mehr - das ist zumindest mein Eindruck. Wir haben hier so viele andere Krankheiten - der Fokus liegt nicht mehr nur auf Corona. Und wir wissen auch nicht, wer woran stirbt. Egal wo im Jemen: Wir haben so große andere Probleme, wie eine hohe Arbeitslosenquote, einen enormen Preisanstieg und auch Devisenverfall. Da kann es sich keiner leisten, über Corona nachzudenken.

Ich plane derzeit auch nicht - sollte es im Jemen in naher Zukunft möglich sein -, mich gegen das Virus impfen zu lassen. Ich bin bisher auch ohne Impfung gut ausgekommen. Vielleicht ist das, was ich denke und wie ich lebe, falsch. Aber so ist es eben.

Wie Judo Frieden nach Jemen bringt

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