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PolitikAsien

Corona im Frauentrakt des Evin-Gefängnisses

Mahindokht Mesbah
13. Juli 2021

Jüngste Corona-Fälle im Teheraner Evin-Gefängnis werfen ein Schlaglicht auf mangelnde Prävention und die gefährdete Lage der politischen Gefangenen im Iran.

Archivbild  | Iran: Gefängnis in Teheran
Zelle im Frauentrakt im Evin-Gefängnis (Foto von 2006) Bild: Getty Images/AFP/A. Kenare

Dutzende iranische Städte gelten derzeit als rote Zonen mit hoher Corona-Inzidenz, darunter auch die Hauptstadt Teheran. Die Stadt zu verlassen ist nicht erlaubt und wird mit einer Geldstrafe geahndet, nur systemrelevante Berufe können zur Zeit ausgeübt werden. Aber werden diese strengen Regeln auch in den Gefängnissen befolgt? Wie steht es um die Versorgung derjenigen, die eingesperrt sind und oft unter beengten Bedingungen leben? Diese Fragen bewegen aktuell die Angehörigen der Frauen, die wegen politischer Vergehen  im Teheraner Evin-Gefängnis Haftstrafen absitzen.

Die Umweltaktivistin Sepideh Kashani und die Demokratie-Aktivistin Zeinab Hamrang haben sich nach Informationen ihrer Familienangehörigen im Frauentrakt des Evin-Gefängnisses mit dem Coronavirus angesteckt. Ihre Familien beklagen die unzureichende Versorgung der Erkrankten und fragen: Wie ist das Virus zu den Gefangenen gelangt, die von der Außenwelt abgeschottet sind?

Umweltaktivisitinnen Sepideh Kashani (l) und Niloofar BayaniBild: IHR

Einhaltung von Abstandsregeln illusorisch

Die Angehörigen haben durch Anrufe herausgefunden, dass beide positiv auf Corona getestet und in Quarantäne geschickt wurden. Hamrang ist eine pensionierte Lehrerin, die wegen des Standard-Schuldspruchs "Propaganda gegen die politische Ordnung" zu fünf Jahren Haft, Kashani eine Umweltexpertin, die im Zuge eines Sammelverfahrens gegen acht Mitglieder von Umweltschutzorganisationen zu sechs Jahren Haft verurteilt wurde.

Mariam Claren, die Tochter von Nahid Taghavi, einer ebenfalls in Evin inhaftierten 66-jährigen Deutsch-Iranerin, sagte gegenüber der Deutschen Welle: "Ich habe meine Mutter in den vergangenen Monaten noch nie so aufgeregt und verärgert erlebt wie beim letzten Telefonat. Rund 25 Frauen werden dort auf engstem Raum festgehalten. Abstandhalten in Küche, Duschen und Toiletten ist praktisch unmöglich."

Ihre Mutter trage aufgrund ihres Alters ein hohes Risiko. "Als die ersten Insassinnen krank wurden", sagt Claren, "haben die Ärzte ihnen gesagt, das wäre eine einfache Erkältung." Erst nachdem sie Fieber bekommen hätten und positiv getestet worden seien, sei man darauf gekommen, dass es Corona ist. "Sepideh Kashani und Zeinab Hamrang sind jetzt in Quarantäne, aber was ist mit den anderen?", fragt Claren. "Die waren doch alle dicht beieinander. Sollte man da nicht auch die anderen Frauen testen?"

Die Deutsch-Iranerin Nahid Taghavi wurde im vergangenen Oktober ohne Begründung in Teheran verhaftet und befindet sich ebenfalls im Evin-Gefängnis. Bild: Privat

Keine routinemäßige Testung

Sadra Abdollahi, der Ehemann von Aliyeh Motallebzadeh, einer ebenfalls in Evin einsitzenden Journalistin und Frauenrechtlerin, sagte im Gespräch mit der Deutschen Welle: "Meine Frau hat mir gestern am Telefon berichtet, dass Zeinab Hamrang an Corona erkrankt ist und nun große Beunruhigung unter den anderen Gefangenen im Frauentrakt herrscht. Heute wurde mir dann gesagt, dass auch Sepideh Kashani positiv getestet wurde. Das Problem ist, dass im Gefängnis nicht routinemäßig getestet wird, sondern erst dann, wenn eine Insassin starke Symptome zeigt. Das ist gefährlich."

Die Gefangenen, so Abdollahi weiter, hätten kaum Kontakt zur Außenwelt. Darum müsse die Ansteckung durch das Gefängnispersonal oder bei einem Gerichtstermin erfolgt sein. "Solange die Gefängnisleitung nicht die nötige Sorgfalt aufbringt, unsere Angehörigen vor einer Ansteckung zu schützen", fordert Abdollahi, "sollte jetzt Hafturlaub gewährt werden, damit wir uns zuhause um unsere Nächsten kümmern können."

Anstehen für knappen Impfstoff im Iran Bild: shafaqna

Hafturlaub gefordert

Die Tochter von Nahid Taghavi nennt drei Hauptforderungen der besorgten Familien: "Erstens müssen alle Personen im Gefängnis getestet werden, zweitens muss das Gefängnispersonal die Hygienevorschriften einhalten, Maske tragen und die Räumlichkeiten desinfizieren, und drittens sollte Gefangenen, die älter als 60 Jahre sind, Hafturlaub gewährt werden, damit sich die Familien um deren gesundheitliche Versorgung kümmern können."

Die Situation in den Gefängnissen bereitet den Inhaftierten und ihren Angehörigen seit Beginn der Pandemie große Sorge. Vor drei Monaten hatten die männlichen Gefangenen im Trakt 8 des Evin-Gefängnisses eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, nachdem Coronafälle aufgetreten waren, und darin die Verantwortung der Justizbehörden betont.

Der vorliegende Artikel wurde von Eskandar Abadi aus dem Persischen adaptiert.

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