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Die Hilfe für Drogensüchtige schwindet

Elizabeth Schumacher phi
15. November 2021

Während der Corona-Pandemie ist die Zahl der Drogentoten sprunghaft angestiegen. Gleichzeitig fehlen Hilfsangebote für Süchtige. Denn Abstandsregeln und fehlende Finanzhilfen machen den Helfern die Arbeit schwer.

Drogensüchtiger
In geschützten Räumen können sich Abhängige Drogen spritzenBild: picture-alliance/dpa

Die vierte Welle hat Deutschland voll erwischt - die Zahl der Corona-Neuinfektionen erreicht Höchstwerte. Die Pandemie wirkt sich dabei massiv auf die Gesundheitsversorgung und andere staatliche Versorgungsleistungen aus. Das hat auch Folgen für Suchtkranke. Für sie ist das Leben schwieriger geworden - genauso wie für diejenigen, die sie unterstützen.

Das macht sich in den Statistiken bemerkbar: Die Zahl der drogenbedingten Todesfälle stieg im Jahr 2020 um 13 Prozent. "Der Beginn der Pandemie war schrecklich", sagt Urs Köthner, Leiter von "Freiraum Hamburg", einem Verein, der den Austausch gebrauchter Nadeln, Konsumräume, Beratung und Erste Hilfe für Drogenabhängige bietet. Die Organisation ist seit 1993 tätig und wird vom Gesundheitsamt in Hamburg finanziert. Sie ist aber in hohem Maße auf Spenden angewiesen, um während der Öffnungszeiten warme Mahlzeiten und individuelle Fallhilfe anbieten zu können, die nicht aus öffentlichen Mitteln finanziert wird.

Aufgrund geltender Abstandsregeln musste "Freiraum Hamburg" bereits Dienstleistungen und die Anzahl der betreuten Personen drastisch reduzieren, und in den letzten 18 Monaten gab es so gut wie keine staatliche Hilfe. Nun steht die Einrichtung, die größte ihrer Art im Land, sogar vor dem Aus.

"Freiraum Hamburg" - hier erhalten Drogenabhängige HilfeBild: freiraum hamburg e.V.

"Am Anfang war die Großzügigkeit groß, und wir haben viele Spenden erhalten", erinnert sich Köthner. Die Regierung jedoch bewegte sich "viel zu langsam - sie hatte keine langfristigen Pläne, also konnten wir auch nicht planen." Dadurch habe man auf dringende medizinische Bedürfnisse nicht mehr angemessen reagieren können. "Wir mussten und müssen immer noch von Woche zu Woche arbeiten. Und es dauerte sehr lange, bis die Regierung uns grundlegende Hilfsgüter wie Masken schickte, und als wir sie dann bekamen, waren sie von so schlechter Qualität, dass sie unbrauchbar waren."

Die wirtschaftlichen und sozialen Einschränkungen während der COVID-Pandemie haben zudem dazu geführt, dass Teilzeitjobs - auf die viele Menschen mit Suchtproblemen angewiesen sind - zeitweise verboten oder nahezu unmöglich waren. So etwa der Verkauf von Straßenzeitungen oder Sexarbeit. Köthner fügt hinzu, neben seiner eigenen Einrichtung hätten auch viele andere Hilfseinrichtungen die Zahl der freien Plätze drastisch reduzieren oder sogar schließen müssen.

Pandemie schwächt Sozialhilfenetz

Laut einer Studie im Auftrag der Bundesregierung sieht die Lage so oder ähnlich verzweifelt in ganz Deutschland aus. Mitarbeiter der Hilfseinrichtungen empfinden ihre Arbeit - insbesondere die Beratung - unter den Pandemie-Umständen demnach als äußerst schwierig. Sie weisen auf den Stress hin, der dadurch entsteht, dass sie eine Aufgabe ausführen müssen, die Nähe und Einfühlungsvermögen erfordert, während sie eine Maske tragen und einen Abstand von 1,5 Metern zu den Patienten einhalten müssen. Während der gesamten Pandemie sehen sich die Mitarbeiter zudem mit schrumpfenden Budgets konfrontiert, die viele dazu zwingen, ihre Arbeit einzustellen oder die Öffnungszeiten einzuschränken, gerade wenn die Patienten sie am dringendsten benötigen.

Drogenhandel dominiert das Darknet

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Menschen, die mit der Doppelbelastung von Obdachlosigkeit und Sucht zu kämpfen haben, berichteten den Forschern, dass sie vermehrt mit Zwangsräumungen und Geldstrafen durch die Polizei konfrontiert seien. Gleichzeitig war die Hilfe durch sozialen Kontakt und medizinische Leistungen, die für die Genesung oft entscheidend sind, eingeschränkt.

Köthners Erfahrungen decken sich mit den Ergebnissen der Studie, wonach der gemeinsame Konsum von Alkohol und verschreibungspflichtigen Medikamenten mit "harten" Drogen zugenommen hat, während die Lieferketten dieser harten Drogen - anders als bei vielen Konsumgütern - erstaunlicherweise nicht unterbrochen wurden. 

Sowohl Köthner als auch Heike Krause, Sprecherin des Drogennotdienstes Berlin, weisen zudem auf grundlegende Probleme hin, die sich durch die Pandemie noch verschärft hätten. Für Krause gehört dazu insbesondere die Immobilienthematik:  Der Wohnungs- und Büroflächenmarkt wird zusehends teurer, Flächen sind immer schwerer zu finden. Für das Zentrum des Drogennotdienstes Berlin in Kreuzberg hat das zu einer existenziellen Krise geführt; Ende des Jahres soll die Einrichtung geschlossen werden. Die katholische Hilfsorganisation Malteser hat die Verlängerung des Mietvertrages abgelehnt. Das Gebäude sei sanierungsbedürftig, begründen die Malteser ihre Haltung.

"Das Problem sind der Berliner Immobilienmarkt und die Gentrifizierung. Ausländische Investmentfirmen dürfen alles aufkaufen", sagt Krause und fügt hinzu: "Uns bleiben keinerlei Optionen, außer vielleicht irgendwo am äußersten Rand der Stadt, der für viele unserer Kunden kaum zu erreichen ist." Der Drogennotdienst Berlin kümmert sich seit 1984 um Drogenabhängige, Suchtgefährdete und ihre Kinder.

Entkriminalisierung und mehr Aufklärung nötig

Sowohl Krause als auch Köthner fordern die Entkriminalisierung aller Drogen und eine Veränderung der öffentlichen Wahrnehmung, die Sucht oftmals als willentliches Laster betrachtet. "Wir brauchen einen Systemwechsel ... Ein Heroinabhängiger sollte nicht im Gefängnis sitzen, nur weil er süchtig ist", sagt Köthner vom Freiraum Hamburg. Krause stimmt dem zu und äußert ihre Frustration darüber, dass viele, insbesondere Politiker, Entkriminalisierung mit Legalisierung gleichsetzten.

Demonstration für den Erhalt des DrogennotdienstesBild: Drogen Notdienst Berlin

In Berlin, sagt Krause, "wurden während der Pandemie die Clubs geschlossen, so dass es weniger Fälle von Missbrauch von Partydrogen wie MDMA gab ... aber die Leute tranken mehr Alkohol und es gab einen Anstieg des Konsums anderer Drogen wie Benzodiazepine". Sie werden eigentlich in der Psychiatrie zur Behandlung von Angst- und Unruhezuständen eingesetzt. Krause hält es für besonders töricht, die Konsumenten harter Drogen an einem Ort wie Berlin anzuprangern, wo "eine Mehrheit der Menschen Drogen nimmt; es kommt nur darauf an, welche stigmatisiert sind und welche nicht, wie etwa Alkohol."

Überall in Deutschland werden in ähnlichen Hilfseinrichtungen wie denen von Krause und Köthner jeweils Hunderte von Patienten betreut. Sie retten Leben durch den Austausch gebrauchter Nadeln, medizinische Untersuchungen und die Bereitstellung sicherer Orte für die Einnahme von Drogen und zum Schlafen. Doch die extreme finanzielle Unsicherheit, mit der sie konfrontiert sind und die durch die Pandemie noch verschärft wird, schränkt ihre Möglichkeiten, den Bedürftigen zu helfen, weiter ein.

Krause sagt, dass ihre Organisation von offizieller Seite nur sehr begrenzte Hilfe bekommen habe. "Wir haben einige Anrufe erhalten", allerdings erst nach einer Protestaktion zur Rettung des Hilfszentrums, sagt sie, "aber bisher keine konkrete Unterstützung." "Was wir von der Regierung brauchen, ist eine gewisse finanzielle Sicherheit", klagt Urs Köthner. "Wir müssen immer nach Wegen suchen, um unsere Finanzierung zu sichern, und das ist nicht in Ordnung."

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