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Politik

Corona-Hilfen: Eurogruppe steckt fest

Barbara Wesel
8. April 2020

Am Donnerstag verhandelt die Eurogruppe weiter über Corona-Hilfen. Die jüngste Nachtsitzung war an den Forderungen Italiens und Spaniens und am Widerstand der Niederlande gescheitert. Noch ist kein Kompromiss in Sicht.

EU Corona Bonds Symbolbild
Bild: picture-alliance/ROPI/A. Pisacreta

Der Bundesfinanzminister hofft auf "Erleuchtung" noch vor Ostern. Man sei "sehr einig geworden, aber noch nicht ganz". Und weil die Finanzbeschlüsse in der Eurogrippe einstimmig fallen müssen, wird am Donnerstag weiterverhandelt. Drei geplante Programme zur Unterstützung der Mitgliedsländer fänden im wesentlichen Zustimmung, berichtet der deutsche Finanzminister Olaf Scholz und plädiert an die nötige Solidarität zu Bewältigung der Corona-Krise, die jetzt schnell geschaffen werden müsse. Der interessante Teil liegt in dem, was er auslässt.

Die drei Programme, um die es geht, werden seit Tagen diskutiert. Erstens soll die Europäische Investitionsbank rund 200 Milliarden Euro zur Unterstützung von Klein- und Mittelständlern mobilisieren. Dann geht es um das "Sure" genannte Programm der EU-Kommission für eine Art EU-weites Kurzarbeitergeld im Umfang von 100 Milliarden. Und schließlich der Zankapfel ESM: Weitere 200 Milliarden sollen den Ländern aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus für langfristige und preiswerte Kredite zur Verfügung gestellt werden.

Italien möchte Geld, keine Auflagen

Hier dreht sich der Streit um die Konditionen. Diese Kredite sollten als "vorsorgliche Stabilisierung" eingesetzt werden, sagt der Bundesfinanzminister, und es werde "keine Troika in die Länder kommen", keine Kontrollinstanz aus Europäischer Zentralbank, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Kommission, wie sie etwa in Griechenland, Portugal und Spanien nach der Schuldenkrise im Einsatz war.

Gestritten wird per Videoschalte: Der niederländische Finanzminister Wopke Hoekstra beim Treffen der EurogruppeBild: picture-alliance/ANP/B. Maat

Was die Länder jetzt brauchten, sei Solidarität, Arbeitsplätze zu sichern und die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Die Bundesregierung will also von Reformverpflichtungen und anderen Forderungen absehen.

Und hier liegt der entscheidende Einwand der Italiener gegen den Einsatz des ESM: Rom will sich nicht mit Auflagen herumschlagen, sondern Geld bekommen ohne Konditionen. An diesem Punkt aber blockieren die Niederlande. Man wolle eine Ausnahme machen und medizinische Kosten ohne Bedingungen aus dem ESM finanzieren lassen. "Für die längerfristige ökonomische Unterstützung aber halten wir es für vernünftig, den Einsatz des ESM mit bestimmten wirtschaftlichen Bedingungen zu verknüpfen", erklärt der niederländische Finanzminister Wopke Hoekstra. Und genau das lehnt die Regierung in Rom vehement ab.

Streit um Vergemeinschaftung der Schulden

Das vergiftete Wort Corona-Bonds vermeidet Bundesfinanzminister Olaf Scholz. Er will für die Zeit nach dem Ende der jetzigen Krise eine Art Recovery Fund vorschlagen, einen Wiederaufbaufonds für die europäische Wirtschaft, die durch die Corona-Krise nach jüngsten Berechnungen um rund zehn Prozent schrumpfen könnte. Wie der aber aussehen soll und wo vor allem das Geld dafür herkommt, diese Debatte verschiebt Scholz auf später. Er will wohl erst sehen, wie die deutsche Wirtschaft dann dasteht.

Italien und Spanien wollen dagegen eine radikale Lösung, und zwar jetzt. Vor allem Italiens Premierminister Paolo Conte hält dies für den richtigen Zeitpunkt, eine Bresche für die Vergemeinschaftung der Schulden zu schlagen. Er fordert Corona-Bonds, für die die Eurozone gemeinsam haftet. Von den preiswerten Zinsen der besonders kreditwürdigen Länder, also Deutschlands und anderer Nordeuropäer, könnte dann quasi die gesamte Eurozone profitieren.

Besonders betroffen: In Norditalien transportieren Armeelaster die Corona-TotenBild: Imago/S. Agazzi

Die Banca d'Italia warnt in dem Zusammenhang, "die weitere Aussetzung der wirtschaftlichen Aktivitäten könne den Lebensunterhalt von Familien in der ganzen EU, nicht nur in Italien, gefährden". Ein Hinweis darauf, dass alle in Europa derzeit in einem Boot sitzen.

Zwar hatte auch der französische Finanzminister Bruno Le Maire sich kürzlich noch der Forderung der Südländer nach Corona-Bonds angeschlossen, jetzt aber unterstützt er Berlin zumindest bei den Sofortmaßnahmen. Olaf Scholz rief auf Twitter gemeinsam mit Bruno Le Maire zu einem Kompromiss auf.

Sein italienischer Kollege Roberto Gualtieri erklärte: "Es ist Zeit für gemeinsame Verantwortung, Solidarität und für kühne Entscheidungen."

Das Machbare oder die kühne Zukunftslösung - zwischen diesen Polen bewegt sich derzeit der Grundsatzstreit in der Eurogruppe. Auch in Deutschland gibt es da zwei Lager. So warnt etwa der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber, man dürfe jetzt nicht auf Maximalforderungen beharren. Das vorgeschlagene Paket von insgesamt rund 500 Milliarden Euro "dürfe jetzt nicht auf der Wegstrecke bleiben, weil einige Mitgliedsstaaten mit aller Macht Corona-Bonds durchsetzen wollen".

Dagegen kritisierte Anton Hofreiter, der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, die "ideologische Blockadehaltung" der Bunderegierung. Corona-Bonds seien eine "solidarische Antwort" auf die Krise.

Rechtlich nicht ganz einfach: Corona-Bonds

Es gibt auch ein rechtliches Argument: Österreich und Deutschland hätten verfassungsrechtliche Probleme mit der Aufnahme von Gemeinschaftsschulden. Das Bundesverfassungsgericht müsste sich damit auseinandersetzen, und schon bei der Einrichtung des ESM gab es in Karlsruhe Bedenken. Im niederländischen Parlament wiederum gibt es schlicht keine Mehrheit für Corona-Bonds. Und andere Mitgliedsländer müssten vielleicht sogar Referenden abhalten. Einige Juristen sagen, man müsse vielleicht sogar die europäischen Verträge ändern.

Für den Spatz in der Hand: Bundesfinanzminister Olaf Scholz nach den VerhandlungenBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Bundesfinanzminister Olaf Scholz wirbt deshalb dafür, lieber den Spatz in der Hand zu akzeptieren als die Taube auf dem Dach zu haben: Im ersten Schritt die Sofortmaßnahmen und dann könne man "kluge Programme für die Zukunft entwickeln", zum Beispiel Geld im europäischen Haushalt für den Wiederaufbau bereitstellen. Und die Kredite müssten auch erst ab 2023 zurückgezahlt werden, um den Volkswirtschaften Luft zu geben.

Signale aus Spanien deuten darauf, dass die Regierung von Pedro Sánchez hier zum Kompromiss bereit ist. Jetzt scheint es vor allem an Italien und den Niederlanden zu liegen, ob politische Erleuchtung tatsächlich noch vor Ostern zu erreichen ist.

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