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PolitikEuropa

Deutschland macht Landesgrenzen teilweise dicht

14. Februar 2021

Um Mitternacht hat Bayern die Grenze zu Tschechien und zum Bundesland Tirol in Österreich bis auf wenige Ausnahmen geschlossen. Innenminister Seehofer will mutierte Viren fernhalten. In der Grenzregion wird Kritik laut.

Grenzübergang Deutschland I Tschechien
Um Mitternacht wurden ständige Grenzkontrollen an der bayrischen Grenze zu Tschechien eingeführtBild: Bernd Riegert/DW

Die Bundespolizei hat sich in der Nacht bei klirrender Kälte von bis zu minus 20 Grad am Grenzübergang Schirnding zwischen Bayern und Tschechien postiert. Hier wie an allen anderen Übergängen zwischen Deutschland und dem neuerdings als "Mutationsgebiet" ausgewiesenen Tschechien gingen zwar keine physischen Schlagbäume herunter, aber jedes Fahrzeug auf der Bundesstraße wird angehalten, die Reisenden nach ihren Absichten befragt und falls nötig zurückgeschickt.

Bis zuletzt war nicht klar, welche Ausnahmen für das generelle Einreiseverbot, das Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) verhängt hatte, gelten sollen. Von der Bundespolizei hieß es, dass nur Berufspendler aus Tschechien, die im medizinischen Bereich oder "kritischer Infrastruktur" arbeiten, die Grenze passieren dürfen.

Ebenso sollen Lastwagenfahrer und Teilnehmer an Beerdigungen einreisen dürfen. Jeder Einreisende muss sich zuvor einem Corona-Test unterziehen. Unsicher ist, ob sich Berufspendler täglich, jeden zweiten Tag oder nur wöchentlich testen lassen müssen. Auch der Bahn- und Busverkehr zwischen Bayern und Tschechien wurde eingestellt.

Bayern will mehr Ausnahmen

Die bayrische Staatsregierung will nach der neuesten Einreiseverordnung, die erst wenige Stunden vor Mitternacht bekannt wurde, mehr Ausnahmen zulassen. So sollen auch Berufspendler einreisen können, deren Betrieb in Deutschland bescheinigt, dass ihre Mitarbeit unerlässlich ist. Dies dürfte zu erheblichen Diskussionen mit dem Bundesinnenministerium in Berlin führen, das die Ausnahmen möglichst eng fassen will.

Tschechien riegelt Riskiogebiete ab

Auf der anderen Seite der bayrischen Grenze, in den tschechischen Bezirken Eger und Sokolov sowie Trutnov im Norden Tschechiens gilt eine völlige Abriegelung. Die tschechische Polizei kontrolliert bereits seit Samstag die Zufahrten.

Allerdings könnte diese Abriegelung bereits am Sonntag wieder enden, weil sich das Parlament in Prag bislang nicht auf eine Verlängerung der am Sonntag generell auslaufenden Pandemie-Notstandsmaßnahmen einigen konnte. Damit fiele die rechtliche Grundlage für eine Abriegelung von Corona-Hotspots weg.

In Tirol bleiben Läden offen, entschied die LandesregierungBild: APA/EXPA/JFK/picture alliance

Kritik von den Pendlern

Auf der deutschen Seite der Grenze kritisierte der Landrat des Kreises Tirschenreuth die harte Einreiseregelung. Roland Grillmeier erklärte, die bisherige Teststrategie der Unternehmen für rund 23.000 tschechische Pendler in der Region sei völlig ausreichend gewesen. "Die positiven Testergebnisse lagen bei den Pendlern unter einem Prozent, am Freitag sogar bei Null", sagte Grillmeier.

Der Verband der tschechischen Berufspendler verlangte eine Entschädigung für das plötzliche de facto Einreiseverbot für viele Arbeitnehmer. "Es darf nicht sein, dass man von einem Tag auf den anderen auf der Straße landet", sagt Jan Triska von der Pendlervereinigung der Deutschen Presseagentur.

Der bayrische Ministerpräsident Markus Söder hatte in München erklärt, er sei für ein freies Europa, aber in der Pandemie müsse die Sicherheit oben stehen. Den bayrischen Behörden machen Studien Sorgen, dass die hohen Ansteckungsraten in den Grenzregionen zu Tschechien zu über 60 Prozent von der Virusvariante B.1.1.7. aus Großbritannien verursacht werden sollen.

In Tirol soll sich die südafrikanische Variante verbreitet haben. Die Landesregierung in Tirol lehnt einen schärferen Lockdown ab. Die Bundesregierung in Wien hat deshalb mit der Abriegelung des Bundeslandes begonnen.

Seehofer platzt der Kragen: Die EU soll keine Hinweise gebenBild: Christoph Soeder/dpa/picture alliance

Seehofer wettert gegen EU

Bundesinnenminister Horst Seehofer griff unterdessen im Boulevardblatt "Bild" die EU-Kommission in Brüssel an. "Wir kämpfen an der Grenze zu Tschechien und Österreich gegen das mutierte Virus. Die EU-Kommission sollte uns unterstützen und nicht durch wohlfeile Hinweise Knüppel zwischen die Beine werfen", sagte Seehofer. Es reiche ihm, so der Minister; die EU-Kommission habe bei der Impfstoff-Bestellung genug Fehler gemacht.

Ein Sprecher der EU-Kommission hatte am Freitag darauf hingewiesen, dass die Staats- und Regierungschefs der EU beschlossen haben, Grenzkontrollen wegen Corona zu koordinieren und abzusprechen. Die EU-Kommission erwarte, dass dies eingehalten werde, auch im deutschen Fall. Diese Hinweise hatte Horst Seehofer wohl als kritische Bemerkung aufgefasst.

Verschärfte Einreisebestimmungen gelten bereits zwischen mehreren EU-Staaten. So hat Deutschland zum Beispiel auch die Einreise aus Portugal und der Slowakei untersagt. Mit diesen Ländern gibt es allerdings keine Landesgrenzen.

Im letzten Jahr hatten die Staats- und Regierungschefs der EU mehrfach beteuert, die Grenzen des kontrollfreien Schengen-Raums sollten nach den schmerzhaften Erfahrungen im Frühjahr 2020 unbedingt offen bleiben.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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