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Corona-Gefahr in Berlin wächst

Jens Thurau | Ben Knight
29. September 2020

In Berlin, vor allem in der Innenstadt, steigen die Corona-Infektionen. Die Kanzlerin ist besorgt - und verärgert über die Berliner Stadtpolitik.

Berlin Menschen feiern in einem Club
Bild: picture-alliance/dpa/S. Kembowski

Offiziell sind die Clubs in Berlin noch geschlossen, aber die Betreiber finden immer wieder kreative Möglichkeiten, das berühmte Nachtleben in der Stadt fortzuführen, auch in Corona-Zeiten. Beobachtungen aus Kreuzberg in den letzten Wochen: Sänger treten mit Plastik-Schildern vor ihren Mikrofonen auf, in den Innenhöfen der Clubs, dort, wo sonst die Raucher stehen, spielt sich jetzt das hauptsächliche Leben der Veranstaltungen ab. Zunächst bleiben alle Besucher dort sitzen, wo sie sollen. Auf Abstand, getrennt. Aber nach einigen Drinks beginnen die ersten mit dem Tanzen, zunächst verschämt um ihren Sitz herum, dann auch woanders. Sie bleiben bemüht, keine Fremden zu berühren, aber die Vorsicht schwindet. Surreal mutet das Ganze an. Beobachtungen, die zu den Zahlen passen: In der Altersgruppe der 20- bis 29-jährigen sind die Infektionsraten jetzt in der Hauptstadt am höchsten. Bei der Altersgruppe also, die gerne Clubs besucht.

"Diffuses Geschehen rund um Partys"

Besonders im Fokus: Die Innenstadtbezirke Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln, in denen ein junges und internationales Publikum wohnt. Laut aktuellem Lagebericht handelt es sich etwa in Berlin Mitte "um ein diffuses Geschehen, getragen von jungen, international Reisenden und Feiernden, die sich unterwegs beziehungsweise auch auf Partys anstecken und diese Infektionen dann in ihren Haushalten und Familien verbreiten."

Die 7-Tages-Inzidenz

Und das hat offenbar vor allem die Bundeskanzlerin auf den Plan gerufen. Am Montag warnte Angela Merkel in einer Videokonferenz des Präsidiums ihrer Partei, der CDU, mit drastischen Worten vor den Folgen einer Sorglosigkeit den höheren Infektionen gegenüber. Und das neue Zauberwort dabei heißt: 7-Tages-Inzidenz. Dieser Wert misst bis in kleinste Regionen die Zahl der neuen Infektionen innerhalb einer Woche je 100.000 Einwohner. In Berlin liegt der Wert mittlerweile bei 28,3, im Durchschnitt. Das ist immer noch nicht so hoch wie in München, hier lag der Wert zuletzt bei 37,58. Oder in Köln mit 34,0. Aber etwa im Berliner Innenstadtbezirk Mitte, in dem Parlament und Regierung liegen und auch das Kanzleramt, da liegt der Wert schon bei über 50. Und ab diesem Wert müssen die Behörden neue Einschränkungen erlassen. Welche genau, entscheiden die Behörden vor Ort.

Bald Zahlen wie in Frankreich? Die Kanzlerin schlägt wegen hoher Corona-Infektionen Alarm.Bild: Kay Nietfeld/dpa/picture-alliance

Situation wie in Frankreich möglich?

"Es muss in Berlin was passieren", das waren deshalb die Worte von Merkel, wird aus der Videokonferenz berichtet. Die oft gut informierte "Bild"-Zeitung will von Merkel diesen Satz überliefert erhalten haben: "Wenn es so weitergeht mit dem Trend, haben wir 19.200 Infektionen am Tag. Das ist wie in den anderen Ländern." Wie in Frankreich etwa, wo schon jetzt in den letzten Tagen zwischen 14.000 und 16.000 neue Ansteckungen zu verzeichnen waren. Experten, hieß es weiter, hätten für Merkel errechnet, dass der Wert von etwa 19.000 Infektionen täglich etwa kurz vor Weihnachten auch in Deutschland möglich sei. Was Merkel jetzt fordert, fasst sie in diesem Satz zusammen: "Die Wirtschaft am Laufen halten, Schulen und Kitas offen halten. Fußball ist dabei erst einmal sekundär."

Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg im Fokus

Besonders im Blick hat die Kanzlerin dabei den Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, in denen die Ämter die Mithilfe etwa der Bundeswehr bei der Nach-Verfolgung von Infektionsketten ablehnten. In allen anderen Berliner Stadtteilen, etwa im Gesundheitsamt in Wilmersdorf-Charlottenburg, helfen Soldaten seit Beginn der Pandemie mit. Dabei berichten Berliner Zeitungen, das Gesundheitsamt in Friedrichshain-Kreuzberg sei hoffnungslos überlastet und könne nicht mehr innerhalb von einem Tag alle betroffenen Kontaktpersonen eines Infizierten erreichen.

Geht in Wilmersdorf-Charlottenburg, aber nicht in Friedrichshain-Kreuzberg: Soldaten helfen im Gesundheitsamt.Bild: DW/J. Thurau

50 Euro Bußgeld bei falschen Angaben

Aus dem Kanzleramt heißt es zudem, die Regierung sei strikt dagegen, die Corona-Beschränkungen etwa in Restaurants und Kneipen weiter zu lockern. Wer dort bei Besuchen falsche Angaben macht, wenn er Name und Telefonnummer aufschreibt, muss künftig nun ein Bußgeld bezahlen - wenn er erwischt wird. Das Kanzleramt denkt aber darüber nach, zu fordern, den Alkoholausschank auch in Berlin zu beschränken. Fragt sich nur, wer das in der Millionenstadt effektiv kontrollieren könnte.

 

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