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Politik

Der Kampf gegen das Virus ist noch nicht gewonnen

23. Mai 2020

Kaum sind die Coronavirus-Auflagen in Deutschland gelockert, melden ein Restaurant und eine Kirche Neuinfektionen. Nur Einzelfälle? Dessen ungeachtet will Thüringen bald keine Maske und keinen Abstand mehr vorschreiben.

Corona-Ausbruch in Restaurant in Leer in Niedersachsen
Bild: picture-alliance/dpa/L-J. Klemmer

Nur wenige Tage nach Wiedereröffnung vieler Restaurants und Cafés in Deutschland scheinen sich in Niedersachsen mindestens elf Menschen in einem Lokal mit dem Coronavirus infiziert zu haben. "Die Infektionen stehen vermutlich in Zusammenhang mit einem Besuch in einem Lokal", teilte der Landkreis Leer jetzt mit. Positiv auf das Virus wurde auch der Inhaber des Lokals getestet, der zunächst als Koch in der Küche stand. Später gesellte er sich zu seinen Gästen. 

Ein Sprecher des Landkreises bestätigte, bei den Gästen habe es sich um eine geschlossene Gesellschaft gehandelt. Laut Augenzeugenberichten soll es Anhaltspunkte für Verstöße wie Händeschütteln, Verzicht auf Mundschutz und Nichtbeachtung des Mindestabstands gegeben haben. 

"Corona ist nicht vorbei" 

Der Landrat von Leer, Matthias Groote, warnte: "Dieser Ausbruch führt uns deutlich vor Augen: Corona ist nicht vorbei, das Virus kann sich jederzeit weiter verbreiten." In einem Video auf der Twitterseite des Landkreises nimmt Groote auch zu dem neuen Corona-Ausbruch Stellung: 

 

Die niedersächsischen Behörden ordneten nach dem neuen Corona-Ausbruch vorsorglich für mindestens 70 Menschen häusliche Quarantäne an. Weitere Testergebnisse stehen noch aus.

Das Gesundheitsamt in Leer geht davon aus, dass es sich nicht um einen Einzelfall mit nur wenigen Kontakten handelt. "Es ist ein Ausbruch mit gleichzeitig mehreren Infizierten und vielen Kontakten." Entsprechend aufwändig sei nun die Nachverfolgung. Im Landkreis Leer war zuvor laut Behördenangaben mehr als eine Woche lang keine bestätigte Neuinfektion gemeldet worden.

Die "Alte Scheune" im Landkreis Leer: Nach mehreren Neuinfektionen ist der Restaurant-Betrieb vorerst wieder geschlossen Bild: picture-alliance/dpa/L.-J. Klemmer

Eine Sprecherin des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga erklärte, durch das Hygiene- und Abstandskonzept, das der Verband erarbeitet habe, seien Neuinfektionen in Restaurants eigentlich nicht möglich.

Niedersachsen zählte zu den ersten Bundesländern, in denen Restaurants wieder geöffnet werden durften - seit dem 11. Mai werden Speisen und Getränke auch in geschlossenen Räumen serviert. In den Tagen darauf folgten nach und nach auch fast alle anderen Bundesländer. Ausnahmen gelten bis Montag noch in Bayern. Derzeit haben dort nur Biergärten und Außenbereiche geöffnet. 

In Bayern ist derzeit nur Außengastronomie erlaubtBild: picture-alliance/dpa/M. Mülle

Einige Experten warnen wegen der Corona-Pandemie weiter vor Zusammenkünften in geschlossenen Räumen. So erklärte Andreas Podbielski, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene an der Universitätsmedizin Rostock, die Gäste von Restaurants sollten möglichst draußen sitzen. "Da kommt es praktisch nicht zu Infektionen. Das Coronavirus wird ganz maßgeblich über die Luft übertragen." Draußen schütze der Luftzug davor.

Mehr als 100 Infizierte nach Gottesdienst-Besuch

Eine Bestätigung dieser These liefert möglicherweise auch der neue Corona-Ausbruch in Frankfurt am Main. Aus der hessischen Metropole wurden nach einem Gottesdienst in einer Kirchengemeinde der Baptisten mehr als 105 Neuinfektionen mit dem Coronavirus gemeldet. "Die weitaus meisten sind nicht sonderlich krank", zitiert der Berliner "Tagesspiegel" den Leiter des Frankfurter Gesundheitsamtes, René Gottschalk. "Nach unserem Kenntnisstand ist auch nur eine Person in einem Krankenhaus." 

Das Gebäude der Baptisten-Gemeinde in Frankfurt Bild: picture-alliance/dpa/B. Roessler

Allein aus Hanau haben sich nach Angaben eines Behördensprechers mindestens 16 Personen bei dem Gottesdienst infiziert. Religiöse Versammlungen sind in Hessen seit dem 1. Mai unter Auflagen wieder erlaubt.

Thüringen hebt allgemeinen Corona-Beschränkungen auf

Ungeachtet dieser Entwicklung könnten im ostdeutschen Bundesland Thüringen die vorsorglichen Corona-Auflagen wie Mundschutz, Mindestabstand und Kontaktbeschränkungen bald der Vergangenheit angehören. Ministerpräsindent Bodo Ramelow will den allgemeinen Lockdown zum 6. Juni aufheben. Details sollen in einer Kabinettssitzung Anfang der Woche beraten werden.

Schon jetzt beachten im Zentrum von Erfurt eher nur noch wenige Passanten Corona-Auflagen wie Abstand einhalten Bild: picture-alliance/dpa/M. Schutt

An die Stelle der landesweiten Vorgaben sollen dann nur noch lokale Maßnahmen treten, wenn in einer Region eine bestimmte Infektionsrate überschritten wird. Dafür ist ein Grenzwert von 35 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche im Gespräch.

Thüringens Regierungschef Bodo Ramelow will den Mund- und Nasenschutz am 6. Juni ganz ablegenBild: picture-alliance/dpa/M. Reichel

Nach Zahlen der Staatskanzlei in Erfurt lag die Infektionsrate landesweit zuletzt bei 5,8 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche. Insgesamt haben sich in Thüringen bisher nachweislich mehr als 2800 Menschen mit dem Coronavirus infiziert, 151 sind an oder mit der neuen Lungenkrankheit COVID-19 verstorben. Die Zahl der inzwischen genesenen Patienten wird auf mehr als 2400 geschätzt.

se/rb (dpa, afp, ndr)

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